„Den SWR zu mehr Sparsamkeit und Effizienz anhalten“

26. März 2025
Entwurf des novellierten SWR-Staatsvertrages soll im April unterschrieben werden

Nach zwölf Jahren soll der Südwestrundfunk (SWR) einen neuen Staatsvertrag erhalten. Der SWR ist die ARD-Anstalt für die Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Mit 3.600 festen Mitarbeitern und einem Budget von ca. 1,3 Milliarden Euro, davon etwa 1,1 Milliarden Euro aus den Rundfunkbeiträgen, ist der Sender das zweitgrößte Mitglied des Senderverbunds. Parallel zum Reformstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, haben beide Landesregierungen für die Zweiländeranstalt den Staatsvertragsentwurf vereinbart, zu dem auch eine Online-Anhörung stattfand. Im April wollen ihn die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und Alexander Schweitzer unterschreiben. Anschließend müssen beide Landtage darüber beraten und entscheiden.

Fragen an Rudi Hoogvliet (B90/Grüne), Medienstaatssekretär in Baden-Württemberg und Heike Raab (SPD), Medienstaatssekretärin in Rheinland-Pfalz und Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder

Rudi Hoogvliet, Medienstaatssekretär in Baden-Württemberg:

Medienpolitik.net: Im April wollen die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz den novellierten SWR-Staatsvertrag unterzeichnen. Wie verbindet er die Zukunftssicherung für den SWR mit einer größeren Wirtschaftlichkeit bei der Verwendung des Rundfunkbeitrages?

Hoogvliet: Ziel der Novelle des SWR-Staatsvertrags ist die Gewährleistung eines starken, leistungsfähigen SWR, der in der digitalisierten Medienwelt zukunftsfest aufgestellt ist. Hierfür sichert die Reform zum einen die hohe Qualität und Akzeptanz der Angebote des SWR durch eine inhaltliche Schärfung der Beauftragung und besondere Betonung der Regionalität und Landesidentitäten. Zum anderen legt die Reform in vielen Bereichen den Fokus auf mehr Effizienz, Flexibilität und Sparsamkeit. Doppelstrukturen, die noch aus der Fusion von SDR und SWF aus dem Jahr 1997 resultieren, werden überwunden und die starre Gliederung in Landessender aufgelöst. Die Anzahl der Hörfunkprogramme wird – analog zu den Plänen im aktuellen Entwurf des Reformstaatsvertrags – auf insgesamt sechs terrestrisch verbreitete Angebote (UKW und DAB+) reduziert. Der SWR erhält insgesamt mehr Flexibilität, um strukturell und im Programm auf neue Herausforderungen reagieren zu können. Zugleich wird der SWR in die Pflicht genommen, die Zusammenarbeit mit regionalen Produzentinnen und Produzenten zu intensivieren und Kooperationen mit privaten Medienunternehmen unter Wahrung der Anstaltsautonomie verstärkt in den Blick zu nehmen. Durch professionalisierte Aufsichtsgremien wird die Einhaltung der neuen Vorgaben abgesichert.

Medienpolitik.net: Wo finden sich im neuen SWR-Staatsvertrag bereits Festlegungen / Anforderungen aus dem Reformstaatsvertrag, der annähernd zeitgleich mit dem SWR-Staatsvertrag in Kraft tritt, wieder?

Hoogvliet: Die Novelle des SWR-Staatsvertrags wird von den aktuellen Plänen der Länder zu einem Reformstaatsvertrag begleitet. Teilweise verfolgen beide Reformen nebeneinander dieselben Grundgedanken, insbesondere bei der Hebung von Synergien sowie Reduzierung von Mehrfachstrukturen, der Modernisierung der Leitungsstrukturen und der Stärkung von Aufsicht und Kontrolle. In einigen Bereichen der SWR-Novelle werden auch konkrete Kompatibilitäten zwischen beiden Reformen hergestellt und Vorgaben aus dem aktuellen Entwurf des Reformstaatsvertrags bereits umgesetzt. So entspricht insbesondere die Reduzierung der terrestrisch verbreiteten Hörfunkangebote auf künftig sechs Programme der vorgesehenen Begrenzung im Hörfunkbereich im aktuellen Entwurf des Reformstaatsvertrags. Des Weiteren werden die Vorgaben aus dem aktuellen Entwurf des Reformstaatsvertrags zur Regulierung außertariflicher Vergütungen und deren künftiger Orientierung an den öffentlichen Sektor inhaltsgleich für den SWR übernommen. Auch ein Gebot zur verstärkten Kooperation mit Privaten ist – wie auch im aktuellen Entwurf des Reformstaatsvertrags – vorgesehen und für den SWR darüber hinaus als Soll-Vorgabe für die Berücksichtigung von Kooperationsmöglichkeiten mit privaten Medienunternehmen mit Sitz in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz ausgestaltet.

