Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net
Mehrere Ministerpräsidenten haben bereits vor Wochen erklärt, dass sie einer Beitragserhöhung nicht zustimmen würden. Diese Position wurde unter anderem auch von ARD-Intendanten kritisiert. Doch was wäre passiert, hätte es diese Vorfestlegung nicht gegeben? Bei der geplanten Beitragserhöhung für den Zeitraum 2021 – 2025 haben alle Regierungschefinnen und -chefs in der ersten Runde, trotz einiger Bedenken, der KEF-Empfehlung zugestimmt, den monatlichen Obolus für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk um 86 Cent auf 18,36 Euro zu erhöhen. Doch ein Landesparlament verweigerte die Zustimmung, so dass das Bundesverfassungsgericht entscheiden musste. Schon von fünf Jahren, im Zusammenhang mit der Erarbeitung des Medienänderungsstaatsvertrages, gab es die Forderung aus Politik und Gesellschaft, dass die Anstalten selbst aktiver werden, den Spielraum für Reformen nutzen sollten. Doch kaum etwas bewegte sich zwischen Saarbrücken, Mainz und Hamburg.
Es sei daran erinnert, dass die letzten substantiellen Reformen von ARD, ZDF und Deutschlandradio 2017 beschlossen worden sind. Zusammen mit den Veränderungen bei der Rückstellung für die Altersversorgung war das ein Paket von etwa zwei Milliarden Euro bis 2028. Die jüngst angekündigten Einsparungen durch Kompetenzzentren und engere Hörfunkkooperationen bei der ARD sollen innerhalb von vier Jahren 50 Millionen Euro betragen. Ein deutlicher Rückschritt. Zudem werden die Finanzmittel in die digitale Transformation gesteckt. Rein fiskalisch hat der Beitragszahler davon keinen Nutzen.
Der KEF-Vorsitzende Prof. Dr. Martin Detzel hat im heutigen FAZ-Interview gesagt: „Schließt man die von der Kommission für 2025 bis 2028 empfohlene Beitragserhöhung in die Berechnung mit ein, so ist seit 2009, also über eine rechnerische Dauer von 20 Jahren, für die Beitragszahler nahezu eine absolute Beitragsstabilität erreicht. Unter Berücksichtigung der Kaufkraftentwicklung ist die relative Beitragsbelastung sogar rückläufig. Dazu hat auch die Umstellung vom Gebühren- auf das Beitragsmodell beigetragen. Den Anstalten ist absolut gesehen mehr Geld zugeflossen.“ Das heißt im Klartext, dass ohne Umstellung auf das Beitragsmodell der Beitragszahler deutlich stärker zur Kasse gebeten würde, weil die Anstalten heute kaum effektiver arbeiten als vor 20 Jahren.
Die Reformaktivitäten der ARD 2022 und 2023 sind wesentlich auf die Vertrauenskrise zurückzuführen, die durch Misswirtschaft und Verschwendungssucht im RBB ausgelöst worden ist. Auch die Rede des WDR-Vorsitzenden Tom Buhrow im November 2022 in Hamburg über die ARD im Jahr 2030 wäre ohne den RBB-Skandal undenkbar. Da das ZDF schon sehr schnell nach den Vorfällen in den Chefetagen der Zweiländeranstalt erklärte, das sei allein das Problem der ARD, musste man sich in Mainz auch keine großen Gedanken über Reformen machen. Im Gegenteil. Während der für die nächsten vier Jahre angemeldete Aufwand der ARD mit 157,5 Millionen Euro deutlich unter dem fortgeschriebenen Aufwand liege, so belegt der 24. KEF-Bericht, übersteige die Aufwandsberechnung des ZDF diesen Wert um 302,5 Millionen Euro, die des Deutschlandradios um 22,7 Millionen Euro. Mit ihren Anmeldungen hätten das ZDF und das Deutschlandradio, so die KEF, ihre Erwartung nicht erfüllt.
Gut ein Viertel des Finanzbedarfs der Anstalten entfallen mit 10,3 Milliarden Euro auf den Personalaufwand, ohne Altersversorgung. Das ist gegenüber der aktuellen Beitragsperiode eine Erhöhung von etwa 800 Millionen Euro. Während die Anstalten der ARD weiterhin eine kontinuierliche Reduzierung des Personalbestandes planen, konnten das ZDF und Deutschlandradio eine solche Planung nicht vorlegen, kritisiert die Kommission. Und ein drittes Beispiel: Obwohl der Dritte Medienänderungsstaatsvertrag den Anstalten die Möglichkeit einräumt, Spartenprogramme zu reduzieren, wurden für die nächsten vier Jahre auch für diesen Bereich Mehrausgaben angemeldet. Für ZDFneo ist eine Steigerung um 112,1 Millionen Euro (30,4 %) vorgesehen. Diese Kostenerhöhung will das ZDF über Einsparungen in anderen Bereichen erreichen. „Das Beispiel zeige“, so die KEF „dass Einsparungen in erheblichem Umfang möglich sind.“
Zweifelsohne ist bei den öffentlich-rechtlichen Sendern das Reformbemühen gewachsen, um so wenigstens Finanzmittel für den Ausbau der digitalen Angebote zu gewinnen. Denn, das hat Martin Detzel auch klar gesagt, dass „Content, Personal und Sachmittel für die Transformation aus dem Bestand zu finanzieren“ seien. Doch wäre dieser Prozess der Veränderung in Gang gekommen, ohne RBB-Skandal, ohne die Ankündigungen aus mehreren Ländern, einem Beitragsanstieg nicht zuzustimmen, ohne den Feststellungen aus Landtagen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu groß sei und zu viel vom Gleichen biete?
