Halten die Länder ihr Reformtempo durch?

29. Januar 2024
Helmut Hartung promedia Verlag Chefredakteur
Helmut Hartung promedia Verlag Chefredakteur
Trotz Einigung in vielen Punkten bestehen weiter große Differenzen über die konkrete Umgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net

Im Januar und Februar dieses Jahres entscheiden vier Termine innerhalb weniger Wochen über die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: am 18. Januar der Bericht des Zukunftsrates, am 25. und 26. Januar die Klausur der Rundfunkkommission, am 7. Februar ein Gespräch der Rundfunkkommission mit den Anstalten über die Beschlüsse von Bingen und am 23. Februar der 24. Bericht der Beitragskommission KEF mit dem Vorschlag für eine Beitragserhöhung ab 2025. Bei allen Treffen und Informationen geht es nicht nur um „Geld“, den Aufwand der Bürger für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Hier fallen auch Vorentscheidungen für die Akzeptanz und Relevanz der Anstalten in unserer Gesellschaft. Bei der Beratung Anfang Februar wollen die Länder beispielsweise mit den Intendanten einen gemeinsamen Fahrplan für die Reformen entwickeln.

Die Vorschläge des Zukunftsrates, der vor allem von den CDU-regierten Ländern favorisiert worden war, prägte die Klausurtagung im rheinländischen Bingen, die eigentlich den Durchbruch für den baldigen Entwurf eines novellierten Medienstaatsvertrages bringen sollte. So heißt es im Eckpunktepapier vom 26. Januar: „Die Reformvorschläge sind in Bingen gründlich beraten worden. Parallel haben auch die Länder in den vergangenen Monaten intensiv an Reformvorschlägen gearbeitet. Analyse und Schlussfolgerungen dieser Prozesse weisen dabei viele Übereinstimmungen auf. Die Rundfunkkommission sieht sich durch die Empfehlungen des Zukunftsrats in ihrem Ansatz gestärkt, den bereits angestoßenen und sehr grundsätzlichen Erneuerungsprozess des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entschlossen weiter voranzutreiben.“

Die komplexen Vorschläge der achtköpfigen Expertenkommission einerseits sowie pragmatische Lösungen, die in den Staatskanzleien der Länder erarbeitet worden sind, um die Kosten kurz- und mittelfristig zu senken und den Rundfunkbeitrag zumindest stabil zu halten und die Zustimmung zum Angebot zu verbessern, prallten in der zweitägigen Beratung aufeinander. Das Resultat ist ein Beschluss, der die Länder nicht zufrieden stimmt, weil in vielen Punkten kein Konsens zu erkennen ist und die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit somit enttäuscht wird. Die Differenzen zeigen sich auch darin, dass Bayern – ungewöhnlich für eine Beratung der Rundfunkkommission – eine Protokollerklärung zum Beschluss durchsetzte. In dieser Stellungnahme der Bayerischen Regierung heißt es unter anderem: „Zur Schärfung des Auftrags und im Sinne einer schlankeren Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fordert Bayern eine deutliche Reduzierung der Programme in Fernsehen und Hörfunk. Die Anzahl der Spartenprogramme ist im Sinne einer grundlegenden Strukturveränderung von derzeit zehn (inkl. Digitalprogramm FUNK) auf fünf zu reduzieren. Dafür sind Programme für bestimmte Zielgruppen zusammenzufassen sowie arte und 3sat zu einem Programm weiterzuentwickeln. Im Bereich Hörfunk sind mindestens 14 Programme – der aktuell 72 Hörfunkprogramme – einzusparen. Insgesamt müssen mindestens 20 Programme eingespart werden. Dies kann auch durch Eingliederung von kleinen Anstalten in Mehrländeranstalten ermöglicht werden. Auch die Anzahl der Klangkörper der Rundfunkanstalten ist zu reduzieren. Bayern setzt sich für eine Halbierung der Anzahl der Klangkörper der Landesrundfunkanstalten ein.“ Vieles davon könnte Bayern im Gesetz über den Bayerischen Rundfunk übrigens selbst klären, zum Beispiel einen der zwei Klangkörper des Bayerischen Rundfunks, aufzulösen.

