Rundfunkbeitrag ab 2025 – die ARD-Intendanten haben es in der Hand

13. September 2023
Helmut Hartung promedia Verlag Chefredakteur
Helmut Hartung promedia Verlag Chefredakteur
„Presseähnlichkeit“ ist ein Konfliktfeld, dass die Länder beseitigen müssen

Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net

Gestern und heute treffen sich die ARD-Intendanten zu ihrer zweiten Hauptversammlung in diesem Jahr. Die Medienpolitik hat an diese Zusammenkunft große Erwartungen. Noch immer fehlt es bei den Reformvorschlagen der öffentlich-rechtlichen Anstalten an konkreten Aussagen: Die zeitliche Umsetzung, die so möglichen Einsparungen, die Verbindlichkeit und Verantwortlichkeit. Die Zeit für die Gebührenfestsetzung läuft. Spätestens Ende des Jahres muss sich die KEF entscheiden, ob sie einen Bericht mit einer Beitragsempfehlung vorlegt oder nicht. Geht man von den Anmeldungen der Sender und dem wirtschaftlichen Umfeld aus, ist mit einem Anstieg ab 2025 zu rechnen. Nur konkrete Vorschläge für eine Verringerung der Ausgaben in der nächsten Gebührenperiode könnten die KEF zu einem Moratorium bewegen. Diese Reformen, die „mit einem Preisschild versehen“ sind, wie es Oliver Schenk, der Chef der Staatskanzlei in Sachsen nannte, können nur aus zwei Quellen stammen: Den öffentlich-rechtlichen Sendern und dem Zukunftsrat. Sollten die ARD-Intendanten bei ihrem morgigen Pressegespräch wieder mit blumigen und phrasenhaften Ankündigungen „aus dem Maschinenraum“ der ARD aufwarten, wird es schwer, eine Beitragserhöhung zu verhindern. Doch für die Länder gibt es noch mehr Problemfelder, um die sie sich kümmern müssen.

Es mag Zufall sein, dass zu Beginn der ARD-Tagung gestern SWR-Intendant und ARD-Vorsitzender Kai Gniffke den Verlagen beim Streit um presseähnliche Angebote der Anstalten eine Kooperation vorschlug: "Wir möchten der Generation, die in den kommenden Jahrzehnten Verantwortung übernimmt, ein verlässliches Nachrichtenangebot machen und reichen den Verlagen dazu die Hand. Deshalb schlägt der SWR den Verlagshäusern im BDZV eine Zusammenarbeit bei Nachrichten für junge Zielgruppen vor." Hintergrund ist die rechtliche Auseinandersetzung zwischen SWR und den Verlegern rund um die SWR-App "Newszone". Ein Schlichtungsverfahren, wie es der Medienstaatsvertrag vorsieht, ist gescheitert. Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte am 28. Juni 2023 die einstweilige Verfügung des Landgerichts Stuttgart gegen „Newszone“ aus dem Oktober 2022 aufgehoben und festgestellt, dass vor einem gerichtlichen Verfahren zuerst eine Schlichtung durchgeführt werden müsse. 

Doch diese Schlichtungen, von denen es seit 2019 mehrere gab, haben sich als Farce erwiesen. Denn es geht bei diesem Verfahren immer nur um eine konkrete Sendung, in der nach Auffassung der Verlage gegen das Verbot der Presseähnlichkeit verstoßen worden ist. Inzwischen können die ARD-Anstalten die Sendung, ein wenig modifiziert, weiter produzieren oder wie im Fall „Newszone“ die Beiträge auf Drittplattformen platzieren. Wie ein Sendersprecher des SWR sagte, wäre eine neue Version der App von einem möglichen gerichtlichen Verbot nicht betroffen. Im vom BDZV angestrengten Verfahren geht es lediglich um die App-Version aus dem April 2022.

Dieses Vorgehen des ARD-Vorsitzenden, erst gegen den Medienstaatsvertrag zu verstoßen und dann Kooperationen „für ein verlässliches Nachrichtenangebot“ zu präsentieren, gehört gegenwärtig zur Strategie des Senderverbundes: Die rechtlichen Grenzen so weit wie möglich austesten, nur das zu reformieren, wo es durch Staatsverträge Vorgaben gibt oder der öffentliche Druck so groß ist, dass ein Imageschaden droht. Die ARD-Intendanten hatten vor einigen Monaten aufgrund das Vertrauensverlustes durch den RBB-Skandal neue Compliance- und Transparenzrichtlinien beschlossen. Die Länder fanden diese „Selbstverpflichtung“ zu unkonkret und nicht ausreichend und erarbeiteten in Wochenfrist den Vierten Medienänderungsstaatsvertrag, der gegenwärtig in den Landtagen diskutiert wird.

