Antworten von Dirk Schrödter (CDU), Minister und Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein und Malte Krückels (Die Linke), Medienstaatssekretär in Thüringen
Die Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden sich, so Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein, darauf zu konzentrieren, „wie wirtschaftliche Synergien durch verstärkte Kooperation und Zusammenarbeit gehoben werden können“. Dazu sieht er drei Wege: Die gemeinsame Nutzung von Produktionspotenzial; die gemeinsame Erstellung von Programminhalten und eine konsequente Zusammenarbeit bis hin zur Zusammenlegung von Verwaltungsleistungen. Das Prinzip „Einer für Alle“, sollte über Anstaltsgrenzen hinweg, festgeschrieben werden. Dirk Schrödter plädiert, wie andere Medienpolitiker auch, für eine Wiederbelebung des Indexmodells. Malte Krückels, Medienstaatssekretär aus Thüringen, erwartet, dass ein Reformstaatsvertrag „die zaghaften Bemühungen der ARD um einen Ausbau des Federführungsprinzips“ aufgreife und dieses als Regelfall definiere. Zudem sieht er ein relevantes Einsparpotenzial in einer Deckelung des Sportrechteetats sowie einer Begrenzung der Intendanten-Grundgehälter, nach dem Beispiel des neuen RBB-Staatsvertrages.
Dirk Schrödter, Minister und Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein:
medienpolitik.net: Wo liegen für Ihre Landesregierung die medienpolitischen Schwerpunkte für 2024?
Schrödter: Eine zeitgemäße und zukunftsfähige Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist auch im Jahr 2024 ein medienpolitischer Schwerpunkt. Das Jahr 2023 hat dahingehend bereits wichtige Bausteine gesetzt. Der Vierte Medienänderungsstaatsvertrag (4. MÄStV) tritt im Januar 2024 in Kraft. Dieser legt künftig Mindeststandards in den Bereichen Compliance, Transparenz und Gremienkontrolle fest und stellt einen effektiven ersten Schritt zur Herstellung einheitlicher, strengerer Standards beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk dar. Es wird darauf ankommen, dass sich die Gremien ihrer nun gestärkten Rolle selbstbewusst annehmen. Die Politik muss dies immer wieder von den Gremien einfordern.
Mittlerweile befindet sich auch der Fünfte Medienänderungsstaatsvertrag (5. MÄStV) auf der Zielgeraden. Durch diesen werden die Vorgaben des MStV mit den auf europäischer Ebene festgelegten Vorgaben des Digital Services Act (DSA) und des sich auf Bundesebene derzeit in Ressortabstimmung befindenden Digitale Dienste Gesetzes (DDG) in Einklang gebracht.
Im Jahr 2024 wird insbesondere die Reform des Jugendmedienschutzes eine bedeutende medienpolitische Rolle spielen. Die mit den heutigen Nutzungsgewohnheiten von Jugendlichen und Kindern einhergehenden Risiken erfordern die Schaffung eines einheitlich hohen Schutzniveaus im Bereich der Medien. Dies soll in der geplanten Änderung des Jugendmedienschutzstaatsvertrages Berücksichtigung finden. Die Rundfunkkommission hat am 8. November 2023 einen Diskussionsentwurf für einen Sechsten Medienänderungsstaatsvertrag (6. MÄStV) beraten und in die Anhörung gegeben. Der Entwurf enthält vorwiegend Regelungen zum technischen Jugendmedienschutz im JMStV. Auf Grundlage der Ergebnisse der Anhörung soll zeitnah ein entsprechender Änderungsstaatsvertrag erarbeitet werden. Das alles ist jedoch Routinearbeit. Wesentlich werden aber die Arbeiten an einem Reformpaket für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein, welches darauf gerichtet ist, Kooperation und Zusammenarbeit zum anstaltsübergreifenden Heben von Synergien zu fördern, um eine Antwort auf die Frage der Beitragsentwicklung zu geben und bundesweite Akzeptanz zu sichern (siehe hierzu Antwort auf Frage 2).
