Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net
Die Intendanten der ARD haben vergangene Woche getagt. Es ging, laut Pressemeldung, vor allem um Reformen im Senderverbund. So soll eine Tech-Unit - also eine Organisationseinheit für den technischen Bereich - entstehen. Diese „Unit“ soll den föderalen Grundsatz berücksichtigen, erhalte als „zentrale Organisationseinheit ein klares Entscheidungsmandat für standardisierte technische Lösungen“, so die ARD. Die zentrale Einheit soll die Steuerung in Technik, Produktion und Entwicklung übernehmen und eine Zusammenarbeit mit dem Deutschlandradio und dem ZDF „etwa beim Betrieb von gemeinsamen Plattformen“ erleichtern. ZDF-Intendant Norbert Himmler hatte im einem F.A.Z.-Interview das Fehlen eines solchen Ansprechpartners bei der ARD beklagt.
Diese zentrale Einheit kann ein großer Fortschritt im Vergleich zu den bisherigen anstaltsinternen Lösungen sein und auch helfen, Geld und Kapazitäten effektiver einsetzen. Ob damit auch die gemeinsame Gesellschaft von ARD, ZDF und Deutschlandradio für eine einheitliche technische Plattform kommt, ist allerdings weiterhin offen. Eine solche Gesellschaft wird von den Ländern favorisiert und gehörte auch zu den Empfehlungen des Zukunftsrates: „Um die Digitalisierung rasch und erfolgreich voranzutreiben und die notwendige technische Infrastruktur zu vernünftigen Kosten zu sichern, ist es unerlässlich, Größeneffekte zu nutzen. ARD, ZDF und Deutschlandradio gründen zu diesem Zweck eine gemeinsame, rechtlich verselbstständigte Gesellschaft für die Entwicklung und den Betrieb einer gemeinsamen technologischen Plattform, die alle Technologien für digitale Plattformen und Streaming vereinheitlicht und gemeinsam betreibt. Inhaltlich bleiben die drei Partner der technischen Plattform autonom.“
Allerdings haben anscheinend sowohl die ARD als auch das ZDF Vorbehalte gegenüber einer solchen Gemeinschaftseinrichtung. Wenn der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke, laut Pressemeldung, davon spricht, dass die ARD mit der Einrichtung dieser Einheit eine Anregung des Zukunftsrats aufgreife, übertreibt er allerdings. Zum einen hat der Zukunftsrat sehr detailliert das Modell einer neuen ARD-Struktur beschrieben, das deutlich weiter geht, als eine technische Unit und zum anderen ist in dem 34-seitigen Bericht, an mehreren Stellen von einer gemeinsamen Gesellschaft die Rede. Und genau die hat der ARD-Vorsitzende anscheinend nicht im Blick. Damit ist man weiterhin von der Umsetzung der vernünftigen Empfehlungen des achtköpfigen Rates Lichtjahre entfernt. Die ARD-Intendanten haben sich auch mit den Kompetenzzentren und der Hörfunkkooperation befasst. Auch das sind gute Ideen, um das Programm effektiver zu produzieren. Während die Pool-Lösungen des Hörfunks für alle Anstalten verbindlich sind, die gemeinsamen Senderzeiten feststehen, ist die Nutzung der Angebote der Kompetenzcenter ein Vorschlag: „Die zentralen Angebote der Kompetenzcenter können von allen ARD Medienhäusern genutzt werden, um auf eigene Produktionen zu verzichten und aufkommensneutral in Angebote für jüngere Zielgruppen umzuschichten“, teilt der Senderverbund mit.
Und damit sind wir bei einem Kernproblem der ARD-Beschlüsse: Die Reformen kommen zu spät, sie sind nicht tiefgreifend genug und sie lassen sich nicht finanziell beziffern. Der Chef der Staatskanzlei von Sachsen-Anhalt und Minister, Rainer Robra, hatte während der Mitteldeutschen Medientage in einem Gespräch geschildert, wie die Länder die öffentlich-rechtlichen Sender „nahezu auf Knien angefleht“ hätten, endlich Reformen einzuleiten, die beitragsrelevant und auch in Euro und Cent zu benennen seien. Wie es aussieht erfolglos. Nach wie vor gibt es von der ARD keine genauen Zahlen, welche wirtschaftlichen Effekte, Kompetenzzentren, Hörfunkkooperationen, Tech-Unit bewirken können.
