Es braucht alles seine Zeit

23. September 2024
Helmut Hartung promedia Verlag Chefredakteur
Helmut Hartung promedia Verlag Chefredakteur
Reformpläne der Bundesländer werden erst in einigen Jahren greifen

Von Helmut Hartung, Chefredakteur www. Medienpolitik.de

Vierzehn Tage Zeit bleiben den Verbänden, Sendern und anderen Institutionen um der Rundfunkkommission der Länder ihre Änderungsvorschläge zum Reformpaket für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu unterbreiten, wenn die fünf Entwürfe Ende dieser Woche veröffentlicht werden. Vierzehn Tage für mehr als 120 Seiten an neu formulierten Regeln. Und diese Änderungen haben es in sich. Der Auftrag wird modifiziert, die Strukturen der ARD sollen umgebaut werden, die Aufgaben der Kontrollgremien sind angepasst worden, die Angebote sollen realitätsnäher und digitaler werden. Das alles könnte dazu führen, dass die Anstalten schlanker werden, Kosten sparen und insgesamt wieder mehr Akzeptanz bei den Beitragszahlern finden. Zudem wird auch der Finanzierungsstaatsvertrag wesentlich umgebaut: Die KEF erhält neue Befugnisse, die Länder gestatten sich einen sogenannten Rationalisierungsabschlag und die KEF-Empfehlung ist künftig nur noch ein Basiswert.

Ursprünglich sollte die Anhörung erst nach der Konferenz der Regierungscheffinnen und -chefs Ende Oktober starten. Aber der öffentliche Druck, schnell zu einem Reformstaatsvertrag zu kommen, war den Ländern dieser enge Zeitplan wert. Selbst ein Gutachten der Beitragskommission KEF, das im Frühjahr beauftragt worden ist, soll keine Berücksichtigung bei der Neuformulierung der Staatsvertragsparagraphen mehr finden. Es wird erst Ende der Woche fertig. Die ursprüngliche Hoffnung, dass die KEF die Reduzierung der Aufwendungen und Kosten berechnen kann, die sich möglicherweise aus den Reformen ergäben, war sowieso mehr Wunschdenken als realistische Erwartung. Auch die damit verbundene Aussicht, auf eine schnelle Neuberechnung des Beitrages, erweist sich als Illusion. Vieles von dem, was in den Staatskanzleien in monatelanger Arbeit erdacht, rechtlich geprüft, unter den 16 Ländern abgestimmt und schließlich in Entwürfen für neue Gesetze formuliert worden ist, wird erst nach Jahren greifen. Oder glaubt wirklich jemand, die Reduzierung der Hälfte der Spartenkanäle nach einem inhaltlichen Korbprinzip verläuft ohne Interessenskonflikte zwischen ARD und ZDF? Die ARD soll ein Federführungsprinzip für wichtige Aufgaben der Technik und Verwaltung einführen. Wer verfolgt hat, wie aufwendig dieser Prozess bei den Service-Sendungen war, wie jede Anstalt um ihre Pfründe kämpfte und einzelne Sender am liebsten weiterhin alles selbst produzieren wollen, weiß wie schwer es sein wird die „Federführung“ durch eine Anstalt in den Bereichen zu erreichen, wo bisher neun Intendanten hoheitlich entschieden. Oder nehmen wir die Pflicht zur Zusammenarbeit. Wie wird diese konkret umgesetzt? Wer überprüft es? Die Online-Angebote sollen künftig weniger presseähnlich werden, so sieht es der Entwurf des Medienstaatsvertrages vor. „Die eigenen Portale dürfen jeweils nicht presseähnlich sein. Sie sind im Schwerpunkt mittels Bewegtbild oder Ton zu gestalten“, heißt es bisher. Aber was bedeutet „im Schwerpunkt“? Wie schnell lässt sich das in den hunderten von Online-Portalen der Anstalten umsetzen? Vor allem: Will man zwischen Saarbrücken und Bremen diese Behinderung privater Medien auch konsequent verändern?

