Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net
Am 8. November verschickte die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) eine Pressemeldung, die deutlich macht, dass diese Wirtschafts- und Kulturbranche nicht mehr davon ausgeht, dass es für das novellierte Filmförderungsgesetz (FFG) eine zweite und dritte Lesung im Deutschen Bundestag geben wird. Damit könnte auch das veränderte FFG nicht verabschiedet werden und am 1. Januar 2025 nicht in Kraft treten. Es sei unerlässlich, dass die Gültigkeit des Filmfördergesetzes (FFG) über den 31. Dezember 2024 hinaus gewährleistet bleibe, sagt die SPIO. Aber auch dafür ist ein Beschluss der Abgeordneten erforderlich. Selbst die Filmförderungsanstalt (FFA) als nationale Förderinstitution, die durch Abgaben der Branche finanziert wird, ist gefährdet. Sie nimmt ihre Geschäfte auf der Grundlage des „Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films“, wie das Filmförderungsgesetz im Amtsdeutsch heißt, wahr. Ohne Verlängerung des noch gültigen FFG versiegen auch die Abgaben und damit steht weder für die Bezahlung der Mitarbeiter noch für die Unterstützung von Filmprojekten und Kinos Geld aus dieser wichtigen Quelle zur Verfügung.
Die Ausgaben der Filmförderungsanstalt betrugen im vergangenen Jahr gut 76 Millionen Euro. Geld, was der klammen Filmwirtschaft fehlen würde, denn Abgaben können nicht rückwirkend erhoben werden. Doch nicht nur diese Millionen sind vakant: Die bisherige Staatsministerin Claudia Roth, hatte eine neue Finanzierung für die Alimentierung der Filmbranche angepeilt. Statt der 130 bis 150 Millionen Euro aus bundesweiten Steuereinnahmen für drei Filmförderfonds, die jährlich neu im Bundeshaushalt verankert werden mussten, war ein Steueranreizmodell geplant, das die Bundesländer kräftig mitfinanzieren sollten. Auch die Streamingplattformen, einschließlich ARD und ZDF, sollten über eine sogenannte Investitionsabgabe für deutsche Produktionen, einen höheren Anteil als bisher für die Unterstützung von Film- und TV-Produktionen tragen. Es ist seit längerer Zeit klar, dass diese beiden Gesetze dafür nicht zum 1. Januar 2025 in Kraft treten würden. Für das Steueranreizmodell fehlt nach wie vor die notwenige Vorlage aus dem Bundesfinanzministerium und das Investitionsmodell wird in der vorgesehenen Höhe von 20 Prozent des Umsatzes, von den betroffenen Unternehmen massiv in Frage gestellt. Der Notfallplan von Claudia Roth sah vor, dass im Bundeshaushalt für 2025 wenigstens die drei Töpfe der Förderfonds wieder mit 130 Millionen Euro gefüllt werden. Doch zum einen besteht in der Absicherung des nächsten Haushalts eine Finanzierungslücke von mindestens 12 Milliarden Euro und zum anderen ist noch nicht einmal klar, ob und wann es einen beschlossenen Haushalt für 2025 geben wird. Damit stehen, berücksichtigt man auch die kulturelle Förderung durch den Bund, 60 Prozent der deutschen Filmförderung infrage. Fest steht nur, dass auch im nächsten Jahr die Länder mit über 200 Millionen Euro, das sind fast 40 Prozent der bisherigen deutschen Filmförderung, die Filmwirtschaft unterstützen werden.
