Kultur-, Kreativ- und Medienbranche fordert von EU, bei Generativer Künstlicher Intelligenz die Interessen der Urheber zu schützen.
Organisationen aus allen Bereichen der Kultur-, Kreativ- und Medienbranche bitten und ermahnen die neu gewählte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, in der Europäischen Union klare Leitplanken für Generative Künstliche Intelligenz zu schaffen. Ein wesentliches Ziel Europäischer Politik müsse darin bestehen, die enorme Vielfalt und Wirtschaftskraft der europäischen Kultur-, Kreativ- und Medienwirtschaft zu erhalten – und diesem Wirtschaftszweig Impulse für weitere Innovation und Wachstum geben, statt durch die unkontrollierte Preisgabe urheberrechtlich geschützter Werke seinen Niedergang einzuleiten, betont das Schreiben. Die Verbände, Gewerkschaften und Verwertungsgesellschaften fordern bei der Nutzung der wertvollen Inhalte ihres Wirtschaftszweiges durch KI-Anbieter sachgerechtes Transparenz und Lizenzierung sowie eine bessere Beteiligung an den Prozessen in Brüssel.
Aus dem Schreiben der Kultur- Kreativ- und Medienwirtschaft:
"Der Beginn der Legislaturperiode gibt der EU-Kommission die Chance, mit den richtigen Vorhaben im neuen Arbeitsprogramm der Kommission wesentliche Weichenstellungen für unsere Zukunft vorzunehmen. Mit einer sachgerechten Regulierung, insbesondere im Bereich Künstliche Intelligenz, können Sie die enorme Vielfalt und Wirtschaftskraft der europäischen Kultur-, Kreativ- und Medienwirtschaft erhalten und diesem Wirtschaftszweig Impulse für weitere Innovation und Wachstum geben. KI, und insbesondere Generative KI, bietet viele Chancen und Möglichkeiten. Aber wir bitten Sie, sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass eine Nutzung der wertvollen Inhalte unseres Wirtschaftszweiges durch KI-Anbieter nur mit sachgerechter Transparenz und gegen Lizenzen erfolgt.
Unsere Branchen tragen essenziell zur Entwicklung und wirtschaftlichen Attraktivität von generativen KI-Systemen bei. Diese Systeme nutzen ungehemmt hochwertige, von Menschen erschaffene Inhalte für ihr Training und weitere Zwecke, was zu ernsthaften Wettbewerbsproblemen führt. Bereits jetzt können KI-Systeme auf Basis professioneller Medieninhalte und kultureller Werke in Sekundenschnelle und ohne nennenswerte Kosten Konkurrenzprodukte erstellen, die allerdings ohne eine vorherige Ausbeutung der Leistungen unserer Branchen gar nicht denkbar wären. Diese Entwicklung gefährdet die Wirtschaftlichkeit echter, weil von Menschen verantworteter Kreativ- und Medienangebote, aber auch die freie öffentliche Meinungsbildung und den demokratischen Diskurs. Diese Ausbeutung europäischer Vielfalt und Werte wollten die EU-Kommission und das Parlament sicher weder mit der EU-Copyright-Richtlinie noch mit dem AI Act zulassen. Die Gefahr wird zusätzlich durch die Marktmacht außereuropäischer digitaler Torwächter verstärkt.
Generative KI kann in Echtzeit Zusammenfassungen von Presse und Rundfunkinhalten erstellen, Presseartikel, Fiktion und Sachliteratur produzieren, Drehbücher entwerfen, Bilder generieren, Filme herstellen, Songs komponieren, Designs entwerfen, Stimmen imitieren und vieles mehr. Wenn solche Angebote in Plattformdienste integriert werden, entstehen nicht nur Probleme bei der Überprüfbarkeit der Echtheit und Authentizität durch ausbleibende Nachfrage bei den originären Anbietern. Es entsteht vor allem auch ein erhebliches Wettbewerbsproblem, das die gesamte Kultur-, Kreativ- und Medienwirtschaft bedroht. Damit sind auf längere Sicht auch die Pluralität und Verlässlichkeit journalistischer und anderer Medienangebote in Gefahr.
Die mächtige Technologie KI muss daher auf einem verantwortungsvollen Umgang mit unseren Lizenz- und Persönlichkeitsrechten basieren. Derzeit können Technologieunternehmen sich durch bestehende Rechtslücken und Rechtsunsicherheit einen immensen Wettbewerbsvorteil verschaffen und große Teile unserer Wertschöpfung ohne Gegenleistung für sich vereinnahmen. Jegliche Verantwortung für die von ihnen geschaffenen gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Risiken lehnt die KI-Industrie bisher ab. Im Sinne eines fairen Wettbewerbs und eines verantwortungsbewussten Umgangs mit unbegrenzten technischen Möglichkeiten muss dieses Ungleichgewicht aufgelöst werden.
