Kultur bei ARD, ZDF und Deutschlandradio ist nicht nur 3sat

07. Oktober 2024
Helmut Hartung promedia Verlag Chefredakteur
Helmut Hartung promedia Verlag Chefredakteur
Diskussion über einen Spartensender überlagert die Debatte über die Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net

Die 16 Bundesländer wollen endlich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk reformieren. Seit wenigen Tagen sind die Entwürfe für vier Staatsverträge, in denen die Veränderungen gesetzlich geregelt werden, öffentlich. Der Bogen wird von der Novellierung des Auftrages bis zu wesentlichen strukturellen Umbauten gespannt. Dabei geht es den für Medienpolitik Verantwortlichen in den Ländern nicht nur darum, dass Kosten gespart werden und der Rundfunkbeitrag künftig nicht mehr erhöht werden muss, sondern auch darum, dass sich die Anstalten stärker auf die Programminhalte konzentrieren, die einen Beitrag zum demokratischen Diskurs leisten können. Aber konzentrieren bedeutet auch zu priorisieren, bedeutet auch Angebote zu überdenken und an eine veränderte Mediennutzung anzupassen. Damit wären wir bei der Forderung 3sat nicht einzustellen.

Nur, davon ist in der Novelle des Medienstaatsvertrages gar keine Rede. Im Entwurf des Medienstaatsvertrages heißt es: „In Abstimmung mit den beteiligten öffentlich-rechtlichen europäischen Veranstaltern sollen die Inhalte des Vollprogramms 3sat teilweise oder vollständig in das Vollprogramm ‚ARTE – Der europäische Kulturkanal‘ und dessen Telemedienangebote überführt werden.“ Und in den Anmerkungen und Erläuterungen zu diesem Vorschlag wird im Staatsvertragsentwurf festgestellt: „Die Rundfunkkommission unterstützt die Idee eines europäischen Angebots, zu deren Verwirklichung die Weiterentwicklung von ARTE einen wesentlichen Beitrag leisten kann (siehe Beschluss vom 15.05.2024). Für den wünschenswerten Fall, dass ARTE in Zukunft eine über die rein deutsch-französische Zusammenarbeit hinausgehende europäische Rolle einnehmen sollte, wird daher ermöglicht, in Absprache mit den europäischen Partnern das bisher eigenständige 3sat-Angebot in ARTE zu integrieren. Eine Verpflichtung hierzu besteht nicht.

In einer Petition, die für den Erhalt von 3sat kämpft und die wohl an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages adressierte ist, heißt es: „Um 3sat zu retten, bleibt uns jedoch nicht viel Zeit, denn schon am 11.10.2024, also in nur wenigen Tagen, endet die förmliche öffentliche Anhörung zum Gesetzesentwurf. Bis dahin zählt jede Stimme! Denn nicht mal zwei Wochen später, auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz vom 23.- 25.10.2024 in Leipzig könnte bereits das Aus des Senders beschlossen werden.“ Das ist – siehe den Entwurf – falsch.

Zahlreiche Inhalte von 3sat finden sich zudem in Mediatheken. Die Plattform ZDFkultur, die Bestandteil der ZDF-Mediathek ist, enthält Beitrage beider Spartenkanäle aus diesem Bereich. Zehn öffentlich-rechtliche Spartenkanäle existieren heute. Diese Zahl soll auf vier bis fünf reduziert werden. Dazu zählen auch Informationsangebote, Bildungsinhalte, Dokumentationen oder Sendungen für Kinder, Jugendliche und jüngere Erwachsene. Diese Kanäle können ebenfalls beanspruchen, eine wichtige Rolle für die Demokratie zu spielen. Doch der Protest gegen eine mögliche Zusammenlegung hält sich hier in Grenzen.