Mit der Reduzierung von Hörfunkwellen und auch der Spartenkanäle – alles wichtige Schritte – lässt sich der Beitrag nicht stabil halten, das wissen alle Verantwortlichen in den Sendern. Die Pflicht zur Zusammenarbeit, eine Reduzierung der Ausgaben für Sportrechte, ein Eindampfen der Gehälter und ein Abbau von Doppelstrukturen sind schon eine andere Größenordnung, hier könnte gespart werden, wenn die Anstalten das auch ohne Hintertür umsetzen. Solange aber noch das Argument zu hören ist, das Verfassungsgericht habe den Anstalten neue Aufgaben gestellt und diese erforderten einen höheren Aufwand, ist Zweifel angesagt. Diese Aussage der Karlsruher Richter ist jedoch eine qualitative Wertung und keine quantitative. Und auch die stärkere digitale Transformation, die die Länder vorsehen, muss ohne zusätzliche Mittel erfolgen, so wie in der privaten Medienwirtschaft.

„Die Pflicht zur Zusammenarbeit, eine Reduzierung der Ausgaben für Sportrechte, ein Eindampfen der Gehälter und ein Abbau von Doppelstrukturen sind schon eine andere Größenordnung, hier könnte gespart werden, wenn die Anstalten das auch ohne Hintertür umsetzen.“

Dann ist da noch der Finanzierungsstaatsvertrag. Das Verfassungsgericht hat mehrere Möglichkeiten vorgegeben, vom bisherigen Verfahren abzuweichen. Diese fanden aber bei den Ländern keine Mehrheit. Nun will man die Einführung eines Rationalisierungsabschlages, wie ihn der Zukunftsrat angeregt hatte, mit einem verkappten Indexmodell kombinieren. Aber auch das greift erst, wenn es beschlossen wird, nach einigen Jahren. Denn der „Basiswert“, der nun die bisherige Empfehlung ersetzen soll, muss gesetzlich festgelegt werden. Und das muss mit der aktuellen Beitragsfestsetzung erfolgen. Der neue Beitrag, wäre dann der Ausgangspunkt für den Rundfunkbeitrag ab 2027 – wenn die KEF eine Neuberechnung vorsieht - oder noch später. Aber im jetzigen Finanzierungsstaatsvertrag muss an Stelle der geklammerten XXX eine Summe stehen. Verfassungskonform wäre eine Beitragsanhebung ab 2025. Dass diese nicht zum 1. Januar kommen wird ist aufgrund der Zeitplanes klar. Der aktuelle Beitrag von 18,36 Euro gilt nach der Rechtsprechung aus Karlsruhe, bis ein neuer Staatsvertrag beschlossen ist. Einige Monate werden die Anstalten also auf jeden Fall mit den bisherigen Einnahmen auskommen. Die laufende Beitragsperiode zeigt, dass sie damit noch immer bedarfsgerecht finanziert sind.

Bis die Effekte aus dem Reformpaket zu sehen sind, wird also noch viel Wasser den Rhein und die Oder hinabfließen. Doch das, was nun durch die Ministerpräsidenten beschlossen werden soll, ist mehr als vor zwei Jahren zu erwarten war. Über sechs Jahre hat es gebraucht, bis im September 2020 der Medienstaatsvertrag mit deutlich weniger Änderungen bei ARD, ZDF und Deutschlandradio in Kraft treten konnte. Dass es jetzt anscheinend gelingt, in gut zwei Jahren einen tiefgreifenden Reformprozess einzuleiten, zeugt vom Willen, spürbar etwas zu ändern. Auch, wenn sich manche Chefs der Staatskanzleien noch ambitioniertere Ziele gesetzt hatten. Doch auch Medienpolitik ist Kompromisspolitik und schon bei den fünf Entwürfen sind einige über ihren Schatten gesprungen. Sollten diese Entwürfe ohne wesentliche Abänderung in Kraft treten, dann hat die Rundfunkkommission wesentliche Voraussetzungen dafür geschaffen, dass es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in „neuer Form, mit weniger Spartenkanälen, weniger Radiosendern, geringeren Gehältern, mehr Digitales und vor allem stabile Beiträge“, geben kann, wie es der Chef der Sächsischen Staatskanzlei Conrad Clemens gegenüber der F.A.Z. nannte. Nach dem die Verträge in Kraft sind, liegt es an den Sendern, alles schnell umzusetzen. Auf die Verantwortung der Länder können sie jedenfalls nicht länger verweisen.

 

 

 

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