Die Finanz-, Ertrags- und Vermögenslage von Radio Bremen, der kleinsten Sendeanstalt im ARD-Verbund, ist geprägt sowohl von positiven als auch von sehr risikobehafteten und damit bedenklichen Entwicklungen. „Bei Radio Bremen gibt es Licht und Schatten“, sagt Bettina Sokol, Präsidentin des Rechnungshofs der Freien Hansestadt Bremen. „Der auf den ersten Blick teilweise erfreulichen Ertragsentwicklung stehen steigende Ausgabenotwendigkeiten gegenüber, die vom Vermögen nur zu einem Teil gedeckt werden können.“ Diese sogenannte Deckungsstocklücke bei den Altersversorgungsverpflichtungen verdoppelte sich zwischen 2017 und 2021 auf etwa 50 Mio. Euro.
Der Rechnungshof sieht hier mehrere, gleichzeitig einzuschlagende Lösungswege. „Natürlich muss Radio Bremen sich zunächst an die eigene Nase fassen und weitere Sparanstrengungen unternehmen“, erläutert die Präsidentin. Es darf auch keine nicht benötigte finanzielle Unterstützung des Tochterunternehmens Bremedia Produktion GmbH mehr durch Radio Bremen geben. Im Jahr 2020 wirkte sich eine solche Eigenkapitalstärkung im Umfang von 6 Mio. Euro sogar mindernd auf den anerkannten Finanzbedarf der Anstalt aus. Das hätte nicht passieren dürfen. Um die Deckungsstocklücke zu verringern, fordert der Rechnungshof Radio Bremen außerdem auf, zumindest die aus dem Deckungsstockvermögen gewonnenen Zinsen nicht mehr dem Betriebshaushalt, sondern dem Vermögen zuzuführen. Verbleiben sie dort dauerhaft, wird dies mittlerweile einhellig nicht mehr als bedarfsmindernd für die Sendeanstalt bewertet. Ein weiterer maßgeblicher Faktor, mit dem die nach wie vor angespannte Finanzlage von Radio Bremen verbessert werden könnte, ist allerdings auf staatsvertraglicher Ebene angesiedelt: Der Finanzbedarf der Anstalten wird danach nämlich nicht individuell, sondern bezogen auf den ARD-Verbund ermittelt. Dabei wirken sich Überschüsse einzelner - zumeist großer - Anstalten auf alle Anstalten bedarfsmindernd als Anrechnung sogenannter Eigenmittel aus. Fehlt es einer Anstalt schon am Überschuss, also an Eigenmitteln, ist es über die anteilige Gesamtzurechnung der Eigenmittel anderer Anstalten gleichwohl möglich, dass sich ihre Mittel noch weiter verringern. Diese Benachteiligung zumeist kleiner, finanzschwacher Anstalten könnte schon auf staatsvertraglicher Ebene beseitigt oder zumindest abgemildert werden. Die Mechanismen des nachgelagerten ARD-internen Finanzausgleichs genügen dafür nicht. „Hier ist die Politik gefragt, den Umgang mit Eigenmitteln bei der Bedarfsberechnung differenzierter zu regeln“, so Sokol. Die Prüfung durch den Rechnungshof erstreckte sich auch auf Vergütungen, Aufwandsentschädigungen und insbesondere Versorgungsvereinbarungen des Anstaltsdirektoriums. Dafür wären als Vergleichsmaßstab stärker die Verhältnisse im öffentlichen Dienst in den Blick zu nehmen. „Auch die Sendeanstalten unterliegen den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, das heißt, es steht ihnen nicht frei, Leistungen beliebiger Art und Höhe zu erbringen. Es waren einige unangemessene Vereinbarungen zu rügen, von denen Radio Bremen nach eigenem Bekunden Abstand nehmen will“, teilt Präsidentin Sokol mit.
„Auch die Sendeanstalten unterliegen den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, das heißt, es steht ihnen nicht frei, Leistungen beliebiger Art und Höhe zu erbringen.“ Bettina Sokol
Vorbemerkung und Zusammenfassung aus dem Sonderbericht
- Der Rechnungshof unterrichtete zuletzt im Jahr 2013 die Bremische Bürgerschaft und den Senat der Freien Hansestadt Bremen mit einem Sonderbericht zur wirtschaftlichen und finanziellen Lage Radio Bremens. Im damaligen Bericht kam der Rechnungshof zu dem Ergebnis, dass aufgrund einer mehrjährigen Unterfinanzierung erhebliche Betriebsverluste bei Radio Bremen entstanden waren. So hätte die Anstalt durch eigene Anstrengungen ihre Selbstständigkeit kaum erhalten können. Der Rechnungshof sah bereits zu diesem Zeitpunkt die Notwendigkeit, eine veränderte Verteilung des Beitragsaufkommens innerhalb der ARD zu erreichen, um die finanzielle Situation Radio Bremens nachhaltig zu verbessern.
