Von Helmut G. Bauer, Rechtsanwalt, Köln
Der 1. Januar 1984 markierte eine Zäsur für den Rundfunk in Deutschland. Mit dem Start des Kabelpilotprojektes in Ludwigshafen konnten erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg private Rundfunkveranstalter in den Wettbewerb mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk treten. Die Aufmerksamkeit galt damals dem Fernsehen, obwohl mit „Radio Weinstraße“ auch der erste private Hörfunksender auf Sendung ging. Vorausgegangen waren jahrelange Auseinandersetzungen um die Zulassung privater Fernsehveranstalter, die in den 1960er Jahren mit dem Plan der Adenauer-Regierung begannen, ein bundesweites Fernsehprogramm als Konkurrenz zu dem Programm der ARD zu schaffen.
Eine 1973 von der sozialliberalen Bundesregierung eingesetzte „Kommission zur Entwicklung des Kommunikationssystems“ sprach sich 1975 unter anderem dafür aus, privaten Rundfunk in Breitbandkabelnetzen zu erproben. Terrestrische Fernsehfrequenzen waren damals keine Option. Die Länder einigten sich 1978 auf vier Kabelpilotprojekte für Fernsehen und Hörfunk in Rheinland-Pfalz/Baden-Württemberg (Ludwigshafen/Vorderpfalz), Bayern (München), Berlin und Nordrhein-Westfalen (Dortmund). Baden-Württemberg stieg später aus. In den damals CDU/CSU-regierten Ländern Rheinland-Pfalz und Bayern sollte der private Rundfunk erprobt werden, in den sozialdemokratisch regierten Ländern Berlin und Nordrhein-Westfalen der öffentlich-rechtliche Kabelrundfunk. Diese Polarisierung änderte sich allmählich mit der Verbreitung privater Fernsehprogramme über einen Telekommunikationssatelliten und der damit verbundenen Möglichkeit der Einspeisung in die Kabelnetze, die von der Deutschen Bundespost kontinuierlich ausgebaut wurden. Das Kabel- und das Satellitenradio spielten und spielen in der Politik und bei den Hörern aber nur eine untergeordnete Rolle.
UKW-Frequenzspektrum
Beim Hörfunk dominiert bis heute der terrestrische Empfang. UKW ist nach wie vor noch immer der meistgenutzte Verbreitungsweg. Mittel- und Langwelle wurden 2014 bzw. 2015 aufgrund mangelnden Hörerinteresses und hoher Verbreitungskosten abgeschaltet. Für UKW stand zunächst der Frequenzbereich von 87,5 MHz bis 100 MHz zur Verfügung, der von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten genutzt wurde. Mit dem Genfer Wellenplan 1984 wurde er schrittweise zunächst auf 104 MHz und dann auf 108 MHz erweitert. Damit stand auch Spektrum für die Zulassung privater Veranstalter zur Verfügung. Ohne das Ende der Kabelpilotprojekte und eine grundsätzliche Entscheidung über die Zulassung privaten Rundfunks abzuwarten, wurde bereits Ende 1984 in Schleswig-Holstein ein Privatfunkgesetz verabschiedet, um zunächst private Radioveranstalter zuzulassen. Die Kabelpilotprojekte in Ludwigshafen und München wurden um Regelungen für terrestrisches Privatradio ergänzt. Nach der Bereitstellung der notwendigen UKW-Frequenzen durch die Bundespost und der Zulassung durch die Anstalt für Kabelkommunikation (Landesmedienanstalt) ging am 30. April 1986 die Veranstaltergemeinschaft „Radio 4“ in Rheinland-Pfalz als erstes privates UKW-Hörfunkprogramm auf Sendung. Noch im selben Jahr folgten die landesweiten Programme RSH Radio Schleswig-Holstein und ffn in Niedersachsen. In der Folge wurden auch in den anderen Bundesländern Rundfunkgesetze verabschiedet und überall private Hörfunkveranstalter zugelassen. Dies gilt auch für die neuen Bundesländer, nachdem zunächst die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit ihren Programmen gestartet waren. Bis zur Jahrtausendwende unterschied sich die Radiolandschaft in den Flächenländern danach, ob dort vorrangig landesweite oder lokale Programme zugelassen wurden. Inzwischen gibt es in fast allen Ländern ein Nebeneinander von lokalen und landesweiten kommerziellen Programmen. In einigen Ländern gibt es zusätzlich Campusradios, Ausbildungsradios und sogenannte Bürgermedien.