„Eine nachhaltige Förderung ist von zentraler Bedeutung, um die kulturelle Vielfalt und Innovationskraft des deutschen Films zu sichern. Die aktuelle Haushaltslage und die politische Übergangsphase erfordern es, dass die Filmwirtschaft auch in Zukunft auf eine verlässliche gesetzliche Grundlage vertrauen kann“, stellt die SPIO in ihrer jüngsten Pressemeldung fest. Die Deutsche Filmakademie und die zwei größten Produzentenverbände gingen in der vergangenen Woche in einer Bittschrift an Abgeordnete des Deutschen Bundestages noch weiter: „Der Filmstandort Deutschland ist auf den Landkarten internationaler Produzenten kaum mehr zu finden. Hollywood geht nach Budapest statt Babelsberg, nach Granada statt Görlitz, nach Paris statt nach Penzing. Der Grund: Unsere europäischen Nachbarn bieten steuerliche Anreize, zum Teil bis 70 Prozent. Auch in Deutschland sind im Rahmen der Filmförderungsreform Tax Incentives in Höhe von 30 Prozent geplant, bisher aber noch nicht fest beschlossen. Die Filmbranche sieht mit Bangen in die Zukunft und befürchtet einen Aderlass bei den Arbeitsplätzen, denn den Hoffnung weckenden Worten folgt bisher keine Sicherheit.“ Auch die Bundesländer, die in der Filmbranche gerne als Buhmann für die offenen Finanzierungsfragen gesehen werden, machen in einem Schreiben, der die Unterschrift aller 16 Verantwortlichen für Filmpolitik trägt, die Bundesregierung für die fehlende Verhandlungsbasis verantwortlich. Sie fordern vom Bundesfinanzministerium endlich „einen geeinten Vorschlag zur weiteren Beratung inklusive einer verbindlichen Zeitschiene“ damit man vor Einleitung des Bundesratsverfahrens zu einem konstruktiven Austausch käme und gemeinsam eine tragbare Lösung erarbeiten könnte.
„Mit einer schleppenden und unprofessionellen Novellierung der Filmförderung versündigt sich die Bundesregierung am deutschen Produktionsstandort, ist aus Staatskanzleien zu hören.“
Auf dem Produzententag 2023 hatte Claudia Roth, unter starkem Beifall der Branchenvertreter, mehr Geld durch neue Finanzierungsinstrumente angekündigt und Hoffnung auf ein großes Reformpaket geweckt. So hatte es auch die Ampelregierung Ende 2021 im Koalitionsvertrag verankert. Im Februar 2024 wurde dieses Versprechen von der Grünen Politikerin erneuert. Das noch gültige Filmförderungsgesetz ist seit Januar 2017 in Kraft und wurde, wegen der Corona-Pandemie, zweimal verlängert. Als 2021 die noch amtierende Regierung antrat, war klar, dass im Januar 2025 ein neues Filmförderungsgesetz in Kraft treten muss. Jetzt, sieben Wochen vor Ultimo, ist selbst das gefährdet.
Die deutsche Filmindustrie schafft 120.000 Arbeitsplätze und setzt jährlich 10 Milliarden Euro um. Die Corona-Pandemie hat auch in Deutschland zu einem Rückgang der Produktion vor allem bei Kinoproduktionen geführt. Durch die Streiks in Hollywood, aber auch einen Produktionsrückgang bei Straemingplattformen und TV-Sendern, hat sich, vor allem für Filmdienstleister, die Lage verschärft. Noch vor drei Jahren haben deutsche Produktionsunternehmen und Studiodienstleister über einen Mangel an Fachkräften, von Kameraassistenten bis zu Beleuchtern geklagt. Davon ist heute nichts mehr zu hören. Im Gegenteil ist seit 2022 von einer Krise der Branche die Rede. Dagegen blühen anderenorts die Geschäfte, zieht es auch deutsche Produzenten, mit deutschen Stoffen, nach Tschechien, Ungarn, Spanien oder sogar Asien. Bis zu 200 Standorte sollen weltweit inzwischen mit Steuervorteilen Filmproduktionen anlocken und europäische Nachbarn bieten Ersparnisse bis zu 70 Prozent der Kosten im Land.
Mit einer schleppenden und unprofessionellen Novellierung der Filmförderung versündigt sich die Bundesregierung am deutschen Produktionsstandort, ist aus Staatskanzleien zu hören. Während andere Länder schnell handelten und durch eine flexible Förderung die Anziehungskraft für Kinofilm- und TV-Produzenten erhöhten, ist im Studio Babelsberg „ein Totentanz“ zu erleben, wie es kürzlich eine regionale Zeitung formulierte. Es ist zu hoffen, dass sich die künftige Bundesregierung dieser Misere annimmt, und das Filmland Deutschland künftig wieder auf Landkarten verzeichnet sein wird. Aber bis dahin wird noch viel Wasser die Spree hinunterfließen…