Interview mit Marco Maier, Geschäftsführer der FFH Mediengruppe
Der landesweite Radiosender RTL Luxemburg hat sein Angebot um drei personalisierte Webradio-Streams erweitert. Die neuen Webradios bieten das gewohnte Programm mit Nachrichten, Wetter, Verkehrsmeldungen, Reportagen und Interviews. RTL Luxemburg nutzt dazu die von der FFH Mediengruppe entwickelte Radio Creator-Technologie. In Echtzeit werden damit im Live-Programm Musiktitel ausgetauscht. So entstehen die personalisierten Streams, die sogenannten „Plus-Kanäle“. Der Radio Creator ist eine Cloud-Software, die es mit geringem Aufwand ermöglicht, sehr viele hochwertige Radioprogramme zu produzieren. Neben dem Replacer zum Austauschen von Musiktiteln gehören zum Radio Creator auch ein Playout-Modul mit automatischer Musikplanung, ein Radio-Empfehlungssystem und mit Radio Creator Speech können Radioprogramme mit KI-Stimmen erstellt werden. Die FFH Mediengruppe, die in Bad Vilbel, Hessen, ihren Sitz hat, erreicht jeden Tag über 3 Mio. Hörer (HIT RADIO FFH, planet radio, 80er-Radio harmony, FFH DIGITAL, Radio Creator). Fragen an den Geschäftsführer Marco Maier, welche Chancen das private Radio in der digitalen Medienwelt hat.
medienpolitik.net: Herr Maier, welches Programmangebot erwarten die Hörer / Nutzer von Ihren Radios der Mediengruppe?
Maier: Die FFH Mediengruppe ist ein Infotain-Betrieb. Neben einem abwechslungsreichen Musikangebot erwarten unsere Hörerinnen und Hörer in erster Linie kompetente Nachrichten aus Hessen, Deutschland und der Welt. Wichtig ist unseren Hörerinnen und Hörern – über die klassischen Nachrichten hinaus – vielfältige, bunte Information aus ihrer Region. „HIT RADIO FFH“ steht zudem für Nähe zum Hörer, für überraschende Programmaktionen und Gewinnspiele, für mehrfach preisgekrönte Comedy sowie für beliebte Moderatorinnen und Moderatoren. „planet radio“, das erfolgreichste junge Radioprogramm in Hessen, zielt auf das junge und junggebliebene Publikum und steht für Lifestyle, Entertainment und brandneue Musik. Unser „80er-Radio harmony“ ist ein Spartenprogramm, das sich um das musikalische Lieblingsjahrzehnt der Deutschen, die 80er kümmert.
medienpolitik.net: Welche Rolle spielen heute digitale Angebote, um Hörer zu erreichen und zu binden?
Maier: Die digitalen Technologien ermöglichen es uns, viel genauer auf die Bedürfnisse unserer Hörerinnen und Hörer einzugehen. Wir wollen erreichen, dass jeder, der unsere Angebote nutzt, zu jeder Zeit die für sich passende Musik und/oder Information findet: Den richtigen Channel - je nach Stimmung oder Bedürfnis. Wir personalisieren unsere Webseiten und Apps zum Beispiel mit regionalen Informationen – je nachdem, wo sich ein Hörer befindet. Darüber hinaus bieten wir viele Audioangebote, wie Nachrichten, Wetter- und Verkehrsinfos oder Beiträge „on Demand“ an. So kann jeder seine Infos dann abrufen, wenn er sie braucht. Und wir personalisieren unser Live-Radio-Programm. FFH verbreitet u.a. sechs verschiedene Streams mit unterschiedlichen regionalen Infos aus unseren sechs Regionalstudios in ganz Hessen. Mit der von der FFH Mediengruppe entwickelten Software „Radio Creator“ können wir sogar noch einen Schritt weitergehen: Wir personalisieren die Musik in unseren Live-Programmen. HIT RADIO FFH gibt es hier in fünf verschiedenen Varianten: „FFH+ 80er“ mit mehr Kult-Hits aus den 80ern, dazu „FFH+ Charts“, „FFH+ 90er“, „FFH+ Rock“ und „FFH+ Weihnachten“. Wir tauschen in Echtzeit Musiktitel aus und können so auch im Live-Radio Inhalte und Musik auf die Vorlieben unserer Hörerschaft anpassen. Für HIT RADIO FFH, planet radio und dem 80er-Radio harmony produzieren wir insgesamt 12 solcher Plus-Kanäle.
medienpolitik.net: Das private Radio muss in einem schwierigen Marktumfeld agieren. Es muss sich gegen öffentlich-rechtliche Radios und Plattformen mit Audio-Angeboten behaupten. Wie schafft die FFH Mediengruppe das?
