Duo der Deutschen Telekom
11. August 2022Abschluss der Reihe medienpolitischer Porträts
11.08.2022. Seit fast zehn Jahren arbeiten sie bei der Deutschen Telekom zusammen: Wolfgang Kopf, Leiter des Zentralbereichs Politik und Regulierung, und Alexander Scheuer, Leiter für Medienpolitik und Medienregulierung. Da die Deutsche Telekom sehr teamorientiert aufgestellt ist, treten hier beide zusammen auf. Entstanden ist ein Doppel-Porträt über zwei Männer, die Medienpolitik mit Leidenschaft leben, auch wenn ihr Weg zur Deutschen Telekom sehr unterschiedlich war. Medienpolitik beschließt damit eine Reihe medienpolitischer Porträts, die im Frühjahr und Sommer 2022 entstanden sind. Grundlage hierfür waren Interviews mit Persönlichkeiten aus Politik, Medienaufsicht, Unternehmen und Wissenschaft. Die Autoren sind Studierende des Master-Studiengangs Journalistik der TU Dortmund. Sie verfügen durch studienintegrierte Volontariate bereits über journalistische Praxis und arbeiten größtenteils studienbegleitend für verschiedene Medien. Entstanden sind die Texte im Rahmen des Seminars ?Aktuelle medienpolitische Entwicklungen?, das von Prof. Dr. Tobias Gostomzyk, Professur für Medienrecht an der TU Dortmund, begleitet wurde. Ein Text von Jonas Nitsch.
Erstmal unterscheidet sich nichts: Der erste Blick am Morgen gilt meist direkt der Arbeit. Sowohl Wolfgang Kopf als auch Alexander Scheuer checken Mails auf dem Handy. Doch dann haben beide unterschiedliche Alltagsroutinen: Vor allem am Wochenende steht bei Alexander Scheuer der Spaziergang mit seiner Vizsla-Hündin Cara an. ?Je nachdem, wie das Wetter ist, mit mehr oder weniger großer Freude.? Wolfgang Kopf hingegen widmet sich den Nachrichten in den Zeitungen und einigen Online-Medien. ?Ich bin ein ausgesprochener Morgenmuffel, der nicht direkt kommunikativ ist und gern zum Frühstück liest, zum Ärger meiner Frau?, sagt er. Beiden gemeinsam wiederum ist, dass Kaffee nicht nur notwendige Starthilfe in, sondern auch Begleiter durch den Tag ist.
Das Lesen sei schon immer eine Leidenschaft von ihm gewesen, mittlerweile habe er eine ziemlich große Bibliothek, so Wolfgang Kopf. Auf ein Lieblingsbuch oder einen Lieblingsautoren will er sich allerdings nicht festlegen. Genauso wie bei seiner zweiten großen Leidenschaft: Kopf ist ein großer Filmfan. Auch diese Leidenschaft stamme aus seiner Schulzeit: ?Ich war am Gymnasium Filmclub-Chef. Da musste man anspruchsvolles Programm mit kommerziellen Erfordernissen vereinbaren. Da habe ich gelernt, wie man Film-Noir oder Autorenfilme mit amerikanischen Blockbustern kombiniert, damit am Ende die Kasse stimmt. Darüber habe ich auch das amerikanische Blockbuster-Kino lieben gelernt?, erzählt Kopf.
Auch Alexander Scheuer erkennt Wurzeln für sein berufliches Lebensthema ?Medien? bereits in seiner Schulzeit. Vor allem erinnert er sich an seinen Literaturkurs kurz vor dem Abitur: ?Da bekamen wir den ? seinem Ruf nach ? strengsten Deutsch- und Literatur-Lehrer der Schule. Und der stellte uns in der ersten Stunde vor die Wahl: Was wollen wir jetzt machen in dem einen Jahr? Drehen wir einen Krimi in der Eifel oder machen wir neuere österreichische Literatur??, erzählt Scheuer. Die Wahl fiel einstimmig für die neuere österreichische Literatur aus, ?weil jeder gedacht hat, das war eine Falle mit dem Krimi in der Eifel. Schließlich war für die Abi-Zulassung mindestens eine Vier auf dem Halbjahreszeugnis erforderlich. Also: Bachmann, Bernhard, Handke, Innerhofer, Wolfgruber & Co. Wir haben dann im Laufe des Kurses herausgefunden, dass alles für den Krimi vorbereitet war: Ein Studienkollege des Lehrers arbeitete als Redakteur beim WDR, ein anderer Freund von ihm dort in der Technik ? sie hätten uns unterstützt, wenn wir uns für die Eifel entschieden hätten?, erzählt der verhinderte Kriminologe Scheuer.