„Der SWR wird in die Pflicht genommen, die Zusammenarbeit mit regionalen Produzentinnen und Produzenten zu intensivieren und Kooperationen mit privaten Medienunternehmen unter Wahrung der Anstaltsautonomie verstärkt in den Blick zu nehmen.“ Rudi Hoogvliet

Medienpolitik.net: Zu den Forderungen der Medienpolitik der Länder gehört die stärkere Regionalisierung in der Arbeitsweise und den Angeboten der ARD-Anstalten. Wie wird das künftig beim SWR umgesetzt?

Hoogvliet: Die Darstellung von Regionalität und Landesidentitäten sind wichtige Garanten für die Akzeptanz der Angebote des SWR in der Bevölkerung im Südwesten. Dementsprechend setzt die Novelle des SWR-Staatsvertrags hier einen Schwerpunkt und legt die Verpflichtung des SWR zur regionalen Berichterstattung in besonderem Maße fest. Daneben wird eine 30-Prozent-Quote für audiovisuelle Neuproduktionen für den SWR im Programm und auf den eigenen Portalen festgelegt, die auf die Abbildung der Landesidentitäten entfallen soll. Damit wird sichergestellt, dass Regionalität und Landesidentitäten im Gesamtangebot des SWR eine ausreichende Berücksichtigung finden, dem SWR aber im Rahmen seiner Programmautonomie der Freiraum bleibt, die Umsetzung der Vorgabe flexibel über seine verschiedenen Angebote zu verteilen. Insbesondere wurde vor diesem Hintergrund von einer starren Quote für die landesspezifische Auseinanderschaltung des linearen Fernsehens im Hinblick auf die zunehmend digitalisierte Medienwelt Abstand genommen. Landes- und regionenspezifische Auseinanderschaltungen sollen neben den Landeshörfunkprogrammen (bislang SWR 1) auch in Programmen, die der Darstellung der Regionen dienen (bislang SWR 4), weiterhin zulässig sein. In den sonstigen Hörfunkprogrammen bleiben Auseinanderschaltungen in untergeordnetem Umfang, insbesondere bei Serviceinformationen, erlaubt. Der Stärkung der inhaltlichen Qualität der regionalen Angebote dient auch das Kooperationsgebot mit privaten Medienunternehmen mit Sitz in den beiden Ländern, da lokale Filmproduzierende oftmals einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Vielfalt und Identität der Region leisten können.

Heike Raab, Medienstaatssekretärin in Rheinland-Pfalz und Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder:

medienpolitik.net: Im April wollen die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz den novellierten SWR-Staatsvertrag unterzeichnen. Wie verbindet er die Zukunftssicherung für den SWR mit einer größeren Wirtschaftlichkeit bei der Verwendung des Rundfunkbeitrages?

