Interview mit Tabea Rößner, B90/Grüne, Mitglied des Deutschen Bundestages und Vorsitzende des Ausschusses für Digitales
In einem Gespräch mit medienpolitik.net kritisiert Tabea Rößner, Bundestagsabgeordnete von B90/Die Grünen Äußerungen von Ministerpräsidenten, eine Beitragserhöhung auszuschließen. Solche Vorfestlegungen seien mit dem vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Verfahren, nicht zu vereinbaren. Es sei sehr bedenklich, wenn von vornherein festgelegt werde, der Beitrag darf nicht steigen, obwohl höhere Kosten, zum Beispiel durch die Inflation, unübersehbar seien. Damit werde der Druck auf die Anstalten immer größer, was zulasten der Qualität und der Vielfalt gehe. Darunter leide die Akzeptanz beim Nutzer. Skeptisch ist Rößner auch bei einem möglichen Moratorium, inwieweit das eine bedarfsgerechte Finanzierung ermögliche. Zum einen seien die verfassungsrechtlichen Hürden hoch, der Vorschlag müsse von der KEF begründet werden und zum anderen, führe es zu einer Stagnation. Aber es sei wichtig, dass der Reformprozess weiterlaufe und nicht für einige Jahre pausiere.
medienpolitik.net: Frau Rößner, seit den Vorgängen beim RBB bewegt sich die Medienpolitik schneller als zuvor und erarbeitet sogar in Wochenfrist einen Staatsvertrag. Reicht das Tempo aus?
Rößner: Es kommt nicht immer auf das Tempo an, sondern vor allem auf die Qualität. Bestimmte Fragen, die jetzt geregelt werden, wurden vor Jahren bereits von der Öffentlichkeit moniert, wie zum Beispiel die Verantwortung der Gremien. Doch die Vorgaben der Politik sind leider auch jetzt noch nicht so stringent, wie sie es sein müssten.
medienpolitik.net: Wie hätten Sie es gern stringenter?
Rößner: Die Rundfunkgremien haben seit dem 1. Juli eine größere Verantwortung und mehr Aufgaben. Sie sollen öffentliche Konsultationen durchführen, darüber entscheiden, welche Programme linear weitergeführt werden, einheitliche Qualitätsstandards erarbeiten und den wirtschaftlichen Einsatz der Beitragsgelder noch besser überwachen. Das erfordert sehr viel Expertise. Es ist sicher richtig, mehr Transparenz seitens der Intendanz einzufordern, die Geschäftsstellen finanziell besser auszustatten und mehr Gutachten zu beauftragen, doch ist es fraglich, ob die Gremien dennoch diesen Mehraufwand in der bisherigen Zusammensetzung bewältigen können.
medienpolitik.net: An der Zusammensetzung wird sich aber wahrscheinlich nichts ändern…
Rößner: Das müsste aber der Kern der Reform der Gremien sein. Es gab von mir schon vor längerer Zeit die Forderung nach einer Expertenkommission, die Vorschläge unterbreiten sollte, wie die Gremien repräsentativ für die Gesellschaft sein können und nicht nur die Interessen ihrer entsendenden Verbände einbringen. Dazu müsste sich das Auswahlprinzip ändern. Mehr Schulungen und weitere Gutachten, reichen hier nicht aus. Die Medienstaatsverträge sollten zumindest eine stärkere Verbindlichkeit für den Nachweis entsprechender Kompetenz und für Qualifizierungen haben als bisher.
medienpolitik.net: Seit drei Monaten arbeitet ein Zukunftsrat, der bis zum Herbst Vorschläge für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorlegen soll. Vielleicht kommen von ihr Anregungen für die Besetzung der Gremien?
Rößner: Davon gehe ich nicht aus. Die Aufgaben und Fragestellungen stehen ja fest. Die Gremienstruktur gehört nicht dazu. Sie sollen unter anderem Empfehlungen abgeben, wie die Anstalten strukturell und organisatorisch zu verändern sind, damit sie effektiver und sparsamer wirtschaften können. Damit wird das Pferd aber von hinten aufgezäumt. Natürlich muss mit dem Beitrag verantwortungsvoll gewirtschaftet werden, aber Voraussetzung ist der Auftrag. Die Finanzierung ist von diesem abhängig und nicht umgekehrt. Deshalb halte ich es für falsch, dem Zukunftsrat eine solche Aufgabe zu stellen.
„Im Fokus muss die Frage stehen, welche Funktion der öffentlich-rechtliche Rundfunk in einer sich dramatisch verändernden Medienwelt im Interesse unserer Demokratie spielen muss und nicht, wie der Beitrag stabil gehalten werden kann.“
medienpolitik.net: Der Zukunftsrat soll aber die Veränderung der Mediennutzung und die damit verbundenen Konsequenzen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk analysieren. Davon hängt doch auch der Auftrag ab.
Rößner: Bevor über ökonomische Schlussfolgerungen entschieden wird, muss der Auftrag, der sich aus der Veränderung der Mediennutzung ergibt, definiert werden. Aber der Zukunftsrat wurde schon mit der Maßgabe eingesetzt, die Stabilisierung der Ausgaben im Blick zu haben. Das ist auch verfassungsrechtlich bedenklich, weil für die Erfüllung des Auftrages die entsprechenden Finanzen zur Verfügung gestellt werden müssen. Doch wenn der Beitrag von vorn herein stabil gehalten werden muss, ist es fraglich ob die Sender ihre Aufgabe in der vom Bundesverfassungsgericht beschriebenen Qualität noch erfüllen können. Im Fokus muss die Frage stehen, welche Funktion der öffentlich-rechtliche Rundfunk in einer sich dramatisch verändernden Medienwelt im Interesse unserer Demokratie spielen muss und nicht, wie der Beitrag stabil gehalten werden kann.
medienpolitik.net: Aber das fordern doch viele Bürger von der Politik.