?Wenn Plattformen über 20 Jahre einen Marktanteil von 90 Prozent in einem Bereich haben, dann wird es mal Zeit, dass das Kartellrecht eingreift?
Auch ohne diese Filmproduktion reicht Scheuers Interesse für Medien bis in seine Jugend im Kreis Heinsberg zurück: ?Da empfing man niederländischen Rundfunk, teilweise auch belgisches und britisches Radio. Ich hab mir dann die Frage gestellt: Warum gibt es das? Wieso empfängt man die Programme im Nachbarort nicht? WDR, HR, SWF ? Wie ist das eigentlich organisiert? Weshalb sendet Radio Luxemburg in deutscher Sprache? Ich denke, das hat schon so ein Grundinteresse bei mir geschaffen?, sagt er.
Während seines Jurastudiums legte Alexander Scheuer den Fokus zunächst auf Europarecht und mit dem Referendariat kam dann auch das Medienrecht hinzu. ?Ich hatte bei der Stage am EuGH in Luxemburg einen medienrechtlichen Fall, und eine weitere Station meiner Ausbildung war das Rundfunkreferat in der Staatskanzlei des Saarlandes. Außerdem besuchte ich am Europa-Institut in Saarbrücken Vorlesungen zum Medien- und Urheberrecht. Das Interesse war geweckt, und direkt nach dem Zweiten Staatsexamen gab es die Chance, beim EMR einzusteigen?, erklärt er. Das Medienrecht ließ ihn nicht mehr los. Scheuer wurde 1997 zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Institut für Europäisches Medienrecht e.V. (EMR) in Saarbrücken, von 2000 bis Juni 2013 war er dort Geschäftsführer und Mitglied des Direktoriums.
Dagegen kam bei Wolfgang Kopf das Medienrecht eher nebenbei dazu. Auch er studierte zunächst Jura. In die Wiege gelegt wurde ihm dies aber nicht: ?Ich komme aus einer Chemiker-Familie und war sozusagen das schwarze Schaf der Familie, weil ich nicht Chemie, Physik oder Ingenieurwissenschaften, sondern zum Entsetzen meiner Eltern Jura studieren wollte. Vom ersten Semester an habe ich dann gesagt: Okay, bevor ich mich hier auf Diskussionen darüber einlasse, wer mein Studium bezahlt, suche ich mir einen gut bezahlten Job neben dem Studium?, erzählt Kopf. Zur Hilfe kam ihm dabei sein Nachbar. Beim Schneeschippen fragte ihn Wolfgang Kopf, ob er ihm nicht einen Job besorgen könnte. Denn es handelte sich um Ekkehard Böhmer, seinerzeit einer der bekanntesten Fernsehshow-Regisseure. Er verschaffte Wolfgang Kopf eine Stelle beim ZDF. Dort blieb Kopf vier Jahre lang und schnupperte Medienluft.
Wolfgang Kopf entschied sich dann, im Ausland zu studieren. Er ging nach London ? und hatte auf einmal nicht mehr viel mit Medien zu tun. Vielmehr legte Kopf seinen Fokus auf das Kartell- und Wirtschaftsrecht. Bei der Deutschen Telekom AG begann Kopf dann 1995, wo ihn das Medienrecht eher unerwartet ereilte: ?Ich habe nach drei Jahren bei der Telekom auf einmal die nette Aufgabe bekommen, den Verkauf der Kabelnetze aus kartellrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Sicht zu begleiten. Wie sich dann herausstellte aber auch aus medienrechtlicher Sicht, selbst wenn ich hier zu dieser Zeit keine Expertise hatte. Wie diese Kabelnetze verkauft wurden, war der politische Aufreger in den späten 90er Jahren. Und dann war ich Ruckzuck auf einmal in der ganzen medienrechtlichen Szene unterwegs. Das war dann Learning by Doing?, erläutert Kopf seinen Werdegang.