Auch im Jahr 2024 gilt es meiner Ansicht nach neue Ansätze für eine Novellierung des Medienkonzentrationsrechts zu finden. Die Sicherung der Meinungsvielfalt stellt eine Kernaufgabe des Medienrechts dar. Der kontinuierliche Wandel der Mediennutzung und der technische Transformationsprozess machen eine Anpassung der bestehenden Regelungen erforderlich. Ziel ist eine grundlegende strukturelle und zukunftsfähige Umgestaltung des Medienkonzentrationsrechts zur Sicherung einer freien individuellen und öffentlichen Meinungs- und Willensbildung unter gleichzeitiger Einhaltung der Programmautonomie der Anbieter. Dabei müssen sowohl die heutigen als auch die zukünftigen Prozesse der Meinungsbildung so adressiert werden, dass die Meinungsvielfalt und damit letztlich die freie Meinungsbildung über alle derzeitigen und künftigen Mediengattungen hinweg dauerhaft sichergestellt sind.
Im Herbst 2023 wurde bereits ein Diskussionsentwurf erarbeitet, welcher neben der Betrachtung des Fernsehens auch alle weiteren Sektoren einbezieht, welche Einfluss auf die Meinungsbildung haben. Es folgen weitere ausführliche Gespräche und Diskussionen, auch mit Expertinnen und Experten sowie die Befassung der Rundfunkkommission.
Die Stärkung der regionalen Medienvielfalt wird im folgenden Jahr ebenfalls ein zentrales medienpolitisches Thema bleiben. Die Anzahl an regionalen und lokalen journalistischen Angeboten nimmt weiterhin ab. Die damit einhergehende Reduktion der Medienvielfalt ist ein demokratisches Problem von hohem Gewicht. Für ein Flächenland wie Schleswig-Holstein stellt die Gewährleistung einer lokalen und regionalen Medienvielfalt eine besondere Herausforderung dar. Die Landesregierung setzt sich deshalb für eine sinnvolle und nachhaltige Förderung dieser regionalen Medienangebote ein. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die Herausforderungen für wirtschaftlich tragfähigen und crossmedial aufgestellten Lokaljournalismus gelegt. Das Projekt „Ideenwettbewerb“, unter der Federführung der Medienanstalt Hamburg/ Schleswig-Holstein, ist ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung. Hierbei werden Projekte gefördert, welche in einer digitalen Zukunft regionale Inhalte auf innovative Weise verfügbar machen.
Ein weiterer, mir persönlich wichtiger Punkt ist der Weg in die Digitalisierung des Hörfunks. Es geht darum den Weg von der analogen, terrestrischen Verbreitung hin zu einer flächendeckenden digitalen Versorgung mit DAB und IP zu gestalten. Diese soll natürlich nicht hinter der bisherigen UKW-Verbreitung zurückbleiben, sondern Potenziale darüber hinaus ausschöpfen und das flächendeckende Programmangebot, auch im Interesse der Vielfalt, verbessern. Das geht nicht ohne und schon gar nicht gegen die wesentlichen Rundfunkakteure im Land. Die Landesregierung befindet sich hierzu regelmäßig in gemeinsamen Gesprächen mit den öffentlich-rechtlichen, privaten und nichtkommerziellen Hörfunkveranstaltern sowie der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein. Mein Wunsch wäre ein vollständig digitales Hörfunkangebot in SH ab dem nächsten Jahrzehnt.
Auch der „European Media Freedom Act (EMFA)“ der EU wird uns sicherlich in 2024 noch ein Stück weit begleiten. Dieses Großvorhaben wurde und wird von uns Ländern sehr kritisch, aber auch konstruktiv begleitet. Uns ist dabei besonders wichtig, dass das in den Mitgliedsstaaten bestehende Schutzniveau zur Sicherung der Medienvielfalt und Medienpluralität nicht unterlaufen wird und auch weiterentwickelt werden kann. Des Weiteren muss aus unserer Sicht die Aufsicht über die Medien und ihre Verbreitung weiterhin unabhängig und dezentral erfolgen. Am 24.11.2023 hat der Bundesrat hierzu erneut Position bezogen und ich selbst gemeinsam mit der Beauftragten für Kultur und Medien des Bundes, Staatsministerin Roth, auf dem Kultur- und Medienministerrat in Brüssel hierzu die deutsche Position vertreten. In jedem Fall werden wir unser nationales Medienrecht auf Kompatibilität mit den Vorgaben des EMFA prüfen und gegebenenfalls daran anpassen müssen.