Maier: Wir verwenden nur Technologien, die einen Mehrwert für unsere Hörerinnen und Hörer bieten oder den Workflow für unsere Redaktions-Teams vereinfachen. Unser Digital-Team hat mit dem „Radio Creator“ eine Software entwickelt, die die Produktion vieler hochwertiger Online-Radio-Programme stark vereinfacht. Die Algorithmen nehmen der Redaktion alle Standard-Aufgaben bei der Radio-Produktion ab, so dass sich das Team auf die Inhalte konzentrieren kann. Mit dem „Radio Creator“ produzieren wir für unser Haus über 80 verschiedene Internet-Radioprogramme und stellen die Software mittlerweile auch anderen Sendern im In- und Ausland zur Verfügung. KI-Stimmen ermöglichen es uns zudem, den Verkehrsservice in unseren Apps zu personalisieren. Auf Knopfdruck bekommt jeder nur die Verkehrsinfos, die für die eigene Strecke relevant sind. Und zwar auf Abruf, wenn man die Stauinfos braucht. Schließlich haben wir auch die Redaktion umgebaut. Seit diesem Jahr gibt es ein Digital Content-Team, das für alle Sender der FFH Mediengruppe zuständig ist. Wir haben dazu die Online- und Social Media-Redaktionen und die Video-Produktions-Teams zu einer Abteilung zusammengelegt. Durch Austausch und Schulungen konnte jeder seine Skills in digitaler Medienproduktion verbessern. Unser Output bei Videos, Shorts, Reels und TikToks ist stark gestiegen. Und damit unsere Multiplikation.
„Je bequemer, smarter und persönlicher ein Angebot ist, desto häufiger und länger wird es genutzt – das sehen wir in unseren Analyse-Daten.“
medienpolitik.net: Bedeutet „Vorsprung durch Technik“ auch Vorsprung bei den Hörerzahlen gegenüber der Konkurrenz?
Maier: Der Aufwand beim Personalisieren unserer Live-Programme zahlt sich aus. Unsere 12 Plus-Kanäle, in denen wir automatisch die Musik-Titel des Live-Programms austauschen, werden pro Quartal schon 2 Millionen Mal gehört. Und unsere Hörerinnen und Hörer bleiben länger dran – schalten also weniger um. Das sehen wir unter anderem in unserer umfangreichen Marktforschung und Marktbeobachtung. Das Digital-Team hat auch dafür eine Software entwickelt, mit der es möglich ist, aus dem Hörverhalten Rückschlüsse auf die Performance von Musik-Titeln und Wort-Beiträgen zu ziehen – wertvolle Informationen für unsere Redaktion, um unsere Produkte stetig zu verbessern.
medienpolitik.net: Wieviel investieren Sie in neue, digitale Angebote und entsprechende Software?
Maier: Eine Besonderheit der FFH Mediengruppe: Wir entwickeln vieles inhouse! Wir haben eine Reihe von Schlüssel-Technologien identifiziert, die für uns entscheidend sind: Zum Beispiel der Smartspeaker Alexa. Darüber laufen 30 Prozent unserer Online Radio-Sessions. Die Alexa-Skills entwickeln wir deshalb selbst. Aktuell forschen wir mit KI-Stimmen, um neue Anwendungen für unsere Hörerinnen und Hörer zu entwickeln. Eine KI-Task Force aus Nachrichten-Redaktion und Software-Entwicklern programmiert gerade die „AI-Tools“. Sie sollen der Redaktion beim Texten von Schlagzeilen, Tweets, Posts und beim Finden der passenden Beitrags-Bilder unterstützen. Alleine die Digital-Abteilung der FFH Mediengruppe verfügt über ein siebenköpfiges Team aus Software-Entwicklern und Grafikern.
medienpolitik.net: Sie werben auf Ihrer Online-Seite für Ihre App, als der „besten und umfangreichsten Radio-App“. Was macht diese App so besonders?