 

„Es gehört gegenwärtig zur Strategie des Senderverbundes, die rechtlichen Grenzen so weit wie möglich auszutesten, nur das zu reformieren, wo es durch Staatsverträge Vorgaben gibt oder der öffentliche Druck so groß ist, dass ein Imageschaden droht.“

 

Viele ARD-Anstalten bauen ihre regionalen und damit auch lokalen Angebote weiter aus, obwohl der Medienstaatsvertrag eine „flächendeckende“ lokale Berichterstattung verbietet. Doch was ist in Stadtstaaten wie Bremen, Berlin oder Hamburg ein „flächendeckendes lokales Angebot“? Wo ist die Grenze hier zwischen regional und lokal? Die Zeitungen vor Ort spüren die Grenzverletzungen täglich. Aber auch in Flächenländern wie Thüringen oder Niedersachsen ist diese lokale Expansion der ARD ein Problem, das auf unkonkreten Vorgaben in den jeweiligen Staatsverträgen und einer mangelnden Kontrolle beruht. Eine Schlichtungsstelle ist für die ARD-Anstalten jedenfalls keine Haltelinie.

Bereits im April wies Sigrun Albert, Geschäftsführerin des BDZV auf die Wirkungslosigkeit der Schlichtungsstelle hin: „Angesichts der vielen Probleme die gegenwärtig die Zeitungswirtschaft umtreiben, verschärfen kostenlose regionale Angebote, die durch den Rundfunkbeitrag finanziert sind, die wirtschaftlichen Bedingungen weiter“, sagt sie der FAZ. Das betreffe vor allem die presseähnlichen Beiträge, also die Textinformationen, die sich zunehmend auf den Online-Seiten der Anstalten befänden und die Domäne der Verlage seien. Deshalb sei im Medienstaatsvertrag auch ein Verbot von presseähnlichen Angeboten verankert. Damit, so die BDZV-Hauptgeschäftsführerin, störten die öffentlich-rechtlichen Sender das Kerngeschäft der Verlage massiv und machten Bemühungen um digitale Abonnenten schwieriger. Die Aussicht auf eine einvernehmliche Lösung sieht Sigrun Albert aus Sicht des BDZV skeptisch: Bei der Verständigung über eine Schlichtungsstelle und dem Verbot presseähnlicher Inhalte gab es 2018, so erläutert sie, zwischen Verlagen und Anstalten ein gemeinsames Grundverständnis, dass die Ausdehnung öffentlich-rechtlicher Angebote ins Internet, den Presseverlagen nicht schaden dürfe. Dieses Verständnis sei inzwischen teilweise verloren gegangen. Deshalb sehe der BDZV die Einflussmöglichkeiten der Schlichtungsstelle im Moment als sehr gering an.

Es ist also nicht verwunderlich, dass Albert jüngst in einem Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) resümierte, dass die Medienpolitik den Rechtsbegriff der presseähnlichen Angebote schärfen müsse. „In den Rundfunkanstalten scheint sich niemand an die Regeln gebunden zu fühlen, weil die offensichtlich nicht so glasklar formuliert sind, wie es wünschenswert wäre. Kostspielige Rechtsverfahren dauern in der Regel fünf bis sieben Jahre, und ein Urteil gilt dann für den Tag, an dem festgestellt wurde, dass gegen den Medienstaatsvertrag verstoßen worden ist. Da können wir von früh bis spät klagen.“ Der BDZV überlege deshalb, Brüssel als weitere Eskalationsstufe anzurufen. Die Verleger waren dort vor einigen Jahren in einem Beihilfeverfahren wegen des Rundfunkbeitrages bereits erfolgreich. „Wir finden den Weg natürlich nicht unbedingt erstrebenswert“, sagt Albert. Es hilft aber nichts, weil es keine andersgeartete funktionierende Aufsicht gibt. Wir wollen das auf jeden Fall noch in diesem Jahr anstoßen.“ Für den BDZV sei die EU-Ebene aber nur die Ultima Ratio. Gleichzeitig sei man mit Verbänden in anderen europäischen Ländern im Austausch, die vor den gleichen Herausforderungen stehen und ihre Probleme ebenfalls in Brüssel vortragen.

Es sind als zwei Punkte, die der BDZV am gegenwärtigen Staatsvertrag kritisiert und wo die EU-Kommission möglicherweise zur Klärung angerufen wird: Der unkonkrete Auftrag und die mangelnde Kontrolle der Umsetzung. Ein konkreter Sendeauftrag und die wirksame Überwachung seiner Einhaltung hatte Brüssel aber 2009 zur Grundbedingung gemacht, damit die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland, nicht gegen die EU-Beihilferichtlinien verstößt.

Um wieder in der Gesellschaft fest verankert zu sein, ein vertrauenswürdiges, kompetentes Medium für die Bevölkerung und ein berechenbarer, verlässlicher Partner für die privaten Medien zu sein, reichen solche Scheinangebote des ARD-Vorsitzenden nicht aus. Aus den sinkenden Akzeptanzwerten müssten doch die führenden Köpfe des Senderverbundes die Lehren gezogen haben, dass es nicht genügt, die Staatsverträge den Buchstaben gemäß umzusetzen und alles was nicht verboten ist, zu realisieren, sondern, dass es auch um den Geist und die Absicht von Vereinbarungen geht. Für die Medienpolitik ist die „Presseähnlichkeit“ ein weiteres Konfliktfeld, das im nächsten Medienstaatsvertrag eindeutiger geregelt werden sollte.

 

 

 

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