In die Rolle fand Kopf schnell hinein und machte bei der Telekom Karriere. Ab 1997 leitete er die Kartellrechtsabteilung. 2003 wechselte er zur T-Mobile International und leitete dort den neu gegründeten Bereich Public & Regulatory Affairs. Seit 2006 ist er Leiter des Zentralbereichs Politik und Regulierung der Deutschen Telekom AG. Ihm untersteht ein Team aus Juristen, Politikwissenschaftlern, Technikern und Ökonomen, die alle verschiedene Blickwinkel auf TK-, kartell- und medienpolitische Themen, die Regulierung und die Umsetzbarkeit von Beschlüssen haben. Die Expertise in der Medienpolitik habe es bei der Telekom immer gegeben und habe sich gut entwickelt, aber auch Nachholbedarf gehabt, sagt Kopf: ?Das Team war aus meiner Sicht bei Fragen zu denLandesmedienanstalten oder dem Europarecht, was eine immer größere Rolle spielte, nicht gut aufgestellt. Und ich habe die Chance genutzt, als ich hörte, dass Herr Scheuer durchaus Interesse hätte. Ich brauchte jemanden, der aus der Szene kommt und sich da sehr gut auskennt.?
Das war 2013. Seitdem ist Alexander Scheuer Leiter für Medienpolitik und Medienregulierung in Wolfgang Kopfs Bereich der Konzernzentrale. Und Scheuer hat sich bei der Telekom nicht nur durch seine Expertise in der Medienpolitik einen Namen gemacht, sondern auch auf dem Tennisplatz. ?Also ich habe noch nie gegen ihn gespielt. Aber man hört, er haut alles vom Platz, was bei der Telekom spielt?, sagt Wolfgang Kopf und lacht. ?Ja, es spielt kaum einer (mehr) mit mir!?, erwidert Alexander Scheuer, stellt aber sogleich klar: ?Drei sehr liebe Kollegen gehen nach wie vor gerne mit mir auf den Platz.?. Man spürt, dass das Verhältnis untereinander gut ist. Beide blicken positiv auf die fast schon zehnjährige Zusammenarbeit und sehen in der Zukunft noch wichtige medienpolitische Baustellen, die angegangen werden müssen.
Aktuell analysieren Wolfgang Kopf und Alexander Scheuer den Digital Service Act und Digital Market Act der Europäischen Union. Bei Wolfgang Kopf spürt man dabei seine Passion für das Kartellrecht: ?Was mich zunehmend stört, ist, dass man sich im Kartellrecht sehr gerne die großen Netzbetreiber vornahm, also uns. Aber ich habe dann gesehen, dass bei den großen Digitalplattformen zum Beispiel Missbrauch von Marktmacht üblich ist und auch hingenommen wird. Das Argument von politischer Seite und Reguliererseite war da immer, dass man Innovation nicht zerstören will. Aber irgendwann ist auch mal gut. Wenn Plattformen über 20 Jahre einen Marktanteil von 90 Prozent in einem Bereich haben, dann wird es mal Zeit, dass das Kartellrecht eingreift?, sagt Kopf. Man sollte sich bei dieser Debatte auch vor Augen führen, warum das Kartellrecht Ende des 19. Jahrhunderts in den USA geschaffen wurde. ?Man hatte natürlich die wettbewerbliche Komponente. Allerdings wird die gesellschaftspolitische Motivation des damaligen Gesetzgebers gerne übersehen: Die wirtschaftliche Mache der Öl-, Eisenbahn-, Stahl- und Banker-Trusts war längst in überwältigende politische Macht umgeschlagen. Das heißt, das Kartellrecht wollte eigentlich auch die politische Macht bändigen, die aus wirtschaftlicher Übermacht kam. Der Gedanke muss mal wieder in die Köpfe von Leuten kommen, die über Medien und Macht nachdenken. Ich denke, wir haben heute wieder eine ähnliche Situation auf beiden Seiten des Atlantiks?, führt Kopf seine Überlegungen weiter aus.
