Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net
Jetzt sind es sieben. Sieben Länderchefs, die sich gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrages aussprechen. Neu hinzugekommen ist der Regierende Bürgermeister Berlins Kai Wegner. Gegenüber der „Berliner Morgenpost am Sonntag“ hat er erklärt: „Da stelle ich mich vehement dagegen. Entscheidend sei, dass der Rundfunk Berlin-Brandenburg endlich Reformen anpacke. „Die schlechteste Variante ist es, jetzt über Beitragserhöhungen zu sprechen“, sagte Wegner. Sicher ist es richtig, jetzt über mögliche Beitragserhöhungen zu sprechen, denn nur so lassen sie sich unter Umständen abwenden. Doch entschieden wird darüber, wenn den 16 Ministerpräsidentinnen und –präsidenten der Bericht der Gebührenkommission KEF vorliegt. Dieser kann eine Empfehlung für eine Beitragserhöhung enthalten. Muss er aber nicht. Die KEF kann auch vorschlagen, dass der Beitrag weitere zwei oder vier Jahre bei 18,36 Euro stabil bleibt. Sollte die KEF jedoch eine Gebührenempfehlung befürworten, wird es für die Länderrepräsentanten, die sich bereits jetzt dagegen aussprechen, eng.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte am 4. August 2021 erneut verkündet, dass die Länder zwar von der KEF-Empfehlung abweichen dürfen, verfassungsrechtlich geboten seien aber nur sozialpolitische Argumente, etwa eine mögliche Überforderung der Beitragszahler. Kritik an der Struktur der Sender oder am Inhalt der Programme seien für die Beitragsfestsetzung irrelevant. Diese Entscheidung war keine Überraschung, deckt sie sich doch mit vorangegangenen Urteilen. Doch selbst wenn ein Land oder auch sieben, mit „sozialen Belastungen“ argumentieren würden, wäre eine Beitragserhöhung, wenn sie die KEF empfiehlt, kaum zu verhindern. Denn die Richter stellten auch fest, dass nur alle Länder gemeinsam von der KEF-Empfehlung abweichen könnten. Sie begründen das mit der „föderalen Verantwortungsgemeinschaft“ für die Finanzierung des Rundfunks.
In dem Karlsruher Urteil wurden die Länder erneut darauf hingewiesen, dass es verfassungsrechtlich möglich ist, vom bisherigen Einstimmigkeitsverfahren abzuweichen und eine mögliche Erhöhung auch ohne die Zustimmung aller 16 Länder erfolgen könnte. Das setzt aber wieder eine Einmütigkeit bei der Änderung des bisherigen Prozederes voraus und damit ist nicht zu rechnen. Deshalb sind nicht die gegenwärtigen Ablehnungen entscheidend, auch wenn sie ein guter Indikator für die Stimmung in der Bevölkerung sind, sondern ob es in den nächsten Monaten gelingt, Fakten zu schaffen, die belegen, dass der Rundfunkbeitrag trotz zusätzlicher Anmeldungen, durch quantitativ bezifferte Einsparungen, ab 2025 sinken könnte.
Oliver Schenk, Chef der Staatskanzlei Sachsens und Koordinator für die CDU/CSU-regierten Länder in der Rundfunkkommission, hat jüngst auf eine mögliche Beitragserhöhung hingewiesen. Der Rundfunkbeitrag könnte nach seinen Informationen ab 2025 steigen. Von jetzt 18,36 Euro auf knapp 19,00 Euro. Wenn die KEF allein die Anmeldungen der Anstalten berücksichtige, erhöhe er sich sogar monatlich auf etwa 20,00 Euro. Er hoffe jedoch, dass die KEF „mit spitzem Bleistift“ rechne und alle Einsparmöglichkeiten berücksichtige, dass es vom Zukunftsrat im Herbst konkrete Vorschläge für Reformen gäbe und auch die Anstalten noch Berechnungen vorlegen, welche Effekte von ihren Strukturveränderungen ab 2025 zu erwarten wären. Bei der vergangenen Gebührenperiode ist durch die Analysen der KEF die Aufstockung um einen Euro pro Monat geringer ausgefallen. Sollten die Ideen des Zukunftsrates und die Überlegungen der Anstalten eine bezifferbare Absenkung der Aufwendungen ab 2025 ergeben, könnte die KEF Anfang 2024 nur einen Zwischenbericht ohne Empfehlung vorlegen. Bei einem befristeten Moratorium wären weiterhin für zwei Jahre monatlich 18,36 Euro fällig. Allerdings müssten diese Reformvorschläge „mit Preisschildern“, wie es Oliver Schenk nannte, bis spätestens Ende dieses Jahres vorliegen.
„Es sind nicht die gegenwärtigen Ablehnungen entscheidend, sondern ob es gelingt, Fakten zu schaffen, die belegen, dass der Rundfunkbeitrag, durch quantitativ bezifferte Einsparungen, ab 2025 sinken könnte.“
Es ist für die Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Systems wichtig, dass die Länder endlich ihrer Verantwortung für die öffentlich-rechtlichen Anstalten in ihrem Sendegebiet gerecht werden und dringend notwendige Reformen in den Gesetzen für die jeweiligen Landessender verankern, so wie es gegenwärtig im Saarland erfolgt und auch in Berlin und Brandenburg für den RBB der Fall sein soll. So kündigte Kai Wegner für die Novellierung des RBB-Staatsvertrages an, dass dort Transparenz, Kontrolle und die Gehälter für die Führungsebene wichtige Themen seien. Beim RBB sei sehr viel Geld ausgegeben worden, „das weder dem Programm noch den normalen Beschäftigten zugutegekommen ist“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister. Die Landesrechnungshöfe beider Länder hatten eine Obergrenze für Gehälter empfohlen. „Diese Position wird sich maßgeblich im Staatsvertrag wiederfinden“, kündigte Wegner an. „Die exorbitant hohen Gehälter für die Führungsebene können so nicht bleiben.“ Deshalb müsse es bei der Intendanz und den Direktoren eine Deckelung geben.
Doch diese Gesetzesmodifizierungen, die zudem sehr zögerlich erfolgen, kommen für die Beitragsperiode ab 2025 zu spät. Also ruhen die Hoffnungen der Länder auf dem Zukunftsrat und dem Sparwillen von elf Intendanten. Hier zeigte sich der für Medienpolitik zuständige Staatskanzleichef jedoch weniger optimistisch. Diese seien bisher nicht ausreichend und ließen sich nicht quantifizieren. Es müsste bis zum Herbst nachgesteuert werden, forderte Schenk. Sein Hinweis, dass im nächsten Jahr in drei ostdeutschen Ländern Wahlen stattfänden, und im Wahlkampf der Rundfunkbeitrag eine Rolle spielen könnte, zeigt die politische Sorge, dass der nächste KEF-Bericht in einem medienpolitischen Desaster enden könnte. Allerdings sollten sich die Anstalten nicht zu sehr darauf freuen, dass sie bei einem erneuten Gang nach Karlsruhe die Sieger sein könnten. Möglicherweise entscheidet das Bundesverfassungsgericht wieder wie 2021 zu ihren Gunsten. Aber ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der seine Legitimation einzig aus verfassungsrechtlichen Grundsatzentscheidungen, nicht aber aus der Akzeptanz seines Programms und seiner Strukturen in der Bevölkerung bezieht, steht auf sehr wackligen Füßen.