„Für die Nutzung kreativer Inhalte muss angemessen und marktgerecht gezahlt werden.“
Wir fordern daher:
1. Rechteinhaber müssen frei und rechtssicher über die Verwendung ihrer Inhalte entscheiden können. Geschützte Inhalte dürfen nur mit vorheriger Zustimmung der Rechteinhaber genutzt werden. Es muss sichergestellt werden, dass die hierzu von der EU vorgesehenen Maßnahmen nicht zu Nachteilen für die Rechteinhaber führen. Als Mindestmaßnahme fordern wir die Herstellung von Rechtssicherheit und Effizienz bei dem derzeit geltenden, aber noch weitgehend ungeregelten Opt-Out-Verfahren. Dieses Verfahren muss konkretisiert und zu einem effektiven Werkzeug umgestaltet werden. Die Kultur-, Kreativ- und Medienbranche muss an den gerade stattfindenden Prozessen in Brüssel zur Ausgestaltung des AI Acts beteiligt werden. Dies gilt auch für die vom AI Office umzusetzenden Verfahren und Tools zur Einhaltung der Transparenzpflichten. Bislang fehlt die Kultur-, Medien- und Kreativwirtschaft in der vom AI Office benannten Liste der Stakeholder. Dies muss korrigiert werden. Die im AI Act vorgesehenen Transparenzpflichten für Anbieter von KI-Anwendungen mit allgemeinem Verwendungszweck sind so auszugestalten, dass ein ausreichendes Maß an Transparenz gewährleistet ist, damit Rechteinhaber ihre Rechte auch geltend machen und durchsetzen können.
2.Für die Nutzung kreativer Inhalte muss angemessen und marktgerecht gezahlt werden. Wie überall in der Wirtschaftswelt (ob bei Strom, Telekommunikation, Waren, Dienstleistungen) muss auch für kreative Inhalte gelten: Wer nutzt, muss dafür eine Vergütung zahlen. Die EU muss dafür sorgen, dass KI-Anbieter kreative Leistungen nur gegen Lizenz bzw. mit Zustimmung der betroffenen Kultur-, Kreativ- und Medienschaffenden nutzen.
3. Effektive Regulierung von außereuropäischen KI-Anwendungen durch EU-Recht Mit der Verabschiedung des AI Acts hat die EU erste Rahmenbedingungen geschaffen. Nun muss es darum gehen, dass diese europäische Regulierung nicht faktisch leerläuft. In der EU angebotene KI-Anwendungen müssen dem EU-Recht unterliegen, auch wenn die Anbieter ihren Sitz nicht in der EU haben. Die vergangenen Dekaden sowie die von der EU-Kommission eingeleiteten Verfahren gegen die Plattformgiganten zeigen: Die digitalen Gatekeeper können den europäischen Markt ausbeuten, die Marktbedingungen in der digitalen Welt beeinträchtigen europäische Unternehmen bis hin zu Soloselbständigen, während die außereuropäischen Gatekeeper unvermindert wachsen. Im Gegensatz zu den Akteuren der Kultur-, Kreativ- und Medienwirtschaft leisten die Gatekeeper keine angemessenen Beiträge für die europäische Volkswirtschaft. Diese Situation ist aufgrund ungenügender Regulierung digitaler Märkte in den Anfangsjahren des Internets entstanden. Die EU-Kommission hat jetzt die Chance, zu verhindern, dass sich dieser Fehler bei der Gestaltung der Märkte und Regulierung im KI-Zeitalter wiederholt. Wir bitten Sie eindringlich, sich dafür einzusetzen, dass die Rechte der Kultur-, Kreativ- und Medienschaffenden in Europa gewahrt bleiben und so Europa weiterhin ein Kontinent kreativer und medialer Vielfalt bleibt."
Die Organisationen vertreten Urheber und ausübende Künstler, Produzenten, Musikunternehmen, Verleger und Verwerter aus den Branchen Musik, Buch, Kunst, Fotografie, Presse und Journalismus, audio- und audiovisuelle Medien, Architektur, Design, Bühne etc. – und damit viele Millionen Freiberufler, Angestellte sowie zehntausende von Unternehmen. Zusammengenommen und mit Blick auf die Wertschöpfung stellt die Kultur-, Kreativ- und Medienbranche den zweitstärksten Wirtschaftszweig in Deutschland.