DAB+ Digital Audio Broadcast
Ein weiterer Meilenstein war 2011 der Start des digitalen terrestrischen Hörfunks im Standard DAB+ (Digital Audio Broadcast) mit bundesweiten Programmen. Zuvor waren mehrere Versuche gescheitert, Digitalradio mit dem weniger leistungsfähigen Standard DAB einzuführen. Erst die Weiterentwicklung von DAB zu DAB+ und die Nutzung eines des VHF-Spektrums brachte Durchbruch auf der Empfangsseite. Der digitale Übertragungsstandard geht auf das EU-Projekt „EUREKA-147“ aus dem Jahr 1987 zurück. Er wurde im Wesentlichen in Deutschland entwickelt. Im Gegensatz zu UKW, wo für jedes Programm und jeden Sender eine eigene Frequenz benötigt wird, werden bei DAB+ 15 oder mehr Programme in einen Datenstrom (Multiplex) auf einer Frequenz über alle Sender eines Verbreitungsgebiets ausgestrahlt.
Nahezu alle öffentlich-rechtlichen und privaten Hörfunkanbieter nutzen inzwischen die digitale terrestrische Verbreitung für ihre UKW-Programme und neue Angebote. Sie strahlen diese in ihren bestehenden und in neuen Verbreitungsgebieten aus. Neue Anbieter, für die es auf UKW keine freien Frequenzen mehr gibt, nutzen jetzt DAB+. Von der Weltfunkkonferenz wurden Deutschland auch Frequenzen für zwei bundesweite DAB+-Senderketten zugeteilt. Die Länder hatten dafür 2008 die rechtlichen Voraussetzungen für bundesweites Radio geschaffen. Derzeit belegt das Deutschlandradio vier Programmplätze auf der ersten bundesweiten DAB+ Plattform. Insgesamt 29 private Veranstalter verbreiten ihre Programme über beide Plattformen, darunter ein Kinderradio, Programme kirchlicher Verbände sowie Eigenwerbekanäle eines Kreuzfahrtanbieters und eines Farbenherstellers. Eine besondere Attraktion war das Fußballradio „90elf“, das sich ganz dem Fußball widmete und alle Spiele der Fußball-Bundesliga parallel übertrug. Nachdem es die Lizenz für die Audio-Berichterstattung verlor, musste es 2013 den Sendebetrieb einstellen. Mit der Möglichkeit, Radioprogramme bundesweit über DAB+ oder in verschiedenen Bundesländern auszustrahlen, können Programme für Zielgruppen finanziert werden, die im lokalen oder regionalen Markt keine ausreichende Hörerschaft finden würden. Versuche privater Anbieter, News- und Talk-Programme zu etablieren, sind an den hohen Kosten dennoch bisher gescheitert.
Programmvielfalt
Seit 1984 hat die Zahl der terrestrischen Hörfunkprogramme stark zugenommen. 1987 gab es 36 öffentlich-rechtliche und 8 private Programme. Im Jahr 2023 sind es 396 private und 74 öffentlich-rechtliche Programme über UKW und DAB+. Vielerorts sind heute 50 und mehr Radioprogramme über Antenne empfangbar. Im Zuge der Diskussion um einen angemessenen Rundfunkbeitrag, damals noch Rundfunkgebühr genannt, wurde 2005 mit dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag die Zahl der öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramme auf den Stand vom 1. April 2004, damals 64 Programme, begrenzt. Um insbesondere Mehrländeranstalten wie NDR und MDR die Möglichkeit zu geben, in jedem ihrer Bundesländer auch ein DAB+ Programm zu veranstalten, wurden später Ausnahmen zugelassen. Trotz der Beschränkung hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen Angeboten im Regelfall noch immer einen höheren Marktanteil als die Privatprogramme.