Rößner: Ja, das gehört auch zu den öffentlichen Forderungen. Gleichzeitig möchten sich die Bürger, auch das zeigen viele Umfragen, mit ihren Ideen mehr einbringen, mehr Einfluss auf das Programm und die Inhalte ihres Rundfunks, den sie finanzieren, haben. Deshalb gab es den Vorschlag neben einer Expertenkommission auch einen Publikumsrat zu berufen, um in der Bevölkerung eine größere Akzeptanz zu erreichen. Es gibt inzwischen viele gute Erfahrungen mit Bürgerräten. Wenn diese eine fachliche Expertise an die Hand bekommen, können sie auch gute Entscheidungen treffen. Damit das nicht nur ein formaler Prozess ist, muss aber auch die Bereitschaft der Länder vorhanden sein, die Ideen umzusetzen.
medienpolitik.net: Die Vorschläge des Zukunftsrates sollen noch Eingang bei der Berechnung des Rundfunkbeitrages ab 2025 finden. Ist dieses Ziel realistisch?
Rößner: Ich halte dieses Vorhaben der Rundfunkkommission für sehr ambitioniert. Im Übrigen hätte ich mir einen anderen Prozess gewünscht, bei dem Gelegenheit gewesen wäre, die Empfehlungen des Zukunftsrates breit öffentlich zu diskutieren. Denn es geht um die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, darum, dass die Bürger wissen, wofür sie monatlich ihren Beitrag leisten. Dazu gehört auch, zu begründen, warum der öffentlich-rechtliche Rundfunk notwendig ist und welchen Wert er für die Gesellschaft verkörpert. Es ist zwar positiv, dass es diesen Zukunftsrat gibt, aber er kann nur dann etwas bewirken, wenn die Länder die Vorschläge auch in einem Medienänderungsstaatsvertrag übernehmen. Dieses Bekenntnis vermisse ich bisher.
medienpolitik.net: Um mehr Zeit für die Berücksichtigung dieser Ideen zu haben, wird bereits ein Moratorium gefordert. Kann so eine Beitragserhöhung ab 2025 verhindert werden?
Rößner: Ich bin bei dieser Forderung sehr skeptisch, ob das zu einer bedarfsgerechten Finanzierung führt. Zum einen sind die verfassungsrechtlichen Hürden hoch, der Vorschlag muss ja von der KEF begründet werden und zum anderen, führt es zu einer Stagnation. Aber es ist wichtig, dass der Reformprozess weiterläuft und nicht für einige Jahre pausiert.
„Der Zukunftsrat kann nur dann etwas bewirken, wenn die Länder die Vorschläge auch in einem Medienänderungsstaatsvertrag übernehmen. Dieses Bekenntnis vermisse ich bisher.“
medienpolitik.net: Sechs Ministerpräsidenten wollen aus heutiger Sicht gegen eine Erhöhung stimmen. Ist das purer Populismus oder ist das eine erfolgversprechende Position, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu mehr Einsparungen zu zwingen?
Rößner: Diese Äußerungen, eine Beitragserhöhung auszuschließen, sind mit dem vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Verfahren, nicht zu vereinbaren. Es ist sehr bedenklich, wenn von vornherein festgelegt wird, der Beitrag darf nicht steigen, obwohl höhere Kosten, zum Beispiel durch die Inflation, unübersehbar sind. Damit wird der Druck auf die Anstalten immer größer, was zulasten der Qualität und der Vielfalt geht. Darunter leidet die Akzeptanz beim Nutzer. Es müssen mehr Synergien geschaffen werden, aber letztlich ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk verpflichtet, Meinungsvielfalt abzubilden und dem dürfen Reformmaßnahmen nicht zuwiderlaufen. So dürfen auch die geplanten Kompetenzzentren der ARD nicht dazu führen, dass sich künftig zu wenige Journalisten mit Fachthemen befassen.
medienpolitik.net: Es gibt eine Reihe von Reformvorschlägen von den ARD-Intendanten. Wird das die große Reform, die Tom Buhrow im Herbst vergangenen Jahres gefordert hat?
Rößner: Nein, das ist noch nicht die große Reform, denn der Zuschnitt der Rundfunkanstalten, wie von ihm angeregt, spielt medienpolitisch keine Rolle. Aber wenn auch die Fusion von Saarländischem Rundfunk und Radio Bremen mit anderen Anstalten ausgeklammert wird, kann man über die Anzahl der Rundfunkprogramme nachdenken, die oft sehr ähnlich sind und wenig regionale Informationen senden. Stattdessen könnten regionale Fenster für Einspareffekte und mehr lokale Berichterstattung sorgen. Eine große Reform ist aber bei der vorhandenen Struktur, nach der alle Sender juristisch selbständige Unternehmen sind, schwierig, weil auch die Standortinteressen der einzelnen Bundesländer Fusionen verhindern.
medienpolitik.net: Wo sehen Sie die Verantwortung der Landesregierungen und Landesparlamente für die notwendigen Veränderungen?
Rößner: Die Landesparlamente haben ebenso wie die Landesregierungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch inhaltlich eine große Verantwortung. Sie können mit den Gesetzen zu den jeweiligen Landesrundfunkanstalten sehr viel regeln, zum Beispiel die Zahl der Hörfunkangebote oder auch die Gehälter der Intendanten. Aber so wie sich die Länder mit der Festlegung, dass künftig die Gremien Programm beauftragen sollen, einen „schlanken Fuß“ gemacht haben, nehmen sie bisher ihre Aufgaben leider auch bei den Landesrundfunkgesetzen nur unzureichend war.