Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net
Vom 23. bis 25. Oktober findet in Leipzig die nächste Konferenz der Regierungschefinnen und -chefs der Länder statt. Zur umfangreichen Agenda soll auch die Befassung mit dem Reformstaatsvertrag und einem neuen Finanzierungsstaatsvertrag gehören, der die KEF-Empfehlung zur Anhebung des Rundfunkbeitrages um 58 Cent auf 18,94 Euro ab 1. Januar 2025 enthält. Es ist in den vergangenen Tagen von vielen, unmittelbar Beteiligten, in Interviews, Statements und Stellungnahmen zu beiden Themen viel postuliert worden. Die unterschiedlichen Argumente für und gegen die Reformvorschläge, die Beitragserhöhung und eine Veränderung des Festsetzungsverfahrens liegen auf dem Tisch. Es ist alles gesagt. Nun müssen sechzehn Ministerpräsidenten entscheiden, ob und welche Reformen es beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk geben wird und ob dieses Votum mit einer Zustimmung über eine Aufstockung des Rundfunkbeitrages verknüpft werden soll.
Der Hamburger Senator für Kultur und Medien, Vorsitzender der SPD-Medienkommission, hatte am 12. Oktober dem 3Sat-Magazin „Kulturzeit“ gesagt: "Entweder kommen die Reformen und eine Entscheidung über den Beitrag oder es kommt gar nichts. Das müssen, glaube ich, alle Beteiligten klar im Blick haben." Damit hat er ein Junktim hergestellt, das so in der bisherigen Debatte um Reformen und Beitragserhöhung von keinem ins Spiel gebracht worden ist. Im Kern bedeutet es, dass alle medienpolitischen Bemühungen der letzten zwei Jahre für die Katz waren, denn Reiner Haseloff hat am 1. Oktober gegenüber der F.A.Z. erneut bekräftigt, dass er keine Beitragserhöhung zustimmen werde, weil ihn das Koalitionsabkommen seiner Landesregierung zu Beitragsstabilität verpflichtet und er im Landtag dafür keine Mehrheit sehe. „In aller Sachlichkeit, für eine Beitragserhöhung gibt es keine Mehrheit im Landtag von Sachsen-Anhalt. Und in anderen Ländern sieht es ähnlich aus“, sagte er.
Wenn Hamburgs 1. Bürgermeister Peter Tschentscher und Reiner Haseloff die bisher geäußerten widerstrebenden, Positionen beibehalten, dass Hamburg dem Reformstaatsvertrag nur dann zustimmen werde, wenn Sachsen-Anhalt der Beitragserhöhung zustimmt, wird es weder die Reformen noch einen Finanzierungsstaatsvertrag geben. Das Ergebnis würde alle freuen, die sowohl in der Politik als auch in den Anstalten, gegen wirksame Reformen sind. Die öffentlich-rechtlichen Sender könnten auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zugunsten der Beitragserhöhung hoffen und würden ansonsten mit den zehn Milliarden Euro jährlich weiter rumwirtschaften wie bisher. Sicher haben ARD und ZDF in den vergangenen Monaten sowohl im Bewegtbildbereich als auch beim Hörfunk Veränderungen und engere Kooperationen beschlossen, die Kosten senken können und - denke man an die digitalen Projekte - auch für die Nutzer einen Mehrwert bedeuten. Aufgeschreckt durch die Vorfälle beim RBB hat Tom Buhrow, in seinen letzten Tagen als ARD-Vorsitzender im November in Hamburg, die Notwendigkeit von Veränderungen vor allem bei der ARD angemahnt und konkret benannt. Im Januar 2023 hat die Rundfunkkommission in Deidesheim ein umfangreiches Konzept für eine – vorsichtige – Anpassung der Strukturen und des Auftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verabschiedet. Erst anschließend beschlossen ARD und ZDF sukzessiv einige Reförmchen. Jetzt, in den Stellungnahmen beider Anstalten zu behaupten, in den novellierten Staatsverträgen würde beschlossen, was man eh schon realisiere, ist blanker Hohn. Ohne politischen Druck, ohne gesetzlich geänderte Vorgaben, würde sich bei den beitragsfinanzierten Sendern kaum etwas ändern. Die ARD hat mit ihrer Selbstverpflichtungserklärung zum Verbot presseähnlicher öffentlich-rechtlicher Online-Angebote das erneut bewiesen. Diese Selbstverpflichtung bedeutet keine Beschränkung wie sie der Entwurf der Medienstaatsvertragsnovelle vorsieht und ist zudem weniger verpflichtend. Die von Carsten Brosda öffentlich geäußerte politische Erpressung bedeutet das Ende des Reformprozesses des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Den meisten Bundesländern ist klar, dass die Medienpolitik auf die abnehmende Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reagieren muss. Eine wichtige Säule sind neben der Qualität des Programms die Herstellungskosten und damit in enger Verbindung die Rundfunkbeiträge. Beiden Aspekten sollen die novellierten Staatsverträge gerecht werden, die weitergehen als es vor zwei Jahren zu erwarten war.