„Ich sehe eine neue Zeitrechnung angebrochen, um die von mir bereits 2018 engagiert geforderte Einführung eines Indexmodells mit Produktivitätskomponente neu zu beleben und zu diskutieren.“ Dirk Schrödter
medienpolitik.net: Die Länder arbeiten intensiv an einem weiteren Reformstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Welche Reformen müssten sich Ihrer Meinung nach unbedingt in einem solchen Medienänderungsstaatsvertrag wiederfinden?
Schrödter: Das Jahr 2024 ist von weiteren Reformschritten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geprägt. Die Medienwelt steht in einem steten Wandel und auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen. Hier sind die staatsvertraglichen Weichen durch die Flexibilisierungsoptionen und die Anforderungen an eine gemeinsame Plattformstrategie bereits gestellt worden. Auch in diesem sich verändernden medialen Umfeld bleibt es die zentrale Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Grundversorgung aller Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten und dabei die freie Meinungsbildung und die kulturelle Vielfalt zu unterstützen.
Dazu braucht er auch weiterhin seine nach wie vor hohe und breite gesellschaftliche Akzeptanz. Damit unmittelbar verknüpft ist natürlich auch die Frage der Beitragsstabilität. Die KEF schlägt in ihrem Entwurf des diesjährigen Berichts vor, den Rundfunkbeitrag um 58 Cent auf 18,94 Euro anzuheben – dem Äquivalent eines Brötchens. Ich bin mir sicher, dass weite Teile der Bevölkerung für qualitativ gute Angebote auch bereit sind, diesen Gegenwert zu bezahlen. Sie müssen aber das Gefühl haben, dass wirtschaftlich und sparsam gearbeitet wird. Die Reformen werden sich also darauf zu konzentrieren haben, wie wirtschaftliche Synergien durch verstärkte Kooperation und Zusammenarbeit gehoben werden können. Hier sehe ich drei Ansatzpunkte: Erstens: die gemeinsame Nutzung von Produktionspotenzial, wie technische Einrichtungen und Infrastrukturen. Zweitens: die gemeinsame Erstellung von Produktion von Programminhalten. Drittens: eine konsequente Zusammenarbeit bis hin zur Zusammenlegung von reinen Verwaltungsleistungen im Back Office, die in allen Anstalten gleichgerichtet bearbeitet werden und eigentlich keinen Beitrag zum jeweiligen anstaltsspezifischen Markenauftritt und dessen Wahrnehmung leisten. Insgesamt sollten wir auch bei den Öffentlich-Rechtlichen, wo immer möglich, das EfA-Prinzip, Einer für Alle, etablieren und festschreiben – und zwar über Anstaltsgrenzen hinweg. Die ARD hat zur Zusammenarbeit sehr gute Vorschläge unterbreitet, welche es gilt, umzusetzen und auch, dort wo möglich, gemeinsam mit dem ZDF zu denken und auf dieses auszudehnen. Auch der umfassende Einsatz von KI wird beispielsweise die Frage der Intensität des Personaleinsatzes, insbesondere bei Routinetätigkeiten in ein neues Licht rücken und Auswirkungen auf Aufwandsentwicklungen haben. Die Möglichkeiten der Automation und Algorithmisierung müssen wie in anderen Wirtschafts- und Verwaltungsbereichen vollumfänglich genutzt werden. Auch dies gilt es mitzudenken. Vor diesem Hintergrund wird gerade in den ersten Wochen des Jahres hart daran gearbeitet werden müssen, zu klären, wie die Vorschläge der Anstalten und die Überlegungen der Länder zu Kooperation und Zusammenarbeit sowie der Nutzung technischer Möglichkeiten, Eingang in den weiteren Prozess der Beitragsfestsetzung für die Zukunft finden werden. Im Februar 2024 will die Kommission ihren endgültigen Bericht vorlegen. Ich würde aber einen Schritt weiter gehen wollen, denn ich sehe eine neue Zeitrechnung angebrochen, um die von mir bereits 2018 engagiert geforderte Einführung eines Indexmodells mit Produktivitätskomponente neu zu beleben und zu diskutieren.
Auch der von der Rundfunkkommission eingesetzte Zukunftsrat wird im Januar seine Reformvorschläge für den öffentlich- rechtlichen Rundfunk „ab 2030“ vorlegen. Aufgabe der Länder wird es sein, diese Vorschläge mit den Überlegungen von Anstalten und Politik in Einklang zu bringen, um eine mittelfristige Reformperspektive hinreichend klar zu konkretisieren und diskussionsfähig zu machen und die Beitragsentwicklung einzubetten.