Maier: Unsere Apps von „HIT RADIO FFH“, „planet radio“ und unserem „80er-Radio harmony“ sind inzwischen sehr umfangreich – bei FFH so sehr, dass wir die App gerade in einzelne Content-Bereiche unterteilen mussten: Der klassische Infobereich mit Nachrichten, Service und Regional-Infos, die große Musikwelt mit über 80 Kanälen, der neue Podcast-Bereich mit einem komfortablen Podcast-Player und die Mediathek mit unseren Videos. Für die über 80 Webradios haben wir das erste Radio-Empfehlungssystem entwickelt, das jedem zum eigenen Musik-Geschmack passende Kanäle empfiehlt. Dazu gibt es mehrere interaktive Radio-Kanäle, bei denen unsere Hörerinnen und Hörer live über die Musik-Auswahl abstimmen können – zum Beispiel etwa „FFH TOP 40“, „FFH TOP 1000“ oder im Voting-Kanal „FFH LEIDER GEIL“. Auf den eigenen Radio-Player haben wir besonders großen Wert gelegt – zu jedem Künstler, der zu hören ist, zeigen wir eine Diashow mit Bildern, die bei Studio-Besuchen oder Live-Konzerten entstanden sind. Wir haben einen umfangreichen On Demand-Bereich in dem es nicht nur beliebte Podcasts gibt, sondern auch viele Programm-Beiträge und Regional-Sendungen auf Abruf. Sehr beliebt in der App ist alles, an dem sich unsere Hörerinnen und Hörer aktiv beteiligen können. Sie schicken uns Augenzeugen-Fotos und Videos von Ereignissen aus ihrem Umfeld, sie stimmen über Musiktitel ab oder melden Blitzer. Wir bedanken uns für die Mitarbeit indem man bei all diesen Aktivitäten Punkte sammelt – sogar fürs Radiohören über Alexa gibt es Punkte mit denen man jeden Monat wertvolle Preise gewinnen kann. Wir sehen, dass dieser Gamification-Ansatz in unseren Radio-Apps sehr gut funktioniert.
„Wir glauben, dass das Angebot für unsere Hörerinnen und Hörer auch weiterhin diverser und personalisierter werden muss.“
medienpolitik.net: Wie ist die Nutzung? Wie zahlt sich die Investition in dieses Angebot aus?
Maier: Je bequemer, smarter und persönlicher ein Angebot ist, desto häufiger und länger wird es genutzt – das sehen wir in unseren Analyse-Daten. Über 50 Prozent unserer Inhalte werden über die Apps abgerufen. Über 40 Prozent unserer Online-Streams werden direkt in unserem Ökosystem (App, Webseite, Alexa-Skill) gehört. Das sind traumhafte Werte in der Branche.
medienpolitik.net: Welche Rolle spielen künftig personalisierte Webradios für private Anbieter?
Maier: Für unsere drei Radioprogramme spielen personalisierte Webradios schon jetzt eine enorm wichtige Rolle. Empfehlungs-Funktionen und personalisierte Angebote kennt jeder von Online-Shops oder Streaming-Diensten. Das erwarten unsere d User auch vom Radio: Schnell das entdecken, was man gerade braucht und möchte. Wir versuchen dafür Technologie mit dem zusammenzubringen, was Radio ausmacht. Radio ist emotional und regional – das sind unsere großen Stärken. Unsere Hörerinnen und Hörer beginnen ihre Tagesroutine mit dem Morningshow-Team. Sie wissen, dass das Herz von FFH-Moderator Daniel Fischer für Eintracht Frankfurt schlägt und teilen die Herausforderungen bei der Kindererziehung mit FFH-Moderatorin Evren Gezer. Es gibt eine große emotionale Bindung zu den Lieblings-Moderatoren. Dazu kommt die aktuelle, regionale Berichterstattung durch unsere Reporterinnen und Reporter. Wer mit HIT RADIO FFH durch den Tag geht, weiß was in Kassel, Marburg oder Darmstadt gerade passiert und wichtig ist. Jetzt können wir zusätzlich aus einem Live-Radio-Programm mehrere Streams erzeugen, in denen die beliebten Inhalte enthalten sind, aber die musikalische Ausrichtung sich an den Musikgeschmack der Hörer anpasst – also schon jetzt sehr personalisierte Webradios.
medienpolitik.net: Die FFH-Gruppe hat mit dem „Radio Creator“ eine Cloud-Software entwickelt, die jetzt auch von RTL-Radio Luxemburg genutzt wird. Was sind die Vorzüge dieser Software?