Raab: Der SWR-Staatsvertrag wurde zuletzt 2013 erfolgreich reformiert. Mit der aktuellen Novelle bauen wir darauf auf und werden den SWR unter Berücksichtigung der gewandelten Anforderungen an ein modernes Medienhaus neu aufstellen. Dies gilt sowohl mit Blick auf die veränderte Mediennutzung als auch in technischer und administrativer Hinsicht. Das Ziel, den SWR zukunftsfest aufzustellen, ist bereits im Koalitionsvertrag der Regierungspartner in Rheinland-Pfalz enthalten. Vor diesem Hintergrund sind wir für die Novellierung des SWR-Staatsvertrages frühzeitig mit der Landesregierung Baden-Württembergs in Kontakt getreten und übereingekommen, den SWR-Staatsvertrag grundlegend zu novellieren, um Akzeptanz und Vertrauen in den SWR zu stärken. Mit dem gemeinsamen Ziel, einen starken und leistungsfähigen SWR in der digitalen Medienwelt zu gewährleisten, bei dem gleichzeitig auch Einspareffekte bei den finanziellen Bedarfen erzielt werden sollen, haben wir die nun vorliegende Novelle in enger Abstimmung mit Baden-Württemberg erarbeitet. Dies entspricht unserer langjährigen Zusammenarbeit und war zudem der Transparenz und Stringenz des Verfahrens dienlich. So haben wir beispielsweise eine gemeinsame öffentliche Anhörung über die Beteiligungsplattform des Landes Baden-Württemberg durchgeführt, um den Interessenvertretern sowie den Bürgerinnen und Bürgern eine einheitliche und transparente Möglichkeit der Partizipation zur Verfügung zur stellen. Die Finanzierung des SWR durch den Rundfunkbeitrag ist Garant für seine Unabhängigkeit bei der Konzeption und Gestaltung seiner Angebote. Gleichzeitig ist mit dieser gesellschaftlichen Finanzierung eine große Verantwortung bei der Verwendung der Mittel verbunden. Hier sind an den SWR höchste Sorgfaltsmaßstäbe anzulegen, auch um seine Akzeptanz in der Gesellschaft nicht zu gefährden. Mit der Novelle des SWR-Staatsvertrages wollen wir daher einerseits die Flexibilität für den SWR erhöhen, damit er zum Beispiel auf veränderte Nutzergewohnheiten leichter reagieren kann. Gleichzeitig geht es darum, unter Wahrung der Anstaltsautonomie den SWR zu mehr Sparsamkeit und Effizienz anzuhalten. In diesem Sinn haben wir Doppelstrukturen abgebaut und insbesondere die starre Gliederung der Landessender aufgegeben. Die zunehmende Dynamik in der Medienwelt erfordert auch im Hinblick auf die Organisationsstruktur des SWR eine höhere Flexibilität. Im Staatsvertrag zur Reform des gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ReformStV) haben sich die Länder auf eine Reduzierung der terrestrisch verbreiteten Hörfunkangebote verständigt. In diesem Sinne sehen wir im novellierten SWR-Staatsvertrag eine Reduzierung der über UKW und DAB+ verbreiteten Hörfunkangebote von acht auf bis zu sechs (jeweils ein Landeshörfunkprogramm und bis zu vier weiteren) vor. Wir lösen gleichzeitig die enge, staatsvertragliche Beauftragung einzelner Angebote durch einen offenen, an den grundsätzlichen Zielen des Auftrags des SWR ausgerichteten Rahmen, ab. Hierdurch können einerseits Mittel aus dem Rundfunkbeitrag eingespart werden, andererseits geben wir dem SWR die Möglichkeit, flexibel auf veränderte Mediennutzungen einzugehen. Mit den neuen Vorschriften zur Zusammenarbeit und Kooperation wird der SWR zudem dazu angehalten, die Zusammenarbeit mit anderen öffentlich-rechtlichen Sendern auszubauen. Dort, wo es insbesondere aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll ist, soll eine solche Zusammenarbeit die Regel werden. Zudem sollen unter Wahrung der Anstaltsautonomie Kooperationsmöglichkeiten mit privaten Medienunternehmen mit Sitz in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz in den Blick genommen werden. Dies ermöglicht dem SWR einerseits neue Möglichkeiten der Kooperation, um flexibel auf aktuelle Herausforderungen reagieren zu können. Gleichzeitig wirken sich Kooperationen auch positiv auf die wirtschaftliche Verwendung von Beitragsmitteln aus. 

„Mit der gesellschaftlichen Finanzierung ist eine große Verantwortung bei der Verwendung der Mittel verbunden.“  Heike Raab

medienpolitik.net: Wo finden sich im neuen SWR-Staatsvertrag bereits Festlegungen / Anforderungen aus dem Reformstaatsvertrag, der annähernd zeitgleich mit dem SWR-Staatsvertrag in Kraft tritt, wieder?