Malte Krückels, Medienstaatssekretär in Thüringen:
medienpolitik.net: Wo liegen für Ihre Landesregierung die medienpolitischen Schwerpunkte für 2024?
Krückels: Wie Sie es von mir gewohnt sind, beginne ich mit den Schwerpunkten in und für Thüringen, um dann ganz Deutschland und schließlich die internationalen – insbesondere die europäischen – Entwicklungen in den Blick zu nehmen.
Die Landesregierung möchte die 2020 erstmals aufgelegten Aktionspläne für Bürgermedien und Lokal-TV möglichst verstetigen. Diese Aktionspläne erlauben es, Mittel aus dem Landeshaushalt staatsfern über die Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) an die lokalen Medienakteure auszureichen. Auf diese Weise kann u.a. der journalistische Nachwuchs durch die Finanzierung von Volontärsstellen gefördert werden. Gleichzeitig leisten diese Volontäre eine journalistisch fundierte Lokalberichterstattung in und für Regionen, in denen sonst kein Lokalmedium ansässig ist. Ferner werden Medienkompetenzprojekte aller Art ermöglicht, um Menschen aller Altersgruppen einen besseren Umgang mit elektronischen Medien in quantitativer und qualitativer Hinsicht nahezubringen.
Ob 2024 das Jahr sein wird, in dem die DAB+-Verbreitung auch die Thüringer Bürgerradios erreicht, ist noch nicht absehbar. Das liegt zum einen daran, dass das künftige Haushaltsvolumen, das der Thüringer Landesmedienanstalt ab 2025 zur Verfügung stehen wird, unmittelbar davon abhängt, wie die Länder mit der KEF-Empfehlung zum Rundfunkbeitrag umgehen werden. Zum anderen bemisst sich der Handlungsspielraum der TLM auch danach, wie die bereits erwähnten Aktionspläne für Bürgermedien und Lokal-TV im Landeshaushalt 2024 verankert sein werden.
Die Ländergemeinschaft – und damit bin ich bei der deutschlandweiten Perspektive – wird sich erneut mehreren Medienänderungsstaatsverträgen widmen: Der Vierte Medienänderungsstaatsvertrag, der Regelungen zu Compliance und Transparenz beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk enthält, wird mit Erscheinen dieses Interviews bereits in Kraft getreten sein, nämlich zum 1. Januar 2024. Der fünfte Medienänderungsstaatsvertrag soll die Länderregelungen an den Digital Services Act der Europäischen Union anpassen und die Bestimmungen zur Regionalfensterverpflichtung in den reichweitenstärksten privaten TV-Programmen klarstellen. Mit dem sechsten Medienänderungsstaatsvertrag soll eine größere Novellierung des Jugendmedienschutzstaatsvertrages vorgenommen werden, um insbesondere den technischen Jugendmedienschutz zu verbessern. Darüber hinaus erwartet die Rundfunkkommission spätestens im Januar 2024 die Vorschläge des Zukunftsrates zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wohl alle Länder haben die Erwartung, dass konkrete Ideen vorgelegt werden, denen ein weiterer Medienänderungsstaatsvertrag Rechnung tragen wird. Schlussendlich gibt es noch die Empfehlung der KEF, den monatlichen Rundfunkbeitrag ab dem Jahr 2025 von 18,36 Euro um 58 Cent auf 18,94 Euro zu erhöhen. Auch dazu wird die Ländergemeinschaft eine gemeinsame Haltung finden müssen.
Wegen der 2024 anstehenden Europawahlen werden in diesem Jahr keine größeren neuen Gesetzgebungsaktivitäten auf europäischer Ebene erwartet. Vor diesem Hintergrund werden es der angedachte „Gigabit Infrastructure Act“ (GIA), der mögliche Gefahren für die Netzneutralität birgt, sowie der angedachte „Digital Networks Act“ (DNA), der die nationale Frequenzpolitik zu schwächen droht, 2024 wohl nicht mehr über die Ziellinie schaffen.
Der „European Media Freedom Act“ (EMFA), auf den ich an dieser Stelle bereits vor einem Jahr ausführlich eingegangen bin, wird hingegen aller Voraussicht nach verabschiedet werden. Dabei ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass im letzten Jahr viele Verbesserungen des EMFA-Entwurfs erzielt werden konnten. Noch bestehende Probleme hat der Bundesrat in seiner insgesamt fünften Stellungnahme zum geplanten EMFA am 24. November 2023 benannt.