Maier: Ausgangspunkt war die Überlegung, ob es uns mit einer Software gelingt, ein paar Musiktitel in jeder Stunde im Live-Programm auszutauschen. Denn schon dann bekommt das Programm einen anderen musikalischen Charakter: wirkt jünger oder älter, rockiger oder poppiger und man erreicht weitere Zielgruppen. Inzwischen gelingt es uns, fast alle Musiktitel zu tauschen und zusätzlich auch die Inhalte. Nach vielen Nachfragen von anderen Radiostationen haben wir uns im vergangenen Jahr entschlossen, daraus einen Cloud-Service zu machen. Damit war der „Radio Creator“ geboren. Der Aufwand ein wertiges Wortprogramm zu produzieren, ist für Radiostationen sehr hoch. Der Simulcast ist das Premium-Produkt. Er bindet die meisten Ressourcen. Und es ist nicht wirtschaftlich, mehrere solcher Programme mit unterschiedlichen Playlisten zu produzieren. Hier kommt der „Radio Creator“ ins Spiel. Ohne Mehraufwand für das Team, erstellt die Software vollautomatisch aus einem Simulcast viele Ableger mit gleichem Inhalt aber unterschiedlicher Musik. RTL in Luxemburg sendet zum Beispiel ein Programm mit vielen Nachrichten, Reports und Interviews. Mit dem „Radio Creator“ können sie nun ganz einfach zusätzlich drei Plus-Kanäle streamen: RTL +80er, RTL +90er und RTL +Rock. Gérard Floener, der Digital-Chef von RTL Luxemburg bringt die Vorzüge des Radio Creators auf den Punkt: „Es ist so einfach, dass man sich als Radiomacher keine Fragen stellen muss, was da im Hintergrund abläuft. Es funktioniert einfach.“ Inzwischen haben wir den Radio Creator um weitere Module ergänzt, die uns die Radio-Produktion erheblich erleichtern. Unser Digital-Team hat sich den Workflow, von der Auswahl eines Titels bis zum Ausspielen im Webradio, angesehen. Daraus ist das „Radio Creator Playout Modul“ entstanden. Algorithmen entlasten die Musikredaktion von allen Standard-Aufgaben. Die Redakteure können sich ganz auf das Kuratieren der Musik konzentrieren. Alles andere - zum Beispiel die Musikplanung und das Platzieren von Jingles und Droppern - übernimmt der „Radio Creator“. Aktuell arbeiten wir an „Radio Creator Speech“. KI-Stimmen werden in naher Zukunft in der Radio Produktion eine wichtige Rolle spielen.
medienpolitik.net: Es gibt bei den Radioangeboten die Tendenz stärker zu diversifizieren. Auch die FFH-Gruppe betreibt drei Radioangebote. Bedeutet das personifizierte Radio das Ende der Diversifizierung oder wird es die weitere Ausdifferenzierung eher verstärken?
Maier: Wir haben uns bei der FFH Mediengruppe in den vergangenen Jahren dazu entschieden, das Portfolio für unsere Hörerinnen und Hörer vor allem innerhalb unserer bestehenden Markenwelt zu erweitern. Unsere drei Marken sind – zumindest in Hessen – „Love-Brands“ mit hoher Bekanntheit und Popularität. Dies nutzen wir, um rund um unsere Radioangebote weitere personalisierte Streams anzubieten. Das bindet die Hörerschaft weiter an unsere Marken, die aufeinander abgestimmt eine sehr breite Zielgruppe ansprechen. Wir glauben, dass das Angebot für unsere Hörerinnen und Hörer auch weiterhin diverser und personalisierter werden muss. Aber bei aller Freude über die Möglichkeiten dieser individuellen Produktdiversifizierung möchte ich festhalten: Auch die Zugkraft unserer uniformen klassischen Live-Programme ist unverändert hoch.
medienpolitik.net: Hat sich mit diesen Angeboten auch die Debatte über DAB versus UKW perspektivisch erledigt?
Maier: Langfristig ja! Wir erwarten, dass spätestens Mitte der 30er Jahre Online Audio der Hauptverbreitungsweg von Radio und Audio in jeglicher Form sein wird. Mindestens bis dahin brauchen wir aber UKW und DAB+, um die Reichweiten und damit die Angebotsvielfalt in allen Regionen hoch zu halten. Ich vermute, dass beide terrestrische Ausstrahlungswege, UKW und DAB+, in 12 bis 15 Jahren das Hören via IP nur noch ergänzen und in der Folge weitgehend ausgedient haben.