Die Reform ist Aufgabe der Politik

17. November 2023
Positionspapier der APR zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Das Beste aus zwei Welten zu erhalten, müsse Ziel der anstehenden Reform der Medienordnung sein. Das schreibt die Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR) in einem Positionspapier zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Bei der Reform von Aufgaben, Finanzierung und Struktur der Rundfunkanstalten sei die ökonomische Basis der privaten Anbieter in den Blick zu nehmen, sie dürfe nicht gefährdet werden. Die Anstalten als der gemeinwohlorientierte Teil der Medienordnung habe Content für die gesamte Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Vorrang sollten Nachrichten, Kultur, Bildung und Dokumentation haben, wohingegen Unterhaltung und Events aus den Bereichen Musik oder Sport nachrangig angeboten werden sollen. Auf keinen Fall sollte ein Überbietungswettbewerb bei solchen Events stattfinden, denn das bringe keinen inhaltlichen Mehrwert für die Nutzer, sondern verbraucht lediglich Ressourcen beider Teile der dualen Medienordnung.

Es gehe darum, stellt die APR fest, die journalistischen Angebote des dualen Mediensystems insgesamt gegenüber den internationalen Plattformen zu stärken. Es gehe um die Kommunikation in der Gesellschaft mit ihren Auswirkungen auf den demokratischen Diskurs. Moderne Medienpolitik müsse sicherstellen, dass die Public Value-Angebote sowohl des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als auch der privaten Anbieter ungeschmälert hergestellt, verbreitet und als Informationsquelle gefunden werden können. Da es darum gehe, den Wettbewerb der journalistischen inländischen Medien gegenüber den internationalen Plattformen zu stärken, gehöre es nicht zu den Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Angebote der regionalen/lokalen Berichterstattung darzubieten. Entsprechenden Bestrebungen und aktuellen Umschichtungen von Budgets zu diesem Zweck sei entgegenzutreten. Die für die gesamte Gesellschaft gemeinwohlorientierten Medien, so die APR in ihrem Positionspapier, würden in sachgerechter Weise durch einen Beitrag aller Mitglieder der Gesellschaft finanziert. Werbung sei der Finanzierung privater Medieninhalte vorbehalten. Werbung in öffentlich-rechtlichen Medien sei nur dort vertretbar, wo dies zur Absicherung der Relevanz der Gattung gegenüber der Werbewirtschaft erforderlich ist – nur aus diesem Grund sei die Werbung im Hörfunk beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach dem NDR-Modell angemessen. Jegliche Form der Online-Aktivitäten der Anstalten seien werbefrei zu halten.

Kritisch setzt sich die APR mit den Tochterfirmen der Anstalten auseinander. Sie würden vielfach die Grenzen des Auftrags der Anstalten umgehen und unterlägen nicht der vollen Kontrolle der Gremien der Anstalten, wie dies bei Aktivitäten der Anstalten selbst der Fall sein müsse. Kritik übe die APR schließlich daran, dass den internationalen Plattformen Content kostenfrei zur Verfügung gestellt wird, den diese im Wettbewerb zu den privaten Anbietern entgegensetzten.

Aus dem Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR)

Reform als Aufgabe der Politik

Die zuvor herausgearbeitete Notwendigkeit umfassender Anpassungen der Medienordnung und in diesem Zusammenhang des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks kann nicht allein von ihm selbst erwartet werden. Die „Reform“ von den Anstaltsleitungen und den Kontrollgremien zu verlangen, überfordert diese in mehrfacher Hinsicht. Den Anstalten die Anpassung selbst zu überlassen, funktioniert schon deshalb nicht, weil es nicht nur um deren Binnenperspektive geht, sondern um die Anpassung der Medienordnung insgesamt, bei der die Anstalten nur ein Teil sind. Notwendig ist das, was das Bundesverfassungsgericht als „positive Ordnung des Rundfunks“ insgesamt bezeichnet. Dies ist Aufgabe des Gesetzgebers und damit Gegenstand der Medienpolitik der Länder. Die Gestaltungsgrenze ist erst dort überschritten, wo konkrete Programminhalte redaktionell festgelegt sind. Ansonsten hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Er ist in der Pflicht, von diesem Spielraum gestaltend Gebrauch zu machen.