Beim „Digital Services Act“ (DSA) sind wir zum jetzigen Zeitpunkt kaum weiter als vor einem Jahr. Der Bund hat hier den Beschluss zum Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) leider zeitlich verzögert, obwohl der DSA in seiner Gesamtheit am 17. Februar 2024 als unmittelbar geltendes europäisches Recht in Kraft treten wird. Das DDG ist als Bundesgesetz für die Länder unter anderem deshalb so wichtig, weil es den Landesmedienanstalten in Bezug auf den „Digital Services Coordinator“ (DSC) eine bedeutende Rolle zukommen lässt.
Nicht nur von europäischer, sondern weltweiter medienpolitischer Bedeutung ist die Weltfunkkonferenz WRC-23, die am 15. Dezember in Dubai zu Ende gegangen ist. Der Rundfunk wurde im Ergebnis gestärkt, da er allen Begehrlichkeiten zum Trotz einziger Primärnutzer des TV-UHF-Bandes bleibt. Bei der nationalen Umsetzung der WRC-23-Ergebnisse wird darauf zu achten sein, das terrestrische Fernsehen (DVB-T2) im Bereich 470-694 MHz und die Nutzungsmöglichkeiten dieses Frequenzbereichs für drahtlose Mikrofone vollständig zu erhalten. Durch den Wegfall des sog. Nebenkostenprivilegs zur Jahresmitte 2024 könnte das terrestrische Fernsehen noch einmal einen Aufschwung erleben, der nicht durch kurzsichtige frequenzpolitische Entscheidungen abgewürgt werden sollte.
„Wir sollten uns von der Vorstellung lösen, jährlich dreistellige Millionenbeträge für Sportrechte auszugeben, nur um dies mit dem durchaus wünschenswerten Ziel der gesellschaftlichen Integration zu begründen.“ Malte Krückels
medienpolitik.net: Die Länder arbeiten intensiv an einem weiteren Reformstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Welche Reformen müssten sich Ihrer Meinung nach unbedingt in einem solchen Medienänderungsstaatsvertrag wiederfinden?
Krückels: Zuallererst sollten wir dem Prinzip „die Finanzierung folgt dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ Rechnung tragen. Als Vertreter eines der Länder, die keine Vorfestlegung gegen eine Beitragserhöhung ausgesprochen haben, darf ich an Folgendes erinnern: Dem Entwurf des 24. KEF-Berichtes zufolge, müsste der Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio mit Wirkung ab Anfang 2025 in einem „Gegenwert“ von 268 Mio. Euro jährlich verringert werden, um eine Beitragserhöhung bis Ende 2028 zu vermeiden. Konkret erwarte ich von dem Reformstaatsvertrag, dass er die zaghaften Bemühungen der ARD um einen Ausbau des Federführungsprinzips aufgreift und dieses als Regelfall festschreibt. Insbesondere Themen, die keinen deutlichen regionalen Bezug haben, müssen in der Regel nicht unabhängig von mehreren Landesrundfunkanstalten bearbeitet werden. Zur Veranschaulichung nutze ich gern im Kontext der ARD-Berichterstattung zu Gesundheitsfragen das Beispiel der Zecke, der im Frühsommer verlässlich mehrere Landesrundfunkanstalten je eigene Beiträge gewidmet haben. Zecken sind regional jedoch nicht so „divers“, dass sich mehrere Landesrundfunkanstalten unabhängig voneinander um sie kümmern müssten. Dieses Beispiel soll aufzeigen, dass es noch genügend Doppel- und Mehrfachstrukturen gibt – insbesondere in der ARD, die reduziert werden könnten.
Auch durch eine Deckelung der Sportrechteetats – deutlich unterhalb des heutigen Niveaus – könnte schnell und beträchtlich gespart werden. Doch lassen ARD und ZDF aus meiner Sicht bei den Sportrechten bisher keine Bereitschaft zu substantiellem Änderungen erkennen. Ich halte daher die Überlegung durchaus für sinnvoll, hier mit dem Instrument „Staatsvertrag“ nachzuhelfen. Wir sollten uns von der Vorstellung lösen, jährlich dreistellige Millionenbeträge für Sportrechte auszugeben, nur um dies mit dem durchaus wünschenswerten Ziel der gesellschaftlichen Integration zu begründen. Schärfer formuliert: Trägt es wirklich wesentlich zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei, wenn Menschen verschiedener Generationen gemeinsam Fußballübertragungen bei ARD und ZDF ansehen, die auch in privaten Programmen laufen könnten?
