Von Katrin Heyeckhaus, Head of Media Policy | Senior Legal Counsel bei ZVEI e. V.
Das Jahr 2023 endete mit der politischen Einigung über den European Media Freedom Act (EMFA). Damit wurde erstmals in Europa eine Regelung getroffen, die den Schutz der Medienfreiheit europaweit festschreibt. Auch 2024 werden wir uns noch intensiv mit dem EMFA auseinandersetzten. Denn zum einen muss geprüft werden, inwiefern die deutsche Mediengesetzgebung an das europäische Recht angepasst werden muss. Zum anderen wird die Erarbeitung weiterer Leitlinien zur Ausgestaltung des EMFA die medienpolitische Diskussion prägen.
Für die Mitglieder des ZVEI, die ihre Produkte wie z.B. Smart-TVs in der gesamten Europäischen Union vertreiben, bleibt der Abbau von Barrieren im Binnenmarkt ein wichtiges Thema. Der EMFA geht hier in die richtige Richtung, aber nicht weit genug. Denn obwohl der EMFA als Verordnung unmittelbar in den Mitgliedstaaten gilt, räumt er in vielen Fällen nationalen Regelungen Vorrang ein und lässt Ausnahmen zu. Hinzu kommt, dass bestimmte Regelungsbereiche, wie z.B. die Vereinheitlichung der hervorgehobenen Auffindbarkeit sogenannter Inhalte von allgemeinem Interesse, im EMFA gänzlich ausgeklammert werden. Hierzu soll lediglich eine unverbindliche Leitlinie der Europäischen Kommission erlassen werden. Damit bleibt es bei der bisherigen Rechtslage, dass alle Mitgliedsstaaten, wie z.B. Deutschland, Frankreich und Italien, eigene Ansätze zur bevorzugten Auffindbarkeit von Inhalten entwickeln. Diese Regelungen erfordern eine Anpassung der Endgeräte an die nationalen Märkte. Insofern wäre eine europaweite Harmonisierung der funktionalen Anforderungen an die privilegierte Auffindbarkeit wünschenswert gewesen.
Hinsichtlich der Personalisierungsoptionen schafft der EMFA zwar eine europäisch einheitliche Regelung, aber auch hier gilt die Regelung nicht uneingeschränkt, sondern lässt nationale Einschränkungen der Nutzerrechte zu. So dürfen in Deutschland die ca. 270 Medienangebote mit Public-Value-Status von den Nutzenden nicht verschoben, verändert oder gelöscht werden. Die Regelung im EMFA geht damit auch über die deutsche Regelung im Medienstaatsvertrag hinaus, wonach Public-Value-Inhalte nur bei der erstmaligen Einstellung in ihrer Auffindbarkeit privilegiert sind, später aber verändert werden können. In diesem Punkt ist eine Novellierung des Medienstaatsvertrages erforderlich, um eine Angleichung an den EMFA zu erreichen.
Der EMFA ist ein Beispiel für eine europäische Rechtsetzung, die statt einer Harmonisierung des Binnenmarktes durch vielfältige nationale Ausnahmeregelungen die rechtliche Differenzierung in den Mitgliedsstaaten schafft. Die Mitglieder des ZVEI sehen sich damit einem regelrechten Flickenteppich bestehender nationaler und europäischer Regelungen gegenüber. Den Überblick zu behalten, welche Regelungen wo für ein Unternehmen gelten, wird zunehmend zur juristischen Herausforderung. Dadurch entstehen Kosten, die in anderen Unternehmensbereichen, z.B. Forschung und Entwicklung, fehlen. Das schwächt auch den Standort Europa.
„Der EMFA ist ein Beispiel für eine europäische Rechtsetzung, die statt einer Harmonisierung des Binnenmarktes durch vielfältige nationale Ausnahmeregelungen die rechtliche Differenzierung in den Mitgliedsstaaten schafft.“
Für 2024 setzen wir uns dafür ein, das entstandene Regelungsdickicht zu entwirren. Für die Unternehmen muss klar sein, welche Regeln gelten. 2024 muss entrümpelt und aufgeräumt werden. Dazu müssen Überschneidungen beseitigt werden: sowohl zwischen nationalem und europäischem Recht als auch innerhalb nationalen und europäischen Regelungen. Bei inhaltlichen Überschneidungen müssen bestehende Altregelungen konsequent aufgehoben werden, damit keine Parallelstrukturen zu neu eingeführten Regelungen entstehen.
Auch die geplante Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages, die Ende des Jahres in die Anhörung gegangen ist, erfordert eine europäische Betrachtung. Der Vorschlag der Länder, die Anbieter von Betriebssystemen zu verpflichten, Jugendschutzvorrichtungen vorzusehen, mit denen der Zugang zu Apps mit Medieninhalten beschränkt werden kann, hat Vorläufer sowohl in Italien als auch in Frankreich. Auch hier sehen die nationalen Gesetze vor, dass Fernsehgeräte national angepasst werden müssen. Hier gilt es, den deutschen Vorschlag mit den bestehenden Regelungen in Frankreich und Italien kompatibel zu machen und keine weiteren Barrieren im Binnenmarkt entstehen zu lassen. Das Bewusstsein der Länder für die Binnenmarktrelevanz ihres Vorschlags ist vorhanden. Dieses Bewusstsein muss nun in politische Motivation umgesetzt werden, um eine weitere Fragmentierung des Binnenmarktes zu verhindern und einen weitgehend einheitlichen europäischen Rechtsrahmen zu schaffen.
2024 ist ein entscheidendes Jahr für die Zukunft Europas. Im Juni wird in der gesamten Europäischen Union ein neues Parlament gewählt. Unsere wichtigsten Botschaften für das kommende Jahr und darüber hinaus richten sich daher sowohl an die europäische als auch an die nationale Ebene: Bestehende Rechtsvorschriften vereinfachen und harmonisieren und, wo nötig, ineffiziente Gesetze abschaffen.