Man steht natürlich auch in Konkurrenz zu Alphabet, Meta, Amazon, Microsoft, Apple und Co., die weiter in das Kerngeschäft der Deutschen Telekom vordringen. ?Da muss man die Verhältnisse einordnen und hierfür teils auch das Bewusstsein schärfen bei Politik und Aufsicht. Worüber reden wir bei Google und den anderen Online-Plattformen? Wo sollte eigentlich die regulatorische Aufmerksamkeit sein und wo sollten größere Freiheitsgrade verbleiben? Wir arbeiten zum Beispiel bei unseren MagentaTV-Produkten mit den sog. Hyperscalern zusammen, sind aber zugleich im Wettbewerb mit diesen, und wir müssen schauen, dass wir weiter stattfinden mit unseren Ideen, der Innovation und Kreativität?, sagt Alexander Scheuer. Ihn erinnern Diskussion und teilweise Abwehrhaltung der deutschen Medienpolitik gegenüber der Digital-Gesetzgebung ?aus Brüssel? an die Zeit Mitte bis Ende der 1980er Jahre, als die Fernsehrichtlinie erarbeitet wurde, die Vorgängerin der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste. ?Dass man gemeinsam mehr erreichen kann als jeder Mitgliedstaat für sich, dürfte angesichts der Herausforderungen durch neue Medien und mächtige, global aufgestellte Akteure heute genauso zutreffen. Dieses Miteinander ist aber keine Einbahnstraße, die europäische Ebene sollte offen bleiben für die Erfordernisse im Lokalen oder Regionalen.?
Genauso gespannt blicken Wolfgang Kopf und Alexander Scheuer auch auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, auch wenn dieser die Telekom nicht direkt betrifft. Kopf vertritt den Bitkom seit 2016 im ZDF-Fernsehrat, Scheuer ist seit 2014 Vorstandsmitglied im Bitkom-Arbeitskreis, der für die Erarbeitung von Verbandspositionen zur Medien-, Plattform- und Filmpolitik zuständig ist. Man sei jetzt in einer Phase, wo Auftrag und Struktur aus Sicht der Länder neugestaltet worden seien. Die Öffentlich-Rechtlichen hätten jetzt die Möglichkeit, mehr nicht-lineare Angebote zu gestalten ? ohne allerdings beim linearen Angebot oder dessen Verbreitung Abstriche machen zu sollen. Anstatt hier konkrete Vorgaben zu machen, würden die Länder die Verantwortung fast vollständig in die Hände der Sendeanstalten selbst legen, auch bei der Finanzierung. ?Sie sagen, über die Finanzierungsfragen wollen wir eigentlich nicht mehr so richtig gerne entscheiden, und tendieren in Richtung Indexierungslösung. Der Rundfunkbeitrag würde dann anhand eines noch zu bestimmenden Faktors immer weiter steigen, weil ja auch die Aufgaben, wenn sie durch die Anstalten selber definiert werden, nicht weniger werden oder ihre Erfüllung günstiger?, sagt Alexander Scheuer. Auf Dauer könne das der Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schaden, unabhängig von den für die Gesellschaft unbestreitbar wichtigen Inhalten: ?Leider hat das Akzeptanzthema auch etwas mit dem Geldbeutel zu tun, und wir kommen jetzt in eine Phase mit der nächsten Beitragsperiode, wo viele Menschen den kriegs- und krisenbedingten Unterschied im Geldbeutel spüren werden.? Wolfgang Kopf stimmt dabei zu. Er sieht bei den Öffentlich-Rechtlichen ein großes Einsparpotential, das nicht genutzt werde: ?Dieses Festhalten an veralteten Strukturen, in Technik und Verwaltung, verschlingt viel Geld, was sinnvollerweise für Content und neue Angebote eingesetzt werden könnte, ohne dass man wieder eine ?Gebührendebatte? führen muss. Aus meiner Sicht ist das ZDF hier auf dem richtigen Weg. Warum aber in der ARD nicht über die Zusammenlegung der Technikbereiche der einzelnen Sender und die Schaffung effizienter Plattformen nachgedacht wird, ist mir völlig schleierhaft. Hier werden zulasten des Auftrags Erbhöfe bewahrt, die ins Museum gehören. So werde es für das System öffentlich-rechtlicher Rundfunk zukünftig sehr schwierig, unnötig schwierig?, so Kopf weiter. Wenn Wolfgang Kopf und Alexander Scheuer über medienpolitische Themen sprechen, ist nicht nur ihr Fachwissen, sondern auch ihre Leidenschaft hierfür zu spüren.
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