Raab: Neben den Anpassungen an den Dritten und Vierten Medienänderungsstaatsvertrag in den Bereichen Auftrag sowie Transparenz, Compliance, Gemeinschaftseinrichtungen und Beteiligungsunternehmen, Gremienaufsicht und Interessenkollision finden sich bereits einige der Festlegungen des Reformstaatsvertrags im SWR-Staatsvertrag wieder, um einen Gleichlauf der Anforderungen aus den Staatsverträgen sicherzustellen. Daher enthält der novellierte SWR-Staatsvertrag bereits die Festlegungen zur Reduzierung der terrestrisch verbreiteten Hörfunkangebote (siehe auch Frage 1). Auch die Vorgaben des Reformstaatsvertrages zu den Grundsätzen der außertariflichen Vergütung, die sich am öffentlichen Sektor zu orientieren haben, wurden bereits übernommen. Aufsetzend auf den Neuregelungen des Dritten Medienänderungsstaatsvertrages und im Gleichlauf zu den entsprechenden Vorgaben im Reformstaatsvertrag wird ein Direktorium als Element einer kollegialen Führung für den SWR implementiert. Dabei werden auch die Vorgaben des European Media Freedom Acts (EMFA) zum Verfahren der Berufung und Entlassung von Mitgliedern der Geschäftsführung umgesetzt, die im Reform-Staatsvertrag ihren Niederschlag für das ZDF und das Deutschlandradio gefunden haben. Daneben wurden die Anforderungen zur Zusammenarbeit und Kooperationen (siehe auch Frage 1) übernommen.

medienpolitik.net: Zu den Forderungen der Medienpolitik der Länder gehört die stärkere Regionalisierung in der Arbeitsweise und den Angeboten der ARD-Anstalten. Wie wird das künftig beim SWR umgesetzt?

Raab: Die regionale Verwurzelung und Prägung des SWR ist seine DNA. Sie zu stärken, ist im Hinblick auf die Reformbestrebungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt aber auch in Bezug auf die Akzeptanz bei den Betragszahlerinnen und Beitragszahlern ein wesentliches Ziel der Novelle. Daher erfährt die Darstellung der Regionen und der Landesidentitäten mit einer eigenen Vorschrift im novellierten SWR-StV eine Aufwertung als zentrales Ziel und Merkmal des SWR. Er ist damit in besonderem Maße der regionalen Berichterstattung verpflichtet. Neben einer angemessenen Auseinanderschaltung im Fernsehen sieht der SWR-Staatsvertrag zukünftig vor, dass im Gesamtangebot des SWR 30% der audiovisuellen Neuproduktionen auf die Abbildung der Landesidentitäten entfallen sollen. Auch die Möglichkeit der Auseinanderschaltungen in den Landeshörfunkprogrammen und in den Programmen, die der Darstellung der Regionen dienen (bislang SWR 1 und SWR 4), kommt in besonderem Maße der Erfüllung des regionalen Auftrages des SWR auch unter Berücksichtigung seiner Eigenschaft als Mehrländeranstalt zu Gute. Selbstverständlich haben wir bei der stärkeren Regionalisierung in der Abwägung der Anforderungen auch unsere vielfältige private Hörfunklandschaft und Presselandschaft nicht aus den Augen verloren: Daher ist es dem SWR in seiner Popwelle mit Ausnahme der Serviceinformationen (Wetter und Verkehr) nicht erlaubt, sein Programm zu regional auseinanderzuschalten. Die Einhaltung der Anforderungen an die stärkere Regionalisierung und Herausstellung der Landesidentität wird künftig durch die neu eingerichteten Landesprogrammausschüsse des Rundfunkrates überprüft. Sie setzen sich aus den aus dem jeweiligen Land entsandten Mitgliedern des Rundfunkrates zusammen. Die Landesprogrammausschüsse sind zuständig für die landesspezifisch auseinandergeschalteten Teile des gemeinsamen Fernsehprogramms und die regional- und landesspezifisch auseinandergeschalteten Teile der Hörfunkprogramme sowie für die audiovisuellen Neuproduktionen des SWR, die die Landesidentitäten abbilden.

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