Der RBB soll zum Musterknaben werden

06. November 2023
Helmut Hartung promedia Verlag Chefredakteur
Helmut Hartung promedia Verlag Chefredakteur
Berlin und Brandenburg legen mit dem neuem RBB-Staatsvertrag strengere Normen für die Zweiländeranstalt fest

Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net

Der RBB ist in den vergangenen Monaten zum Synonym für Misswirtschaft, Vetternwirtschaft und Maßlosigkeit beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk geworden. Nun besteht die Hoffnung, dass der Rundfunk Berlin-Brandenburg zum Vorbild für eine wirksame Reform, eine zeitgemäße Führungsstruktur, höhere Effizienz, Transparenz, Compliance und relevante Regionalberichterstattung wird. An Freitag haben der Ministerpräsident Brandenburgs Dietmar Woidke und Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner eine Neufassung des RBB-Staatsvertrages beschlossen, die noch vor Jahresfrist undenkbar war. Der Saarländische Landtag hat vor wenigen Wochen dem novellierten Gesetz für den Saarländischen Rundfunk zugestimmt, der in mehreren Paragraphen die Strukturen, Vergütungen und den Auftrag neu regelt. Der Berliner und Brandenburger Staatsvertrag geht darüber noch hinaus und könnte auch ein Signal an die Rundfunkkommission der Länder sein, dass der nächste Medienänderungsstaatsvertrag zur Strukturreform und Beitragsfestsetzung ein Reformstaatsvertrag wird, der den Namen verdient und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vom Kopf wieder auf die Füße stellt.

Die Rechnungshöfe aus Berlin und Brandenburg, deren Empfehlungen sich zu großen Teilen in der Novelle wiederfinden, bezeichneten den Staatsvertragsentwurf als „bahnbrechende Entwicklung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ und als „Muster für weitere Novellierungen von Mediengesetzen für ARD-Anstalten“. Im August und September bestand die Möglichkeit, Hinweise und Änderungsvorschläge zum Entwurf schriftlich zu übermitteln. Der RBB hatte dafür vier Wochen Zeit und konnte, im Gegensatz zur Darstellung der Intendantin Ulrike Demmer in der „Zeit“, ausführlich Kritik üben. Auch beide Landesparlamente wurden rechtzeitig einbezogen. Insgesamt gab es 30 Stellungnahmen, mit teilweise begründeten Einwänden. Einige Punkte wurden im jetzt vorliegenden Gesetz auch berücksichtigt. Der Kern der Reformagenda, die beim RBB eine größere Transparenz, bessere Kontrolle, stärkere Verantwortung des Intendanten, der Direktoren und Gremiumsmitglieder garantieren sowie den Ausbau der regionalen Berichterstattung aus Brandenburg vorsieht, wurde nicht angetastet. Im Gegensatz zu den Vorwürfen aus dem Sender und von Ulrike Demmer, gehen beide Landesregierungen davon aus, dass das neue Gesetz verfassungskonform ist und die Regelungen damit staatsfern sind.

Rundfunkrat und Verwaltungsrat werden künftig professioneller aufgestellt. Der Verwaltungsrat wird zum Sachverständigengremium, sein Aufgabenprofil wird geschärft, aus dem Ehrenamt wird ein vergütetes Nebenamt – ein Novum im Vergleich der Rundfunkanstalten der Bundesländer. Gestärkt wird nicht nur die interne, sondern auch die externe Finanzkontrolle. Künftig prüfen die Rechnungshöfe von Berlin und Brandenburg regelmäßig die wirtschaftliche Gesamtsituation des RBB. Eine zentrale Konsequenz aus der Krise des Senders ist für beide Länder die künftig stärkere Verantwortung des Intendanten, der Direktoren sowie der Gremienmitglieder. Auch damit sind Berlin und Brandenburg Vorreiter im Vergleich der Rundfunkanstalten. Sowohl für die Senderspitze als auch den Verwaltungsrat wurden Haftungsregelungen bei wesentlichen Fehlentscheidungen festgeschrieben. Der Anteil, den die Schadenverursacher selbst tragen müssen, wurde aber auf eine jährliche Vergütung bzw. der jährlichen Aufwandsentschädigung reduziert.

Zu den Kritikpunkten am Entwurf gehörte die Änderung der Intendantenverfassung. Die Kompetenzen von Intendanten und Direktorium wurden deshalb klarer geregelt. Die Geschäftsleitung wird verschlankt. Das Direktorium ist als Kollegialorgan für „Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung“ zuständig. Ihm gehören neben dem Intendanten ein Direktor für den Programmbereich und einer für den administrativen Bereich an. So sollen Alleingänge verhindert werden. Die Gesamtverantwortung des Intendanten, dem bei Entscheidungen des Direktoriums ein Vetorecht eingeräumt wird, bleibt erhalten.