Schlussfolgerung in Bezug auf den Content

Der gemeinwohlorientierte Teil der Medienordnung hat Content für die gesamte Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Dabei hat er unterschiedliche Teile (Zielgruppen) der Gesellschaft anzusprechen aber im Unterschied zu den algorithmisch gesteuerten Inhaltezusammenstellungen der internationalen Plattformen gerade nicht im Sinne einer Verstärkung der Sichtweise der einzelnen Gruppen, sondern den Blick öffnend auf die Perspektive auch anderer Gruppen, um so den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern und die Willensbildung über relevante Themen und zu einzelnen Sachverhalten erst zu ermöglichen. Das gelingt nur, wenn sich das Angebot nicht verzettelt, also nicht jede kleinste denkbare Gruppe als legitime Zielgruppe definiert; dieses Herangehen war bislang vielmehr Ursache der derzeit wahrgenommenen Entgrenzung des Aufgabenbereiches der Anstalten.

Notwendig ist ein Blick darauf, ob es entsprechende Angebote für Zielgruppen schon gibt. Ist das der Fall, ist ein zusätzliches Angebot des gemeinwohlorientierten Teils der Medienordnung nicht oder bestenfalls nur ergänzend angebracht. Vorrang sollten also Nachrichten, Kultur, Bildung und Dokumentation haben, wohingegen Unterhaltung und Events aus den Bereichen Musik oder Sport nachrangig angeboten werden sollen; auf keinen Fall sollten sie im Überbietungswettbewerb vom privaten Sektor zum gemeinwohlorientierten Sektor gelenkt werden, denn das bringt keinen inhaltlichen Mehrwert für die Nutzer, sondern verbraucht lediglich Ressourcen beider Teile der dualen Medienordnung. Die Auffassung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk kein Ergänzungsangebot stellt, ist für die wesentlichen gesellschaftlichen Bereiche in der Vergangenheit zutreffend gewesen. Dies ist zukünftig allerdings nicht auf alle gesellschaftlichen Gruppierungen und auf alle Angebote auszudehnen. Aufbauend darauf, dass es heute darum geht, den Wettbewerb der journalistischen inländischen Medien gegenüber den internationalen Plattformen zu stärken, gehört es nicht zu den Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Angebote der regionalen/lokalen Berichterstattung darzubieten. Entsprechenden Bestrebungen und aktuellen Umschichtungen von Budgets zu diesem Zweck ist entgegenzutreten. Dies würde die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit der lokal und regional tätigen Medien gefährden. Bereits an dieser Stelle sei mit Blick auf die Strukturfragen der Hinweis erlaubt, dass Organisationen ihr eigenes Angebot immer für erforderlich halten werden, daher strukturelle Vorgaben durch die Gremien notwendig sind, um die externe Perspektive bei dieser Bewertung einzubringen.

Schlussfolgerung in Bezug auf den Programmbereich

Die derzeitige Diskussion kreist sehr um Kontrollgremien oder Intendanten und Direktoren. Diese erstellen aber nicht das Programm. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – fest angestellt oder frei – erstellen den Content. Ihre Professionalität und Unabhängigkeit gegenüber gesellschaftlichen Strömungen ist zu wahren; auf die derzeit laufende Diskussion zum EMFA kann verwiesen werden, wo auf europäischer Ebene die sich stellenden Fragen aufgeworfen sind. Für die laufende Diskussion um die öffentlich-rechtlichen Anstalten ist auf einen Teil der Diskussion besonders abzustellen. Konkret ist sicher zu stellen, dass bei der Auswahl der redaktionell Beschäftigten im Wesentlichen die gesellschaftliche Vielfalt widergespiegelt wird. Auch wenn Redaktionen nach professionellen Gesichtspunkten Inhalte erstellen und losgelöst von persönlichen Meinungen tätig sind, fließen persönliche Erfahrungen, Kenntnisse und Hintergründe in die Arbeit schon bei der Bewertung der Relevanz von Themen ein. Auch konkurrieren die Rundfunkanstalten mit privaten Anbietern als Arbeitgeber am Arbeitsmarkt. Vielfach ist zu beobachten, dass private Anbieter Volontariate anbieten und damit in die Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten investieren, die danach vom höheren Vergütungsniveau, das nicht am Markt refinanziert werden muss, durch die Anstalten abgeworben werden. Auch mit Blick auf die Verantwortlichkeit von Aufsichtsgremien ist zu hinterfragen, ob das Vergütungsniveau marktgerecht ist (im Vergleich zu anderen Medien und anderen Branchen), um solche Schieflagen zu verhindern. Nicht umsonst sind Journalistengewerkschaften die größten Verfechter von Erhöhungen des Rundfunkbeitrages, dies ganz offen mit Blick auf Vergütungen und damit ihre Verhandlungsposition als Tarifvertragspartei.

