Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net
Genau sechs Wochen bleiben den Regierungschefinnen -und Chefs der 16 Bundesländer um einen gemeinsamen Modus für die künftige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu finden. Mehrfach war am Freitag davon die Rede, dass es bei der Finanzierung einen Systemwechsel geben müsse, und man „nah daran“ an einer Lösung sei. Michael Kretschmer, Sächsischer Ministerpräsident sagte bei der Pressekonferenz nach der Ministerpräsidentenkonferenz: „Die Menschen haben zurecht die Erwartung, dass Reformen stattfinden, dass die Kostenexplosion gestoppt wird und deshalb ist es ein gutes Signal, dass wir nicht nur zur Reform, sondern auch zur künftigen Finanzierung eine Vereinbarung getroffen haben.“ Das klingt nicht nach Abwehr oder nach einem Junktim zwischen Beitragserhöhung ab Januar 2025 und der Unterschrift unter den Reformstaatsverträgen.
Im Beschluss der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 25. Oktober heißt es: „Zu den noch offenen Fragen zu einem neuen Finanzierungsmodell bitten Sie die Rundfunkkommission bis zu ihrer Konferenz im Dezember mögliche Optionen zu prüfen und einen Vorschlag zu unterbreiten. Sie nehmen in Aussicht, zu dem als Anlage beigefügten Staatsvertragsentwurf spätestens im Dezember die notwendigen Unterrichtungen der Landesparlamente zu beginnen. Gleiches gilt, soweit bis dahin eine Verständigung zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erzielt wurde. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs nehmen in Aussicht, den Staatsertragsentwurf oder mehrere Staatsvertragsentwürfe zu unterzeichnen, sobald dies nach den formellen Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern möglich ist“. Das hört sich teilweise sehr vage an. Aber klar ist, dass auch ohne geeinten Entwurf für einen Finanzierungsstaatsvertrag die Unterrichtung der Landesparlamente über die anderen Reformstaatsverträge stattfinden kann. Nach Möglichkeit soll das Paket, das aus fünf Säulen besteht, aber zusammen in die Landesparlamente gehen, so dass Ziel vor allem der SPD-regierten Bundesländer. Deutlich wurde nach der Pressekonferenz von Ministerpräsidenten und Staatskanzleichef Gesagten auch, dass es einen Vorschlag für die künftige Finanzierung gebe, der aber „rechtliche noch geprüft“ werden müsse.
Viel wurde in den vergangenen Wochen zu dem neuen Modell gesagt und geschrieben. Nach dem unveröffentlichten Entwurf des Finanzierungsstaatsvertrages sollte das Beitragsfestsetzungsverfahren auf der Grundlage von Überlegungen der KEF zum sogenannten „Rationalisierungsmodell“ fortentwickelt werden. Hiernach erfolgt weiterhin eine reguläre Bedarfsanmeldung durch die Anstalten. Wörtlich heißt es: „Die KEF prüft die Anmeldung und stellt auf dieser Grundlage den Bedarf und in der Folge die erforderliche Beitragshöhe fest. Diese so ermittelte Beitragshöhe wird verglichen mit einer Fortschreibung des Beitrags auf Basis des Verbraucherpreisindexes abzüglich eines Rationalisierungsabschlages. Überschreitet die auf Grundlage der Anmeldung neu ermittelte Beitragshöhe den rechnerisch fortgeschriebenen Beitrag nicht bzw. liegt darunter, gilt der auf Grundlage der Anmeldung ermittelte und durch die KEF bekannt gemachte Beitrag grundsächlich als der neue Beitrag, ohne dass es einer Befassung der Landtage bedarf. Dieser neue Beitrag bildet gleichzeitig den Ausgangspunkt für die nächste Vergleichsberechnung.“ Durch die Anwendung des Deflators und dem – sich addierenden – Rationalisierungsabschlag sollte ein ständiger Einsparanreiz für die Anstalten geschaffen werden und durch den Rationalisierungsabschlag der Rundfunkbeitrag im Vergleich zur allgemeinen Preisentwicklung weniger stark zu Buche schlagen. Dies würde zu einer relativen Entlastung der Bürger im Verhältnis zur allgemeinen Preisentwicklung führen. Die Landtage kämen erst dann zum Zug, wenn der festgestellte Beitrag höher als der vergleichend fortgeschriebene Beitrag ist. Das Verfahren sollte nur zur Anwendung kommen, wenn die KEF eine Veränderung der jeweils zum Zeitpunkt der Berichterstattung geltenden Beitragshöhe empfiehlt. Dieses neue Modell fand nicht die Zustimmung aller Ministerpräsidenten, da es davon ausging, dass die KEF-Empfehlung für eine Erhöhung um 58 Cent ab 2025 staatsverträglich umgesetzt wird. Doch wie jetzt weiter?
