Von Regina Deck und Bettina Pregel, Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM)
Null Informationsinteresse? Das ist ein Vorurteil gegenüber der Generation Z, das wissenschaftlich nicht zu belegen ist. Verändert haben sich aber die Informationsquellen und die Art und Weise der Rezeption. YouTube, Instagram, TikTok & Co. sind für die 14- bis 29-Jährigen mittlerweile die wichtigste Info- und Nachrichtenquelle. Die Nachrichtennutzung über Social Media bringt jedoch spezielle Anforderungen an die Informationskompetenz mit sich. Denn oft bleibt unklar, wer der eigentliche Absender der Information ist. Und die Abgrenzung von Information, Desinformation, Meinung und Werbung fällt vielen schwer. Rund 30 Prozent der 14- bis 29-Jährigen nennen in der Mediengewichtungsstudie der Medienanstalten 2022 I Soziale Medien als ihre wichtigste Quelle für Nachrichten und Informationen zum aktuellen Zeitgeschehen.
Mehr als doppelt so viele der Gen Z (64 %) nehmen pro Tag Nachrichten und Informationen über mindestens einen Social-Media-Dienst wahr. Als Social Media werden hier Soziale Netzwerke wie Instagram, Video-Sharing-Dienste wie YouTube und Instant Messenger wie Whats App zusammengefasst. Mit Blick auf die einzelnen Dienste liegen YouTube und Instagram mit einer informierenden Tagesreichweite von jeweils 29 Prozent vorne. An dritter Stelle folgt TikTok, dessen Inforeichweite sich binnen eines Jahres auf 14 Prozent verdoppelt hat. Platz 3 unter den informierenden Social Media-Diensten bei den 14- bis 29-Jährigen verdankt TikTok dabei der herausragenden Stellung bei den Jüngsten: Rund ein Drittel der 14- bis 19-Jährigen erreicht die Plattform mittlerweile täglich mit ihren Info-Angeboten.
„Die Algorithmen folgen einer Logik, die nicht auf Meinungsvielfalt und die Qualität des Diskurses ausgerichtet ist.“
Veränderter Meinungsbildungsprozess
Instagram, TikTok & Co. bieten aber nicht nur einen Touchpoint für Nachrichten und Informationen. Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, dass sich der Meinungsbildungsprozess tiefgreifend verändert hat. Klassische Medien sind zwar nach wie vor relevant, sie gewähren aber nicht mehr den alleinigen Zugang zur Öffentlichkeit. In sozialen Netzwerken werden die Nutzenden selbst zu „Gatekeepern“ und interagieren dort mit den Algorithmen kommerzieller Plattformen wie Meta oder Google. Die Algorithmen folgen jedoch einer anderen Logik, die nicht unbedingt auf Meinungsvielfalt und die Qualität des Diskurses ausgerichtet ist. Sie sollen die Menschen möglichst lange auf der Plattform halten und für hohe Klickzahlen sorgen. Das funktioniert am besten mit emotionalen bis extremen Inhalten. Aus Unternehmensperspektive ist das nachzuvollziehen. Der Meinungsbildungsprozess wird dadurch aber beeinflusst. Weil die Kommunikation in Sozialen Medien nicht mehr „one-to-many“, sondern „many-to-many“ stattfindet, ist die Durchschlagskraft mitunter gewaltig. Wer dort etwas postet, kann viele Menschen erreichen – mit guten, aber ebenso mit schlechten Botschaften. Die Internetkonzerne Google, Meta & Co. haben Hassrede und Desinformation zwar nicht erfunden, aber sie bieten ihnen eine Plattform.