„Die Reformen kommen zu spät, sie sind nicht tiefgreifend genug und sie lassen sich nicht finanziell beziffern.“
Die Vorsitzende der Rundfunkkommission Malu Dreyer hat bei der Entgegennahme der KEF-Empfehlung im Februar einen größeren Reformeifer der Anstalten angemahnt. Wie Heike Raab in einem F.A.Z. – Interview am 27. Februar dieses Jahres sagte, habe die Rundfunkkommission die Erwartung, dass sie konkrete Vorstellungen der Sender „im späten Frühjahr“ erhalte. Wikipedia bezieht sich bei diesem Zeitpunkt auf die Meteorologie, die die Endphase des Frühlings auf die Zeit von Ende April bis Ende Mai verortet. Also hätten ARD, ZDF und Deutschlandradio noch vier Wochen Zeit. Zudem will die KEF die 19 Fragen an die Sender für das Sondergutachten bis Anfang Mai beantwortet haben.
Es wäre eine positive Überraschung in der Debatte um den Rundfunkbeitrag, wenn die Anstalten ihre Veränderungen, die unabhängig von der Veränderung des Auftrages vorgenommen werden können, in einer gemeinsamen Presseerklärung Ende Mai endlich so beziffern, dass sie abrechenbar und kontrollierbar sind. Dass es durchaus auch in der ARD anders geht, zeigt der MDR. Der Intendant Ralf Ludwig, hat den Mitarbeitern ein Sparprogramm vorgelegt, das ohne das übliche Lamento, dass durch Einsparungen der Programmauftrag gefährdet sei, Sendungen und Maßnahmen nannte, um in den nächsten vier Jahren die Kosten um mindestens 160 Millionen Euro zu reduzieren. Sonst wäre, so Insider, der Sender handlungsunfähig geworden.
Doch weder das Sondergutachten der KEF noch die Auftragsveränderungen im Reformstaatsvertrag, dem die Regierungschefinnen und -chefs im Oktober zustimmen sollen, bieten nach jetzigem Stand die Gewähr, dass die Kosten für die Erfüllung des Auftrages ab 2027 gesenkt werden können. Dennoch scheint klar, dass es zu keiner Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2025 kommen werde, wie Oliver Schenk, Chef der Staatskanzlei und Medienminister Sachsens am 17. April in Leipzig sagte. Die Länder hoffen weiter auf ein nächstes KEF-Verfahren für die Zeit ab 2027.
Viele Verfassungsrechtler werten das Verhalten der Länder, die KEF-Empfehlung nicht sofort in einem Staatsvertrag umzusetzen, als Verstoß gegen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, unter anderem die vom 21. Juli 2021. Doch darüber lässt sich streiten. So heißt es im 1. Leitsatz dieses Urteils: „Aufgrund der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG besteht eine staatliche Handlungspflicht in Bezug auf die Gewährleistung der funktionsgerechten Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, mit der ein grundrechtlicher Finanzierungsanspruch korrespondiert. Ein Unterlassen der Erfüllung dieser Pflicht kann von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Verfahren der Verfassungsbeschwerde gerügt werden.“
Die Länder gehen davon aus, sich in der dritten Stufe des Beitragsverfahrens zu befinden. Wie lange diese dauern soll und wie schnell ein neuer Finanzierungsstaatsvertrag vorgelegt werden muss, ist nicht bestimmt. Zudem hat das Gericht im selben Urteil festgelegt, dass der bisherige Beitrag in Höhe von 18,36 Euro so lange Bestand hat, bis ein neuer Staatsvertrag beschlossen worden ist. Entscheidend ist, diese Aussage durchzieht die Rechtsprechung der Karlsruher Richter, dass die Rundfunkanstalten „funktionsgerecht“ finanziert werden, um ihren verfassungsgemäßen Auftrag zu erfüllen. Das kann gewährleistet werden, auch ohne Beitragserhöhung ab 2025. Der 24. KEF-Bericht stellt fest: „Die von der Kommission empfohlene Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 0,58 Euro auf 18,94 Euro für die Jahre 2025 bis 2028 gleicht den verbleibenden festgestellten ungedeckten Finanzbedarf von 1,1 Mrd. Euro aus.“ Da in den Sendern eine Rücklage in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro existiert, würden die Anstalten die notwendigen Einnahmen zur Verfügung haben, wenn die Beitragskommission die Sonderrücklage III freigibt.
Es ist zweifelsohne eine schwierige politische und rechtliche Situation, in der sich die Bundesländer hier befinden. Zum Teil ist es durch ein zu langes Abwarten und Zusehen und auch unterschiedliche Standortinteressen verschuldet, zum anderen Teil ist die nach wie vor mangelnde Reformbereitschaft der Anstalten dafür verantwortlich. Der Herbst wird eine Entscheidung bringen, ob das Bundesverfassungsgericht erneut Recht sprechen muss, weil Vernunft und die Einsicht in Notwendigkeiten versagen. Den Schaden hätten alle.