3sat enthält viele Kulturbeiträge, pflegt auch Partnerschaften mit Kulturfestivals und Kultureinrichtungen, überträgt – vor allem im Sommer - Konzerte namhafter Orchester. Doch ein großer Teil des Programms besteht tagsüber im Wesentlichen aus Naturfilmen und Landschaftsdokumentationen. Zudem oft in zweiter und dritter Wiederholung. Der 8. Oktober ist dafür ein Beispiel: „13.40 – Bergbauernleben;14.35 – Alpenseen; 15.20 – Mythos Ausseerland; 16.05 – Seenland Österreich; 17.00 – Traumschlössen und Ritterburgen“. Anscheinend nimmt man den Auftrag, ein Kultursender zu sein, erst ab 20.15 Uhr ernst. Aber benötigt man dafür einen eigenen Spartenkanal?

Der „Sonderbericht der KEF zu finanziellen Auswirkungen möglicher Ansätze zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, der Ende September der Rundfunkkommission übergeben worden ist, stellt einleitend ausdrücklich fest, dass dieses Gutachten weder „die Feststellungen des 24. Berichts ersetzt oder modifiziert. Als Bericht nach § 3 Abs. 9 RFinStV wurde er in einem selbständigen Verfahren erstellt und darf das noch nicht abgeschlossene regelhafte Bedarfsfestsetzungsverfahren nicht stören oder beeinflussen. Der einer Empfehlung der Kommission zur Beitragsanpassung zugrundeliegende festgestellte Finanzbedarf kann nicht durch die Ergebnisse eines Sonderberichts, sondern nur im Wege eines weiteren regelhaften Feststellungsverfahrens verändert werden.“ Auf die laufende Festsetzung des Rundfunkbeitrages ab 2025 haben die Analysen der KEF keinen Einfluss. Allerdings listet die Gebührenkommission vier Bereiche auf, die „in der mittel- und langfristigen Perspektive ab 2029 zahlreiche Handlungsfelder, in denen die Entwicklung und Umsetzung konkreter Maßnahmen teils erhebliche beitragsrelevante Einsparpotenziale erwarten lassen.“

„Dazu gehören:

  • die Standortfragen und damit verbundene Immobilienkosten (z.B. beim Deutschlandradio oder den Mehrländeranstalten, Reduzierung der Eigentumsquote),
  • die Ausgestaltung des Programmauftrags (z.B. Kooperationen, Programmaustausch, - Stärkung ausgewählter Programmressorts, Anzahl der Programme),
  • Nutzung unterschiedlicher Verbreitungswege (z.B. Beendigung des Simulcast UKW/ DAB+),
  • die Entwicklung anstaltsübergreifender technischer Infrastrukturen (z.B. gemeinsame Streaming-Plattform der Anstalten).“

Die Reduzierung von linearen Programmen ist selbst nach Einschätzung der KEF ein langwieriger Prozess. Welche Angebote letztendlich übrigbleiben und über welchen Weg diese verbreitet werden, entscheidet eben nicht die Politik, sondern die Sender. Diese kennen ihre Nutzer und deren Erwartungen am besten. Die Petitionen wären also richtigerweise an den ARD-Vorsitzenden und den ZDF-Intendanten zu richten Bei deren Entscheidungen Kosten zu sparen, wird der Rotstift oft zuerst bei den Kulturangeboten angesetzt, sei es im Hörfunk oder Fernsehen. Die Zuschauerquoten, die sich bei diesen Inhalten zumeist im überschaubaren Rahmen halten, dürfen natürlich nicht der Maßstab sein. Doch wenn die Anstalten festlegen, hier alles beim Gewohnten zu lassen, müssen sie an anderer Stelle Einsparungen vornehmen. Die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ruht auf zwei Säulen: Dem Programm und der Höhe des Rundfunkbeitrages. Beide Aspekte haben die Länder bei der Reform im Blick. Die teilweise unsachliche Debatte über ein angeblich politisch geplantes Aus von 3sat überdeckt jedoch diese weitgehenden Eingriffe in bisherige Arbeitsweisen und die Umsetzung des Auftrages. Es ist wichtig, erst recht bei diesem schwierigen und vielschichtigen Reformprozess, über den Platz und Umfang der Kulturberichterstattung auf allen Plattformen und Kanälen der Anstalten zu streiten und einen Abbau kultureller Information zu verhindern. Doch diese Diskussion auf 3sat zu verengen, ist kurzsichtig.

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