- In dem nun vorliegenden Sonderbericht hat der Rechnungshof erneut die finanzielle Lage sowie die Haushalts- und Wirtschaftsführung Radio Bremens geprüft. Schwerpunkte waren neben der wirtschaftlichen Entwicklung der Anstalt in den Jahren 2017 bis 2021 auch finanzielle Maßnahmen für verbundene Unternehmen, die Dienst- und Versorgungsverträge des Direktoriums so wie die Anwendung des Vergaberechts.
- Über das Ergebnis der Prüfung hat der Rechnungshof nach den geltenden Vorschriften die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten (KEF), den Verwaltungsrat Radio Bremens so wie die Intendantin informiert und ihr vor der Erstellung des abschließenden Berichts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben
1. Radio Bremen ist die kleinste der neun Landesrundfunkanstalten der ARD. Die Darstellungen zur Haushalts- und Wirtschaftslage zeigen u. a. die strukturelle Abhängigkeit Radio Bremens vom verfassungsrechtlich gebotenen Finanzausgleich zwischen den ARD-Rundfunkanstalten. Zusätzlich wird deutlich, dass Jahresüberschüsse der letzten Jahre maßgeblich durch Sondereffekte begründet waren. Außerdem kommen in den nächsten Jahren auf Radio Bremen hohe Altersvorsorgeverpflichtungen zu, denen in erheblichem Umfang kein dafür zurückgestelltes Vermögen gegenübersteht. Vor dem Hintergrund dieser großen Deckungsstocklücke hat der Rechnungshof Radio Bremen empfohlen, zumindest Zinserträge dauerhaft dem Deckungsstock zuzuführen.
2. Die Finanz- und Ertragslage der Sendeanstalt bleibt aus Sicht des Rechnungshofs angespannt. Dies liegt erstens daran, dass inflationsbedingt mit steigenden Ausgaben zu rechnen ist. Zweitens sind die Erträge aus Rundfunkbeiträgen sowie aus dem ARD-Finanzausgleich und der ARD-Strukturhilfe wesentlich von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abhängig. Zudem waren die Jahresüberschüsse in den Jahren 2021 und 2022 nur auf Sondereffekte bei der Bilanzierung der Altersvorsorgeverpflichtungen zurückzuführen und resultierten nicht aus dem laufenden Geschäftsbetrieb der Anstalt. Ohne diese Sondereffekte wären auch für diese Jahre negative Jahresergebnisse auszuweisen gewesen.
3. Eine Möglichkeit zur Verbesserung der finanziellen Ausstattung Radio Bremens sowie zur Stärkung der Krisenresilienz sieht der Rechnungshof in zu verändernden staatsvertraglichen Vorgaben zur Eigenmittelanrechnung. Er empfiehlt, Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich periodenübergreifende Überschüsse in begrenztem Umfang nicht bedarfsmindernd für die kommende Beitragsperiode auswirken. Damit würde den Rundfunkanstalten unter anderem die Möglichkeit gegeben, kurzfristig auf Krisen zu reagieren, deren finanzielle Auswirkungen im Finanzmittelbedarf noch nicht enthalten sind.
4. Daneben wird es für Radio Bremen notwendig bleiben, weiter eigene Sparanstrengungen vorzunehmen. Neben dem strukturellen Ausbau von Kooperationen ist strikt zu beachten, verbundenen Unternehmen - wie Tochtergesellschaften - nur dann finanzielle Leistungen zukommen zu lassen, wenn sie rechtlich zulässig und betriebswirtschaftlich notwendig sind.
5. Darüber hinaus sieht der Rechnungshof im Hinblick auf ein wirtschaftliches Handeln Radio Bremens die Notwendigkeit, vertragliche Leistungen an die Mitglieder des Direktoriums auf ein angemessenes Maß zu beschränken. Dies betrifft im Wesentlichen die Regelungen zu den sogenannten Überbrückungsbezügen, die nach Dienstende und vor Renteneintritt gezahlt werden.
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