„Die Abgrenzung von Information, Desinformation, Meinung und (politischer) Werbung stellt viele Social Media-Nutzer vor eine unlösbare Aufgabe.“
Journalistische Information ist nur ein Teil des Infoangebots
Aber nicht nur die Plattformökonomie nimmt Einfluss auf die Informationsnutzung über Social Media. Die Nutzenden treffen dort auf Angebote, deren Anzahl und Diversität nie größer war, denn die Publikationsbarrieren in Sozialen Medien sind gering. Wie sehr sich das Wettbewerberfeld der Informationsquellen auf Social Media geändert hat, wird mit Blick auf die Absender der genutzten Nachrichten und Informationen deutlich: Gut ein Drittel der 14- bis 29-Jährigen (35 %) nimmt laut aktueller Mediengewichtungsstudie an einem Durchschnittstag auf Social Media Informationen über das aktuelle Zeitgeschehen über einen Beitrag eines Bloggers oder Influencers wahr. Dass das Spektrum der Akteurinnen und Akteure weit ist und einige Accounts durchaus Einfluss auf die Meinungsbildung nehmen, zeigen die Ergebnisse der Studie Social Media Content Creators aus Sicht ihrer jungen Follower. Die Untersuchung wurde Ende letzten Jahres im Rahmen des „UseTheNews“-Projektes durchgeführt, an dem auch einige Landesmedienanstalten beteiligt sind.
Praktisch ebenso viele 14- bis 29-Jährige (33 %) kommen pro Tag mit den Informationsangeboten von TV-Sendern in Sozialen Medien in Kontakt. Studien zeigen, dass hier die „Tagesschau“ ganz oben rangiert. Mit etwas Abstand folgen auf Platz 3 Beiträge von privaten Nutzern und Nutzerinnen, über die im Durchschnitt pro Tag ca. 29 Prozent der 14- bis 29-Jährigen Informationen zum aktuellen Zeitgeschehen wahrnehmen.
Informationskompetenz vermitteln
Eine genauere Betrachtung der Top 3-Kategorien legt den Schluss nahe, dass die Unterscheidung zwischen Privatpersonen und Influencern einerseits, aber auch die zwischen Content Marketing und unabhängigem Journalismus andererseits bisweilen schwerfällt. Was für die Absender der Information gilt, gilt noch mehr für die Inhalte: Die Abgrenzung von Information, Desinformation, Meinung und (politischer) Werbung stellt viele Social Media-Nutzer vor eine unlösbare Aufgabe. Das bestätigt die Studienreihe Transparenz-Check der Medienanstalten. Gleichzeitig belegt sie die Relevanz einer klaren Kennzeichnung von Werbung und damit die Bedeutung der Werbeaufsicht durch die Medienanstalten, was die Einhaltung von Kennzeichnungspflichten betrifft.
Dies zeigt der kürzlich veröffentlichte Report zum Transparenz-Check zur kommerziellen Werbung. Der Report verdeutlicht auch, dass sich Menschen mit hohem Vertrauen in Medien und einem mindestens soliden Wissen über das Mediensystem bei der Einordnung der verschiedenen Inhalte grundsätzlich leichter tun. Auch deshalb sehen sich die Landesmedienanstalten in ihrer Aufgabe bestärkt, die Medien- und vor allem die Nachrichten- und Informationskompetenz der Nutzenden weiter zu stärken.
https://www.blm.de/infothek/publikationen/magazin_tendenz/tendenz-12023.cfm
Das BLM-Magazin „Tendenz“ analysiert den Generationenwandel aus verschiedenen Perspektiven. In der aktuelle Online-Ausgabe ist Wissenswertes über folgende Themen rund um die Generation Z zu erfahren: Welche Erwartungen die Gen Z prägen; wie sich ihre Informationsnutzung und Meinungsbildung verändert hat; was Marken für sie bedeuten; welche Folgen das „Always on“ für Körper und Psyche hat; was Erfahrungen mit digitaler Gewalt entgegengesetzt werden kann; was die Gen Z von der Arbeitswelt erwartet (New Work), welche Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in der bayerischen Medienbranche helfen und wie Skills für die Arbeitswelt der Zukunft mittels XR trainiert werden können.