„Auch ohne geeinten Entwurf für einen Finanzierungsstaatsvertrag kann die Unterrichtung der Landesparlamente über die anderen Reformstaatsverträge stattfinden.“
Wie die F.A.Z. am 28.10. schrieb, hatten sich die Länder in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag darauf verständigt, den Beitrag künftig per Rechtsverordnung festzusetzen, wie es das Bundesverfassungsgericht 2007 und 2021 empfohlen hatte. Zusätzlich sollte eine Vetomöglichkeit bestehen. Dieses neue Verfahren, das anscheinend mehrheitsfähig ist, setzt allerdings voraus, dass die KEF mit der nächsten Gebührenanmeldung für die Zeit ab 2027 eine neue Empfehlung ausspricht, die dann per Verordnung umgesetzt werden könnte, die verfassungskonform ist, einen gewissen Automatismus enthält und weniger politischen Einfluss ermöglicht. So hatte der Vorsitzende der Rundfunkkommission, Alexander Schweitzer, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, auch die Anforderungen unmittelbar nach der Konferenz in einem Interview mit dem Medienmagazin des Deutschlandfunks @mediares beschrieben: „Die bisherigen Gespräche machen klar, dass die Empfehlung der KEF weiter die Grundlage der Entscheidung zum Rundfunkbeitrag bleibt. Damit wird es perspektivisch auch Erhöhungen geben müssen, da der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiter gestärkt werden soll. Bei unseren Entscheidungen spielen auch veränderte Mehrheitsverhältnisse in einigen Landtagen eine Rolle und ich will auch kein Geheimnis daraus machen, dass das auch Einfluss auf unsere Beratungen genommen hat. Wir können nichts Anderes unterbreiten, als einen Vorschlag, der verfassungskonform ist, denn die sachgerechte Ausstattung ist ein Auftrag, der sich aus der Verfassung ergibt. Die Länder erkennen weiterhin die besondere Rolle der KEF als unabhängige und kompetente Institution an. Auch die Grundlage der KEF-Berichte, die Anmeldung durch die Sender soll beibehalten werden. Auf dieser Basis soll ein Entscheidungsmechanismus gefunden werden, der womöglich weniger politisch beeinflusst ist, als zurzeit. Es soll automatisierte Elemente enthalten, etwa wenn die Empfehlung der KEF in der Größenordnung liegt, die durch eine Teuerungsrate zu erwarten wäre.“ Nach Schweitzers Ausführung auf der Pressekonferenz soll es sich bei der künftigen Regelung weder um ein Index-, noch ein Rationalisierungsmodell handeln.
Bleibt die Frage, wie die Länder mit der KEF-Empfehlung umgehen, nach der die vorgesehene Erhöhung zum 1. Januar 2025 erfolgen soll. Dass das nicht erreicht werden kann, hat selbst Heike Raab, Koordinatorin der Medienpolitik der Länder und Medienstaatssekretärin in Rheinland-Pfalz, mehrfach betont. Dabei verwies sie auf die vergangene Beitragsperiode, wo die Erhöhung erst Mitte 2021 erfolgte. Auch damit sei der öffentlich-rechtliche Rundfunk ausreichend finanziert, sagte sie. Nach wie vor lehnen mehrere Ministerpräsidenten sowohl der CDU/CSU als auch der SPD, eine Anhebung ab. Aber sowohl der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder als auch sein Kollege aus Sachsen-Anhalten reden von „jetzt“ und „gegenwärtig“. Es besteht zum jetzigen Zeitpunkt keine Chance für ein einstimmiges Votum pro Beitragserhöhung der gesamten „Verantwortungsgemeinschaft“ wie es das Verfassungsgericht nannte. Aber vielleicht in zwei Jahren, wenn die Anstalten aufgrund der Reformen einen geringeren Bedarf anmelden und die KEF dadurch und auch durch eine geringere Inflation als in den vergangenen Jahren, auf eine deutlich geringere Empfehlung käme. Darauf zu setzen, dass alle Länder die aktuelle Empfehlung der KEF „liegen lassen“ und auf das Jahr 2027 setzen, ist eine naheliegende Lösung, verbunden mit einem „Systemwechsel“. Der Beitrag steigt jetzt nicht und den Anstalten geht die Finanzierung nicht verloren, denn die KEF hat den Bedarf ja ermittelt. Der Geldsegen kommt, vielleicht ein wenig reduziert, nur zwei Jahre später. Das wäre ein typischer politischer Kompromiss.