„Aus dem selbst postulierten ‚Hauptstadtsender‘ wird eine Anstalt mit ausgewogener Berichterstattung aus beiden Bundesländern.“

Der neue Staatsvertrag sieht vor, dass die Vergütungsstrukturen auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten sind und sie werden mit Gehaltsobergrenzen gedeckelt. Ein Intendant soll nicht mehr Geld bekommen als Minister oder Senatoren. Grundgehaltsgrenze ist ein Äquivalent zum Grundgehalt der Besoldungsgruppe B11 nach dem Senatorengesetz des Landes Berlin, und soll 200.000 Euro jährlich nicht wesentlich überschreiten. Die Summe entspricht in etwa der gegenwärtigen Vergütung der neuen Intendantin Ulrike Demmer. Ihre Vorgängerin im Amt, Patricia Schlesinger, hatte inklusiver Zulagen rund 350.000 Euro pro Jahr erhalten. Der Sender muss einen verbindlichen Verhaltenskodex gegen Korruption erlassen und ein wirksames Compliance-Management-System gewährleisten. Darüber hinaus wird eine externe Ombudsperson ernannt. Auch regelmäßige Risikoanalysen sind staatsvertraglich vorgesehen. Eines der Anliegen der Novelle besteht nach Aussagen beider Landesregierungen in einer größeren Transparenz nach innen und außen. Wesentliche Dokumente sowie Bezüge und Nebeneinkünfte des Intendanten sowie der Direktoren werden künftig veröffentlicht. Jahresabschluss, Geschäftsbericht und Bericht des Abschlussprüfers sind an die Landesparlamente zu übermitteln. Transparenz gilt auch für das Personal: Alle Stellen werden öffentlich ausgeschrieben.

Der Umfang der Werbung in den Hörfunkprogrammen soll, wie im Entwurf geplant, auf 90 Minuten werktäglich reduziert werden. Das entspricht nach Einschätzung beider Staatskanzleien auch der Größenordnung der gegenwärtig geschalteten Werbung. Damit wird nicht mit wesentlichen Einnahmeausfällen, wie vom RBB kolportiert, gerechnet. Drei, bisher über UKW oder DAB ausgestrahlte Programme, sollen zudem in Onlineangebote überführt werden.

Aus dem selbst postulierten „Hauptstadtsender“ wird eine Anstalt mit ausgewogener Berichterstattung aus beiden Bundesländern. Auf die Einrichtung von zwei Landesfunkhäusern wird dagegen aus Kostengründen verzichtet. Der RBB muss sein Angebot künftig aber grundsätzlich in beiden Ländern herstellen. Das lineare Fernsehprogramm soll für 60 Minuten am Tag regional auseinandergeschaltet werden (bisher 30 Minuten). Für die Landesangebote wird es je einen Leiter geben, der auf Vorschlag der Intendanz vom Rundfunkrat gewählt wird. Neben den beiden Regionalstudios in Frankfurt (Oder) und Cottbus werden die bestehenden Regionalbüros in Prenzlau und Perleberg staatsvertraglich festgeschrieben. Ein weiteres Regionalbüro wird in Brandenburg an der Havel für Westbrandenburg eingerichtet. Die regionale Berichterstattung sei die DNA der ARD, wird in jüngster Zeit von den Anstalten immer wieder betont. Deshalb verwundert es, wenn Ulrike Demmer im Interview mit der „Zeit“ die längere Splittung des Programms mit dem Hinweis kritisiert, dass das 3 Millionen Euro - bei Einnahmen von 538,8 Mio. Euro - kosten würde und man doch sparen müsste.  

„Es ist populär, auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzuschlagen“, sagte Ulrike Demmer in diesem Interview vom 1. November. Nun will ich nicht unterstellen, dass sie damit die beiden Landesregierungen meint, die jetzt einen engeren Rahmen für ihre Arbeit und ihren Sender gesetzt haben. Es ist aber schon bedenklich, wenn eine öffentlich-rechtliche Intendantin berechtigte Kritik für „einschlagen“ hält, und sie die Forderung von Landtagsabgeordneten „nach mehr Demut“ misstrauisch macht.

Das letzte Wort beim novellierten RBB-Gesetz haben nun die zwei Landesparlamente, die wie bei Medienstaatsverträgen üblich, keine Änderungen mehr vornehmen, sondern dem Vertrag nur zustimmen oder ihn ablehnen können. Beide Landesregierungen haben aus der Intendantenallmacht, Misswirtschaft und Beitragsverschwendung beim RBB die notwendigen Konsequenzen gezogen und zugleich Voraussetzungen geschaffen, dass bei der öffentlich-rechtlichen Zweiländeranstalt, sparsamer, effektiver und verantwortungsbewusster gearbeitet werden muss, wenn die Parlamente in Berlin und Potsdam für das Gesetz votieren.

 

 

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