„Der Herbst wird zeigen, wie ernst beide Seiten die ‚Verantwortungsgemeinschaft‘ nehmen. Es geht um einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der einen wichtigen Beitrag für die Demokratie leistet und der vom Bürger akzeptiert ist, weil er ein relevantes Angebot mit einem sparsamen Aufwand bietet.“
Den Sendern war seit Monaten klar, dass die Rundfunkkommission es nicht auf eine Patt-Situation bei der Festsetzung des Rundfunkbeitrages für die Jahre 2025 bis 2028 ankommen lassen wird. Heike Raab, die Chefkoordinatorin der Bundesländer für die Medienpolitik hat mehrfach darauf verwiesen, dass es dabei um einen verfassungskonformen Weg geht. Natürlich wissen die Länder, und hinter vorgehaltener Hand bekommt man diese Annahme auch aus der ARD bestätigt, dass ein erneuter Gang nach Karlsruhe dem Image des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weiter schadet. Deshalb wäre, wenn die KEF-Empfehlung nicht vor dem 1. Januar 2025 umgesetzt wird, eine erneute Anrufung des Bundesverfassungsgerichts, keine gute Idee. Heike Raab hat im FAZ-Interview am 27. Februar die Karten auf dem Tisch gelegt und gesagt, dass die Länder vorerst keinen Finanzierungsstaatsvertrag erarbeiten werden, dass es in diesem Jahr damit unmöglich wird, den Landesparlamenten einen entsprechenden Entwurf mit einem Plus von 58 Cent zuzuleiten. Der Beitrag wird damit nicht am 1. Januar 2025 steigen. Wie es dann weitergeht, ist nicht sicher.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 20. Juli 2021 von einer „Verantwortungsgemeinschaft“ der Bundesländer gesprochen. In der gegenwärtigen Situation kann man diese Feststellung durchaus weiter interpretieren: Die Länder und die öffentlich-rechtlichen Sender bilden eine „Verantwortungsgemeinschaft“. Die Länder müssen bis zur Jahreskonferenz der Ministerpräsidenten im November dieses Jahres den Entwurf eines Reformstaatsvertrages vorlegen. Nur dann wird das Sondergutachten der KEF auch belastbare Einspareffekte nennen, nur dann kann die KEF die Anstalten um eine neue, veränderte Anmeldung für die Zeit ab 2027 bitten und nur dann besteht die Möglichkeit, dass der Beitrag ab 2027 weniger als um 0,58 Euro steigt oder sogar stabil bleibt. In einem Beitrag für die FAZ hat das Rainer Robra, Minister und Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt, so ausgedrückt: „Die Länder sind darin einig, dass die KEF in einem Sondergutachten alle Möglichkeiten zu Effizienzgewinnen und Einsparpotentialen der Vorschläge bemessen soll. Es wird auch von den Ergebnissen dieses Sondergutachtens abhängen, wie die Länder mit der Empfehlung der KEF zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 0,58 € umgehen werden. Unverändert werden mehrere Länder einer Erhöhung nicht zustimmen. Es erscheint aber durchaus vorstellbar, dass sie durch das von den Ländern geplante Reformpaket überholt werden oder in eine neue, geringere Empfehlung einmünden könnte.“
Heike Raab hat in dem oben genannten Interview auch gesagt: „Die Länder haben den Anstalten einen festen Zeitplan für die weiteren Schritte präsentiert und haben diese um eine entsprechende Roadmap für die Umsetzung ihrer eigenen Reformen gebeten. Die Anstalten sagen oft „wir sind am Reformprozess dran“, doch das reicht nicht. Die Länder benötigen konkrete Umsetzungsschritte.“
Der Herbst wird zeigen, wie ernst beide Seiten die „Verantwortungsgemeinschaft“ nehmen. Es geht um einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der einen wichtigen Beitrag für die Demokratie leistet und der vom Bürger akzeptiert ist, weil er ein relevantes Angebot mit einem sparsamen Aufwand bietet. Die Öffentlichkeit kann den Ministerpräsidenten, die mit ihrem Nein die öffentlich-rechtlichen Sender zu tiefergreifenden Umgestaltungen zwingen wollen, für diese Position dankbar sein. Es hätte sich ansonsten sowohl bei den Anstalten aber auch bei den Ländern weniger bewegt.