Schon lange und punktuell sogar mit greifbaren Ergebnissen wird über das Niveau der Gehälter und der Altersversorgung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk diskutiert. Für besonders bedenkenswert halte ich die im Entwurf des neuen RBB-Staatsvertrages vorgesehenen Regelungen, wonach das Grund-Intendantengehalt ein Äquivalent des Grundgehaltes der Besoldungsgruppe B11 nach dem Senatorengesetz von Berlin nicht übersteigen darf und AT-Mitarbeiter lediglich die tarifliche Altersversorgung bekommen sollen – ihren AT-Status also nicht in den Ruhestand mitnehmen können. Bereits in Kraft getreten ist die Regelung im frisch novellierten Gesetz über den Saarländischen Rundfunk, wonach das Intendantengehalt und die Gehälter der AT-Mitarbeiter nicht höher sein sollen als das höchste Grundgehalt der Bundesbesoldungsordnung R – das ist die Besoldungsordnung des Bundes für Richter und Staatsanwälte. Diese Beispiele zeigen: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, um die Spitzenvergütungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf ein verträgliches und mit anderen herausgehobenen Tätigkeiten im öffentlichen Bereich vergleichbares Maß zu beschränken. Eine gemeinsame Haltung der Länder zu diesem Themenkomplex würde es erleichtern, entsprechende Regelungen vielleicht nicht in den Reformstaatsvertrag, aber doch in die Staatsverträge und Gesetze zu den einzelnen Rundfunkanstalten aufzunehmen. Ich darf daran erinnern, dass Thüringen diesen Ansatz einer Begrenzung bereits 2020 in die Erörterungen zur MDR-Staatsvertragsnovellierung eingebracht hatte. Thüringen und später auch Sachsen-Anhalt hatten sich schon damals für eine Deckelung, maximal in Höhe des Jahresgehaltes von Bundesverfassungsrichtern, für die Intendantinnen und Intendanten ausgesprochen.
Ein weiterer Punkt sind die Immobilien der Anstalten, die von der KEF im Entwurf ihres 24. Berichts besonders in den Blick genommen werden. Die KEF sieht auf diesem Feld erhebliche Potentiale zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit und erwartet, dass bestimmte Zielgrößen von den Anstalten ab sofort bei allen Neu- und größeren Umbauten eingehalten sowie bereits beschlossene Projekte ggf. nachträglich angepasst werden. Ich halte es für sinnvoll, die allgemeine staatsvertragliche Verpflichtung der Anstalten zu Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit hinsichtlich ihrer Immobilien zu konkretisieren und zu schärfen und Schlupflöcher zu schließen. Dabei dürfen die hohen Kosten, die aufgrund der Innenstadtlage mancher Anstalten entstehen, ebenso wenig ein Tabu sein, wie die Vorhaltung von Büroflächen, die aufgrund des Trends zum Homeoffice absehbar nicht mehr im vorhandenen Ausmaß benötigt werden.
Schließlich möchte ich noch einmal für die Erhöhung des Anteils der Landesmedienanstalten am Rundfunkbeitrag werben. Diese Forderung steht aufgrund unseres dualen Rundfunksystems zumindest in einem zumindest mittelbaren Zusammenhang mit den Reformüberlegungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Mir ist bewusst, dass Landesmedienanstalten, die weniger Aufgaben haben als diejenige in Thüringen, mit ihrem Anteil von 1,8989 Prozent auskommen bzw. sogar mit weniger auskommen müssen, wenn es im jeweiligen Land einen „Vorwegabzug“ gibt. Doch Landesmedienanstalten in kleinen Ländern mit entsprechend geringen Etats, die gesetzlich nicht nur dazu verpflichtet sind, Zulassung und Aufsicht zu betreiben, sondern auch relevante Bürgermedien in Stadt und Land zu ermöglichen sowie Medienbildung für alle Bevölkerungsgruppen anzubieten, sind derzeit strukturell unterfinanziert.
Damit sind nicht alle, aber doch ein paar wesentliche Wünsche und Erwartungen skizziert, die Thüringen mit dem Reformstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbindet.