Interview mit Felix Falk, Geschäftsführer Game, Verband der deutschen Games-Branche
Für die deutsche Games-Branche könnte das vorzeitige Ende der Ampelkoalition problematisch werden. Es besteht die Gefahr, dass ohne verabschiedeten Bundeshaushalt für 2025 die zugesagten Games-Fördermittel von 33 Millionen Euro im Budget der Kulturstaatsministerin auch für 2025 und 2026 kurzfristig nicht kommen. Der Game-Verband hofft darauf, dass zumindest die neue Games-Förderrichtlinie im Bundeswirtschaftsministerium, mittels derer im kommenden Jahr wieder die Games-Entwicklung gefördert werden soll, durch den fehlenden Bundeshaushalt nicht beeinträchtigt werde. Das wäre sonst eine große Bedrohung für zahlreiche Games-Unternehmen, die mit dem für Anfang 2025 versprochenen Start rechnen. Der Verband der deutschen Games-Branche erwartet, dass die nächste Bundesregierung eine steuerliche Games-Förderung auf den Weg bringt. Die Mitglieder des Game bilden das gesamte Games-Ökosystem ab, von Entwicklungs-Studios und Publishern bis hin zu E-Sport-Veranstaltern, Bildungseinrichtungen oder Institutionen.
medienpolitik.net: Herr Falk, wie wird gegenwärtig die Games-Branche durch den Bund gefördert?
Falk: Bisher wird die Games-Branche auf Bundesebene vor allem durch das Förderprogramm im Bundeswirtschaftsministerium gefördert. Allerdings herrscht hier seit Mai 2023 bereits ein Antragsstopp, da die Mittel – jährlich 50 Millionen Euro – gemessen am Bedarf der Games-Branche zu gering ausfallen. Die aktuelle Evaluation der Förderung durch das Wirtschaftsministerium ergibt, dass Deutschland im Vergleich zu allen anderen Vergleichsstandorten weltweit derzeit nur rund ein Viertel der Mittel pro Einwohner bereitstellt. Neben dieser Förderung gibt es seit kurzem als Pilotprojekt ein Games-Stipendium, dass von der Beauftragten für Kultur und Medien finanziert wird. Hier erhalten bis zu 130 Gründerinnen und Gründer aus ganz Deutschland anderthalb Jahre lang 2.750 Euro pro Monat sowie ein Bildungsprogramm, um ihr Spiel umzusetzen und ein Unternehmen zu starten. Für dieses Programm sind rund 8 Millionen Euro vorgesehen.
medienpolitik.net: Was war bisher für 2025 geplant?
Falk: Zahlreiche Games-Unternehmen warten dringend darauf, dass im kommenden Jahr der Förderantragsstopp im Wirtschaftsministerium endet und sie endlich wieder Projekte einreichen können. Zu Beginn waren die Folgen des Antragsstopps noch überschaubar, weil viele Unternehmen noch in laufenden Projekten steckten. Doch seit einiger Zeit beobachten wir, dass immer mehr Unternehmen unter Druck geraten, da der globale Games-Markt ohnehin angespannt ist und ohne eine international vergleichbare Förderung die Kostennachteile in Deutschland von rund 30 Prozent kaum aus eigener Kraft ausgeglichen werden können. Anfang 2025 soll das Förderprogramm wieder für neue Anträge geöffnet werden und es sollten auch mehr Mittel zur Verfügung stehen: Zusätzlich zu den 50 Millionen Euro, die im Haushaltsentwurf für das Förderprogramm im Wirtschaftsministeriums vorgesehen sind, sollen zudem 17,5 Millionen Euro aus dem Hause der Kulturstaatsministerin hinzukommen, die eigentlich schon für 2024 geplant waren. Zudem gibt es die Zusage des Haushaltsausschusses für eine Erhöhung um 33 Millionen Euro für die Jahre 2025 und 2026.
medienpolitik.net: Was bedeutet es für die Games-Branche wenn die geplante Förderung nicht mehr für 2025 beschlossen wird?
Falk: Nach dem Ende der Ampelkoalition stehen nun leider nicht nur die zugesagte Erhöhung um 33 Millionen Euro für 2025 und 2026 in Frage. Gleichzeitig drohen selbst ohne diese Erhöhung große Probleme, wenn zum Beispiel vorliegende Sperren des Haushaltsausschusses nicht mehr rechtzeitig aufgehoben werden können. Hier braucht es den dringenden Einsatz des Ministeriums und Bundestags, um zumindest das Schlimmste abzuwehren. Denn sollten durch die Neuwahlen und die vorläufige Haushaltsführung noch länger keine oder zu wenig neue Games-Projekte gefördert werden können, dann wird die Luft für viele Unternehmen wirklich dünn. Bereits jetzt steht leider fest, dass die Games-Förderung in Deutschland auch 2025 gemessen am tatsächlichen Bedarf und am internationalen Standard weiterhin deutlich unterfinanziert bleibt.
„Wenn wir international zu den erfolgreichen Top-Standorten der Games-Branche wirklich aufholen wollen, dann brauchen wir auch in Deutschland eine steuerliche Games-Förderung.“
medienpolitik.net: Sie setzen auf eine neue Games-Förderrichtlinie im Bundeswirtschaftsministerium. Was sieht diese Richtlinie vor?
Falk: 2025 soll der Förderantragsstopp aufgehoben werden, wenn die überarbeitete Förderrichtlinie angewendet werden kann. Vorgestellt wurden die Änderungen der neuen Richtlinie im Rahmen der gamescom-Eröffnung durch Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck. Die neuen Regelungen sind aus Sicht der Games-Branche allerdings ein Schritt in die falsche Richtung. An vielen Stellen wurden die Kriterien gegenüber dem bisherigen Modell verschlechtert und fallen damit im internationalen Vergleich noch stärker ab. Das gilt zum Beispiel mit Blick auf kleinere Spiele-Entwickler, die einen Großteil der Games-Branche in Deutschland ausmachen. So bleiben die konkreten Förderhöhen unklar und sind damit nicht verlässlich. Gleichzeitig sollen zukünftig nur noch Prototypen und Projekte mit einer Mindestgröße von 300.000 Euro Volumen gefördert werden. Auch wenn dies eine leichte Verbesserung gegenüber dem ersten Entwurf der neuen Richtlinie ist, werden damit angesichts der stark von Neugründungen geprägten deutschen Games-Branche zahlreiche Unternehmen künftig von der bundesweiten Games-Förderung ausgeschlossen. Auch die für kleinere und mittelgroße Games-Unternehmen wichtige Möglichkeit, die Bundesförderung mit Landesförderungen zu kumulieren, was nicht nur in der Filmförderung Standard ist, soll nicht mehr erlaubt sein. Zudem verschärft das Wirtschaftsministerium den Kulturtest. Alles in allem wird also versucht, das Förderprogramm an die zu geringen Mittel anzupassen und nicht an den tatsächlichen Bedarf und das in der Games-Strategie der Bundesregierung selbst ausgegebenen Ziel, Deutschland international zu einem Leitmarkt für Games zu machen.
medienpolitik.net: Inwieweit ist deren Umsetzung durch das Ende der Ampelkoalition ebenfalls gefährdet?
Falk: In der aktuellen Situation ist es in Bezug auf die neue Richtlinie notwendig, dass diese noch vor Ende des Jahres veröffentlicht wird. Derzeit liegt sie noch in Brüssel und muss von der EU-Kommission ratifiziert werden. Es braucht also den Einsatz von allen Beteiligten, um zumindest die größten Probleme zu verhindern und mit der Förderung Anfang 2025 wie geplant wieder starten zu können.
medienpolitik.net: Sie sprechen sich erneut für eine steuerbasierte Games-Förderung aus. Bei der Filmförderung konnte das bisher nicht realisiert werden, da das Bundesfinanzministerium einen erheblichen Anteil an der Förderung durch die Bundesländer erwartet. Warum sollte es bei Games besser laufen?
Falk: Wenn wir international zu den erfolgreichen Top-Standorten der Games-Branche wirklich aufholen wollen, dann brauchen wir auch in Deutschland eine steuerliche Games-Förderung. Dass wir hierzulande ohne diesen seit Jahren etablierten internationalen Standard deutlich weniger wettbewerbsfähig sind, hat auch die Evaluation des Wirtschaftsministeriums eindeutig belegt. Das bisherige Fonds-Modell hat seit 2020 zu zwei Förderantragsstopps geführt und damit zu viel Verunsicherung. Der internationalen Attraktivität Deutschlands als Games-Standort hat das empfindlich geschadet. Wir brauchen daher dringend auch hier die steuerliche Games-Förderung. Wir sind uns bewusst, dass diese für Deutschland recht untypische Art der Förderung durchaus ein dickes politisches Brett ist. Allerdings gab es in den vergangenen Monaten gleich mehrere sehr positive Signale: So stellte Wirtschaftsminister Robert Habeck bei der Eröffnung der gamescom die Einführung einer steuerlichen Games-Förderung in Aussicht. Auch seitens der Länder gab es vielversprechende Signale, unter anderem von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst oder von der Hessischen Landesregierung. Und auch in der Wachstumsinitiative der Bundesregierung wurde die Einführung der steuerlichen Games-Förderung angekündigt. Das Aus der Ampel hat an der Ausgangslage für die Games-Branche nichts geändert: Wir brauchen dringend international konkurrenzfähige und verlässliche Rahmenbedingungen. Die steuerliche Games-Förderung ist hierbei der zentrale Baustein. Das wird zusammen mit den großen kulturellen, wirtschaftlichen und technologischen Potenzialen für den Standort Deutschland zum Glück auch von immer mehr politisch Verantwortlichen so anerkannt.
medienpolitik.net: Wie ist die Games-Förderung in anderen Staaten?
Falk: Wie wichtig und sinnvoll die steuerliche Games-Förderung ist, zeigt ein Blick auf die international besonders erfolgreichen Games-Standorte, etwa Kanada oder Großbritannien. Durch die steuerliche Games-Förderung gibt es dort verlässliche und international attraktive Rahmenbedingungen, mit denen wir in Deutschland nicht mithalten können. Das zeigt die Studie „Die deutsche Games-Förderung im internationalen Vergleich“ sehr deutlich. Darum müssen wir dringend handeln, denn die Welt wartet nicht auf uns: Neben den bereits etablierten Games-Standorten, versuchen auch weitere Länder, etwa Australien oder Irland, durch attraktive Rahmenbedingungen Games-Unternehmen für eine Ansiedlung zu gewinnen. Hier dürfen wir nicht weiter zurückfallen. Daher wollen wir mit der künftigen Bundesregierung die Planbarkeit und Vergleichbarkeit der Rahmenbedingungen endlich realisieren, wozu insbesondere die steuerliche Games-Förderung gehört.