Webradioangebote
Auch das Internet hat sich als Verbreitungsweg für Radio etabliert. Es ermöglicht jedem, ohne großen Aufwand sein eigenes Radioprogramm zu gestalten und zu verbreiten. Um dies für jedermann einfach zu machen, gibt es entsprechende Plattformen für „User Generated Content“. Allein in Deutschland soll es mehr als 10.000 Webradios geben, die mobil und stationär gehört werden können. Inzwischen gehört es zum Standard, dass auch alle klassischen Radiosender im Internet mit ihren Programmen und umfangreichen Services vertreten sind. Um das Auffinden der Programme auf den verschiedenen Endgeräten zu erleichtern, gibt es Aggregatoren wie den Radioplayer und radio.de. Viele Radiosender bieten ihren Hörern die technischen Möglichkeiten, ihr eigenes Radioprogramm nach persönlichen Vorlieben im Rahmen ihrer Formate zusammenzustellen. Dabei können sie von der individuellen Begrüßung über ihre Lieblingsmusik bis hin zu Nachrichten und Informationen alles selbst auswählen. Unter ihrer Dachmarke präsentieren viele Sender auf ihren Websites 40 und mehr Musikstreams für jeden Geschmack, jede Stimmung und zu Anlässen wie Karneval oder Weihnachten. Damit reagieren die Radiosender auch auf die Konkurrenz von Podcast-Angeboten und Streamingdiensten wie Spotify, Amazon Music oder Apple Music, die vor allem bei jüngeren Hörern beliebt sind. Der Ursprung dieser Streaming-Angebote war die 1999 gestartete Musiktauschbörse Napster.
Landesmedienanstalten und Bundesnetzagentur
Die Aufgaben der Landesmedienanstalten haben sich im Laufe der Zeit gewandelt. In der Anfangsphase haben sie bis 1995 in Abstimmung mit der Deutschen Bundespost und später mit der Bundesnetzagentur nach den mediengesetzlichen Vorgaben die technischen Voraussetzungen für die Sendernetze entwickelt. Alle Hörfunkveranstalter, also auch Webradios, bedürfen einer Zulassung durch eine Landesmedienanstalt. Die konkrete Nutzung einer terrestrischen Übertragungskapazität setzt eine entsprechende Zuweisung voraus, die nach einer Ausschreibung durch eine Landesmedienanstalt an den geeignetsten Bewerber erfolgt. Dies unterscheidet sich vom Hörfunk in den Niederlanden und vom Mobilfunk, wo die Frequenzen an den Meistbietenden versteigert werden. Die Radiolizenzen haben eine Laufzeit von sieben bis zu zehn Jahren und werden in der Regel verlängert. Inzwischen gelten die verfügbaren UKW- und DAB+ Frequenzen weitgehend als ausgeplant. Die Medienanstalten beschränken sich überwiegend auf die Aufsicht über die Programme. In den 40 Jahren mussten sie aber nur in sehr wenigen Fällen aktiv werden.
Im Jahr 2017 gab es eine bedeutende Veränderung auf dem Rundfunkmarkt. Bis dahin verbreitete die Media Broadcast die Programme der Privatradios und einiger öffentlich-rechtlicher Veranstalter über die UKW-Sendeanlagen, die früher von der Deutschen Bundespost errichtet worden waren. Nachdem private Veranstalter sich bei der Bundesnetzagentur über die mit dieser Marktmacht verbundene Preisgestaltung beschwert hatten, reduzierte die Netzagentur im Ergebnis die Preise und ordnete das Auslaufen der Verbreitungsverträge an. Dadurch konnten neue Sendernetzbetreiber wie Divicon und Uplink in den UKW-Verbreitungsmarkt eintreten. Der Eingriff der Bundesnetzagentur in das Geschäftsmodell veranlasste die Media Broadcast, ihre rund 1.000 UKW-Antennen an Investoren zu verkaufen und die UKW-Verbreitung den neuen Netzbetreibern zu überlassen. Seitdem konzentriert sich das Unternehmen im Hörfunk auf DAB+.