„Die von Carsten Brosda öffentlich geäußerte politische Erpressung bedeutet das Ende des Reformprozesses des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.“
Einige hatten dabei gehofft, dass diese Reformen Einfluss auf die aktuelle KEF-Empfehlung nehmen würden und man so eine Beitragserhöhung vermeiden könnte. Das hat sich als Illusion erwiesen. In ihrem jüngsten Gutachten hat die Beitragskommission mehr als deutlich gemacht, dass für die Bedarfsanmeldung und letztendlich die Berechnung der notwendigen Kosten, der gültige Auftrag bindend ist und nicht die Hoffnung auf irgendeine möglicherweise positive künftige Entwicklung.
Unmittelbar nachdem Ende September die Regierungschefinnen und -chefs der Länder, vier von fünf Reformsäulen öffentlich zur Diskussion gestellt hatten, nicht aber die fünfte Säule, die Rundfunkfinanzierung, haben sich sowohl Heike Raab, Koordinatorin der Rundfunkpolitik der Länder und Medienstaatssekretärin in Rheinland-Pfalz, als auch Conrad Clemens, Chef der Staatskanzlei Sachsen und medienpolitischer Koordinator der CDU/CSU-regierten Länder, optimistisch gezeigt, das Problem irgendwie zu lösen. Gegenüber der F.A.Z. sagte Heike Raab, man werde sich über die wenigen Punkte, bei denen man sich noch nicht geeinigt hat, verständigen und damit den Weg für die Vorunterrichtung der Parlamente freimachen, einschließlich des Finanzierungsstaatsvertrages. Und Conrad Clemens betonte, dass auf der Ministerpräsidentenkonferenz über die Finanzierung und den Beitrag ebenso diskutiert und entschieden werde, wie über die geplanten Reformen. Das Ziel bleibe, eine Einigung in allen offenen Fragen.
Im Dezember verschickt die KEF wieder ihre umfangreichen Fragenkataloge zum Bedarf an alle Anstalten. Diese werden ihre Anmeldung auf der Grundlage des aktuellen Auftrages erstellen und bis 30. April nächsten Jahres abschicken. Bis dahin wird der Reformstaatsvertrag noch nicht in Kraft sein. Das heißt, die finanziellen Forderungen werden nicht geringer sein als vor vier Jahren. Zudem muss die KEF Anfang 2026 keine neue Empfehlung aussprechen. Es ist zwar möglich, nach dem April 2025 durch eine Nachmeldung der Sender, die zeitlich auch befristet ist, den Bedarf auf Basis der dann gültigen Staatsverträge zu modifizieren. Doch ob das erfolgt ist mehr als fraglich.
Die Ministerpräsidenten stehen bei ihrer Tagung in Leipzig vor der wichtigen Entscheidung, mit ihrem Votum für die geplanten Reformen, die Akzeptanz in der Bevölkerung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verbessern oder durch eine Verknüpfung mit der Beitragserhöhung die Zustimmung zu diesem Medienangebot weiter zu verschlechtern. Mehr muss man dazu nicht sagen.