KI fördert nicht die Zahlungsbereitschaft für News

27. März 2024
Studie: Was können KI-Tools im Nachrichtenjournalismus bewirken?

Von Dr. Uwe Sanders, freiberuflich als Autor und Berater

Jonah Peretti, der Chef von BuzzFeed, ließ Anfang letzten Jahres den Aktienkurs seines Unternehmens spektakulär um 300 Prozent in die Höhe schnellen, indem er ankündigte, Inhalte zukünftig mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) erstellen zu lassen. Das war allerdings ein kurzer Hype. Inzwischen ist der Kurs auf ein Fünftel des damaligen Ausgangswertes gefallen, und BuzzFeed droht der Rausschmiss aus dem NASDAQ.

Der Fall zeigt, wie wichtig empirisch gestützte Befunde für realistische Erwartungen im Medienmanagement sind. Nach der jüngsten Trendumfrage des BDZV wollen immerhin zwei Drittel der Führungskräfte KI zur Texterstellung einsetzen. Das Hamburger Brand Science Institute (BSI) hat Befragungsdaten veröffentlicht, die speziell den überregionalen Nachrichtenjournalismus betreffen. Im ersten Schritt wurden 1.458 Probanden im Alter zwischen 18 und 70 Jahren nach ihrer Zahlungsbereitschaft für Online-Nachrichten befragt. 20 Prozent waren grundsätzlich zahlungsbereit. Im Durchschnitt würden sie, monatlich 10,24 Euro für ein Nachrichten-Abo ausgeben. Dies war die Benchmark für solche Nachrichten, die von einer Redaktion ohne Einsatz von KI erstellt werden.

Die Zahlungsbereitschaft sinkt, wenn die Redaktion KI-Tools einsetzt

Nun könnte man als Verlagsleiter hoffen, dass die Abonnenten vom Einsatz modernster Redaktionstechnik eine Qualitätsverbesserung erwarten und dies durch eine steigende Zahlungsbereitschaft honorieren. Doch die Befragung weist auf das Gegenteil hin. Die Zahlungsbereitschaft sinkt, und zwar erstaunlich deutlich: Für Nachrichtenjournalismus, der von Redakteuren unter Zuhilfenahme von KI erstellt wird, wollen die Befragten nur 7,65 Euro zahlen, das ist ein Abschlag von 25 Prozent. Die Zahlungsbereitschaft geht sogar sukzessive noch weiter zurück – im Extrem auf 6,68 Euro oder um 35 Prozent –, wenn der KI-Einsatz stärker automatisiert wird.

Theoretisch mögliche Qualitätssteigerungen, etwa weiter reichende Recherchen, bessere Daten- und Trendanalysen, differenzierte Sichtweisen, Echtzeitüberwachung von Nachrichten oder die Personalisierung von Informationen, werden – so stellt das Institut fest – „nicht mit einer höheren Zahlungsbereitschaft gewürdigt“. Offenbar verbinden die Befragten den KI-Einsatz in Redaktionen in erster Linie mit Effizienzgewinnen, die den Verlag zu Kosteneinsparungen verhelfen. Und an diesen Einsparungen wollen sie teilhaben. Eine strategische Implikation für die Verlage lautet: Der KI-Einsatz ist (nur) dann attraktiv, wenn das Kostensenkungspotenzial die rückläufige Zahlungsbereitschaft übersteigt.

Die BSI-Forscher sehen auch strategische Chancen für Verlage

Wenngleich der Befund auf den ersten Blick ernüchtern mag, identifizieren die BSI-Autoren auch Chancen. So könne eine KI-Kennzeichnungspflicht neue Möglichkeiten der Produkt-  und Preisdifferenzierung eröffnen. Sie unterscheiden drei Ertragsmodelle:

  • vergleichsweise hohe Abo-Preise im Premiumsegment mit menschlich erstellten Inhalten; vergleichsweise niedrige Abo-Preise im unteren Preissegment mit Inhalten, die mit KI-Einsatz erstellt werden; 
  • reine Werbefinanzierung vollautomatisierter, von KI erstellter Inhalte, wenn diese eine entsprechend hohe Reichweite erzielen können. 
  • Im dritten Modell, so die BSI-These, biete sich für Verlage die Möglichkeit, dank KI gestärkt in den Wettbewerb mit Onlineportalen wie T-Online, Watson oder Google, Microsoft & Co. zu treten.

Bei alledem bleibt festzuhalten, dass die Befragung eine Momentaufnahme liefert. Politiker in Berlin und Brüssel rücken gern Vokabeln wie „Risiko“ und „Regulierung“ ins Zentrum der KI-Debatte, während andernorts „Chance“ und „Innovation“ betont werden. Falls die Optimisten einmal mehr Recht behalten sollten, könnte sich auch das Image von KI-Tools bei den hiesigen Lesern aufhellen.

Dr. Uwe Sander: Der gelernte Volkswirt arbeitete nach einigen Jahren in der empirischen Wirtschaftsforschung von 1984 bis 2014 in verschiedenen Funktionen beim Verlag Gruner+Jahr, u.a. für die Titel Capital, Stern, GEO und Art. Heute ist er freiberuflich als Autor und Berater tätig. Sein besonderes Interesse gilt der Entwicklung des digitalen Journalismus.

Der Beitrag ist zuerst erschienen in: Editorial Media, https://www.editorial.media/2024/03/08/bsi-studie-was-koennen-ki-tools-im-nachrichtenjournalismus-bewirken/

 

Zur Übersicht