Radionutzung
Trotz der Ankündigung „Video Killed The Radio Star" in dem Song der Band The Buggles mit dem MTV im Jahr 1981 sein Programm startete, trotz der vielen TV-Programme und trotz der unzähligen Internetangebote erfreut sich das klassische Radio nach wie vor großer Beliebtheit. 76 Prozent der Bevölkerung in der Bundesrepublik schalteten 1985 täglich das Radio ein und nutzten es durchschnittlich 150 Minuten. Nach der Wiedervereinigung lag die Reichweite 1990 bei 79 Prozent und die Nutzungsdauer bei 170 Minuten. 2023 wurde eine Reichweite von 69 Prozent und eine tägliche Nutzungsdauer von 144 Minuten gemessen. Nimmt man alle Audioangebote zusammen, erreichen sie derzeit täglich 81 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung und werden durchschnittlich 175 Minuten gehört (ARD/ZDF-Studien Massenkommunikation 1985/1990/2023). Wer das Radio einschaltet, hört es täglich mehr als vier Stunden.
Formatradio
Die Programme der privaten Anbieter orientierten sich von Anfang an an den amerikanischen Formatradios und an Servicewellen wie Radio Luxemburg, SWF3 oder BR3. Ihre Programme müssen darauf ausgerichtet sein, möglichst viele Hörer zu erreichen, um für die Werbewirtschaft attraktiv zu sein. Bis heute dominieren die so genannten AC-Formate (Adult Contemporary), die mit einem durchhörbaren Programm mit Popmusik vor allem die Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen ansprechen. Verbunden werden die Musiktitel durch die Moderatoren. Im Idealfall werden sie zu Personalities wie John Ment bei Radio Hamburg oder Arno Müller bei RTL Berlin, die ihren Sendern seit Jahrzehnten ein Gesicht geben. Im Programm setzen die Veranstalter inzwischen verstärkt auf die Einbindung der Hörer über Social Media und Apps, über die sich die Hörer, mit Sprach- und Textnachrichten, Bildern und Videos am Programm beteiligen können. Die Hörerforschung zeigt, dass Musik für die meisten Hörer nach wie vor das wichtigste Kriterium ist, das Radio einzuschalten. Musikformate werden entsprechend den jeweiligen Marktgegebenheiten differenziert, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Je stärker der Wettbewerb ist, umso mehr werden die einzelnen Musikformate auf unterschiedliche Zielgruppen ausgerichtet.
Werbung
Werbung ist für die meisten privaten Anbieter die wesentliche Finanzierungsquelle. Der Anteil der Hörfunkwerbung am Werbemarkt liegt seit Jahren bei etwa 5 bis 6 Prozent. Mit der Zunahme der Radioprogramme sind auch die Werbeumsätze gestiegen. Im Jahr 2000 lagen die Bruttowerbeumsätze bei 1,0 Mrd. EUR und die Nettoumsätze bei 708 Mio. EUR. Im Jahr 2022 betrugen die Bruttowerbeumsätze auf 1,9 Mrd. EUR und die Nettoumsätze auf 814 Mio. EUR. Der nationale Werbemarkt wird inzwischen in Deutschland von drei Agenturnetworks dominiert. Aufgrund ihrer Marktmacht sind sie zunehmend in der Lage höhere Rabatte, Skonti und sonstige Nachlässe durchzusetzen. Dies erklärt die wachsende Differenz zwischen den Brutto- und Nettoerlösen. Um die nationalen Werbeerlöse konkurrieren die Vermarktungsgesellschaft RMS Radio Marketing Service der großen privaten Hörfunkveranstalter und die ARD MEDIA der ARD-Werbetöchter. Auf die RMS entfallen durchschnittlich zwei Drittel der nationalen Werbeerlöse. Um ihre Programme auch in Zukunft finanzieren zu können, fordern die privaten Anbieter eine Begrenzung der Werbezeit auf 60 Minuten pro Tag und ARD-Anstalt nach dem Vorbild von WDR und NDR. Die Werbewirtschaft lehnt dies ab, da sie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk andere Zielgruppen erreichen kann.
Um die Jahrtausendwende erzielten die Radiosender erhebliche Zusatzeinnahmen durch Telefongewinnspiele wie das „Geheimnisvolle Geräusch“. Mit der Konkretisierung der Rahmenbedingungen und der Ausweitung der Aufsicht durch die Medienanstalten hat die Bedeutung dieser Gewinnspiele jedoch abgenommen.