„Die Differenzen zeigen sich auch darin, dass Bayern – ungewöhnlich für eine Beratung der Rundfunkkommission – eine Protokollerklärung zum Beschluss durchsetzte.“

Bayern, das zeigt diese Protokollerklärung, gehört zur Mehrzahl der Länder, die eine neue Anstalt mit neuen Strukturen und Gremien sowie ein neues Finanzierungsmodell, dass der Zukunftsrat vorgeschlagen hat, ablehnen. „Eine Überprüfung des Finanzierungsverfahrens ist erst angezeigt, wenn konkrete die Beitragsstabilität sichernde Reformmaßnahmen auf den Weg gebracht sind“. Der Freistaat spricht mit diesem Forderungskatalog sicher vielen Bundesländern aus dem Herzen, die revolutionäre Veränderungen bei ARD und ZDF fordern, allerdings sind diese nur schwer mit den vorsichtigen Reformplänen anderer Bundesländer in Übereinstimmung zu bringen. Eine Veränderung bei der Festsetzung des Beitrages würde den öffentlich-rechtlichen Sendern zudem mehr Planungssicherheit bringen und sie möglicherweise motivieren, den Erneuerungsprozess zu forcieren.

Auf die KEF kommt in den nächsten Monaten viel Arbeit zu. Zum einen soll sie in einem Sondergutachten klären, welche wirtschaftlichen Effekte in den Anstalten von den eigenen Konzepten und den Empfehlungen des Zukunftsrates zu erwarten sind. Zum anderen wird sie auch berechnen, welche Kosten die sogenannten beitragsfremden Leistungen insgesamt verursachen. Dazu gehören, die von Bayern erwähnten Klangkörper, sowie die Befreiung vom Rundfunkbeitrag aus sozialen Gründen und die Abgaben für die Landesmedienanstalten. Auch damit hatte sich die Klausurtagung befasst, ohne zu einem Ergebnis zu kommen.

Angesichts der Streitpunkte, sind leicht die Themen zu übersehen, über die die Länder grundsätzlich zu einer Einigung gefunden haben. Dazu gehört eine Deckelung der Ausgaben für Sportrechte, die Bildung einer Gesellschaft von ARD, ZDF und Deutschlandradio für die digitalen Plattformen, eine Präzisierung der Abgrenzung mit den Online-Angeboten der Verlage, eine zentrale Steuerungseinheit für Verwaltung und Technik und ein neues Vergütungssystem für die außertariflichen Leitungs- und Führungsfunktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Aber auch hier müssen Vorhaben noch in Paragrafenform gegossen werden und das kann zeitaufwendige Diskussionen erfordern. Auf der Klausurtagung in Deidesheim vor einem Jahr haben die für Medienpolitik Verantwortlichen der Länder formuliert: „Es besteht Einigkeit, dass jetzt der Reformprozess weitergeführt werden muss, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk inhaltlich, finanziell wie technisch zukunftsfest auszugestalten. Dabei ist die Rundfunkkommission überzeugt, dass die Rundfunkanstalten selbst wesentlich zur Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beitragen können und müssen. Sie erwartet daher erhöhte Anstrengungen der Anstalten und ihrer Gremien, um den bereits angestoßenen Reformprozess aktiv voranzutreiben und konstruktiv fortzusetzen.“ Es wird sich schon in den nächsten Wochen zeigen, ob die jüngste Klausurtagung der Rundfunkkommission an das damalige Reformtempo anknüpfen kann und bis zum Herbst dieses Jahres endlich ein Entwurf für einen novellierten Medienstaatsvertrag vorliegt.   

 

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