Schlussfolgerung in Bezug auf Struktur

Die Anpassungen an die Strukturen haben sich an den dargestellten Inhalten, Zielen und den erforderlichen Maßnahmen auszurichten. Es müssen externe Sichtweisen berücksichtigt werden. Die Rechtsaufsicht muss deutlich aktiver als derzeit wahrgenommen werden, um die Einhaltung des gesetzlichen Rahmens sicherzustellen. Regelungen betreffend die Anstalten müssen mit Blick auf private Anbieter auch drittschätzenden Charakter haben. Es ist nicht Aufgabe der APR, sich über die Intendantenverfassung, Direktoriumskonstruktionen und ähnliche Interna zu äußern. Der Ruf nach einer Professionalisierung von Gremien mit entsprechenden Anforderungen an deren Mitglieder ist zu differenzieren. Für Verwaltungsräte ist unzweifelhaft zu fordern, dass diese Kenntnisse im Bereich der Medienwirtschaft auch außerhalb des öffentlich-rechtlichen Bereichs vorzeigen können; auch Fachleute mit Expertise im privaten Medienbereich aus Unternehmen oder Verbänden sollten einbezogen werden. Bei Rundfunkräten muss man sich entscheiden, ob man Repräsentanten der Allgemeinheit, die nicht notwendigerweise Medienspezialisten sind, erwartet oder Expertengremien. Viele Wortmeldungen hierzu erscheinen nicht ausgereift. In den Erfahrungen der APR, die aus der Behandlung ihrer Wortmeldungen in den Verfahren betreffend Drei-Stufen-Tests herrühren, verstehen sich Gremien der Rundfunkanstalten als Sachwalter „ihrer“ Anstalt und nicht als Vertreter der Allgemeinheit auch mit Blick auf die gesamte duale Rundfunkordnung. Da jede Programmentscheidung Auswirkungen auf auch den privaten Teil der Medienordnung hat, ist nicht nur eine Änderung beim Selbstverständnis der Gremienarbeit erforderlich, sondern konkrete absichernde gesetzliche Vorgaben. Die APR hat bereits früher vorgeschlagen, dass Rundfunkräte und Aufsichtsgremien der Landesmedienanstalten regelmäßig den Austausch pflegen sollten. Auch der Austausch der Aufsichtsgremien oder zumindest wesentlicher Ausschüsse mit den Verbänden privater Medien sollte auf regelmäßiger Basis gesetzlich vorgegeben werden. Die externe Expertise bei der Bestimmung neuer Inhalte ist vorzugeben und festzuschreiben, die Einhaltung dieser prozeduralen Absicherung ist aufsichtsrechtlich abzusichern und die Rechtsaufsicht effektiv durchzuführen. Um sicherzustellen, dass der gemeinwohlorientierte Teil der Medienordnung sich im Rahmen des für ihn vorgesehenen Aufgabenbereichs bewegt, sollte im festen Turnus ein Expertenbericht erstellt werden. Während die KEF die Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit untersucht, sich aber aus gutem Grund nicht mit der Frage befasst, ob Programminhalte zum Aufgabenbereich der Anstalten gehören, kann ein von der KEF unabhängiges Expertengremium eine medienökonomische Analyse erstellen; die Ergebnisse sind vom Gesetzgeber und von den Gremien bei der Ausgestaltung und bei der Feinsteuerung der Aufgaben des gemeinwohlorientierten Bereichs zu beachten. So kann kontinuierlich auf Basis des Rats von Experten geprüft werden, ob im eingangs beschriebenen Sinn das Beste aus beiden Welten für ein Mehr an Vielfalt im gesellschaftlichen Diskurs erreicht wird.

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