UKW versus DAB+
Die Radionutzung über UKW geht seit Jahren kontinuierlich zurück. Nur noch in 53 Prozent der Haushalte ist UKW der meistgenutzte Empfangsweg, obwohl es fast in jedem Haushalt ein UKW-Radio gibt. Das Radiohören auf digitalen Wegen steigt kontinuierlich an: 13 Prozent bevorzugen DAB+ und 20 Prozent Webradio. Für den Empfang digitaler Programme werden neue Radiogeräte benötigt. Mittlerweile verfügen 33 Prozent der Haushalte über ein DAB+ Radio und 22 Prozent über ein Internetradio. Ausschlaggebend für die Zunahme von DAB+ Radios ist die seit 2020 geltende Digitalradio-Pflicht. Diese geht auf eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2018 zurück. Alle Geräte in Neuwagen und alle Radios, die den Sendernamen anzeigen, müssen DAB+ fähig sein. Die Frage, ob und ab wann DAB+ in Zukunft die UKW-Verbreitung ablösen soll, wird kontrovers diskutiert. Die Argumente erinnern an die Diskussion um die Einführung von UKW anstelle der Mittelwelle in den 1950er Jahren. Die Mittelwelle wurde im Jahr 2015 und die Langwelle im Jahr 2014 mangels Interesses der Hörerinnen und Hörer abgeschaltet.
Den Vorteilen von DAB+ hinsichtlich der Programm- und Anbietervielfalt sowie der geringeren Verbreitungskosten stehen die bestehende Sender- und Empfängerinfrastruktur sowie die nach wie vor hohe UKW-Nutzung gegenüber. Der im Telekommunikationsgesetz vorgesehene Abschalttermin für UKW im Jahr 2015 wurde nach Protesten der privaten Veranstalter gestrichen. Vergleichbares gilt für Regelungen zu einem Abschalttermin 2025 in den Mediengesetzen von Sachsen und Sachsen-Anhalt. Unabhängig davon haben das Deutschlandradio und einige private Veranstalter aus Kostengründen begonnen, einzelne UKW-Sender abzuschalten, wenn ein Gebiet gut mit DAB+ versorgt ist. Norwegen hat 2017 als erstes Land UKW abgeschaltet, abgesehen von einigen Lokalradios. Die Schweiz will 2026 folgen. Ob sich in Deutschland die Bundesländer auf ein gemeinsames Abschaltdatum einigen oder jedes Land für sich entscheidet, wie es mit UKW weitergeht, ist derzeit offen. Die großen Kabelnetze stellen derzeit die Verbreitung über UKW ein und verbreiten Radioprogramme nur noch digital in einem eigenen Standard (DVB-C), der ein entsprechendes Radiogerät voraussetzt, wenn man nicht über das Fernsehgerät Radio hören will.
Künstliche Intelligenz (KI)
In der Anfangsphase konkurrierten die ersten privaten Sender nur mit den öffentlich-rechtlichen Programmen. Mit der wachsenden Zahl privater UKW-Programme und DAB+ mussten sie sich mit ihren privaten Wettbewerbern auseinandersetzen. Mit Podcasts und Musikstreams sind neue Audioangebote entstanden, die um die Aufmerksamkeit der Hörer buhlen. Internetkonzerne haben Audio als Markt entdeckt. Mit ihren Smartspeakern haben sie eine Möglichkeit geschaffen, dass die Hörer unkompliziert auf Zuruf Radioprogramme und alle anderen Audioangebote einschalten können.
Die Künstliche Intelligenz stellt jetzt die gesamte Branche vor neue Herausforderungen, weil Radioprogramme schnell und kostengünstig produziert werden können. Moderatoren können durch digitale Stimmen ersetzt werden. Die ersten KI-Radios privater Anbieter sind bereits auf Sendung. Viele testen noch. Das gilt auch für branchenfremde Unternehmen, die eine günstige Gelegenheit sehen, in den Radiomarkt einzusteigen. Die meisten Radioveranstalter sehen in den KI-Programmen bisher aber eher ein Werkzeug für den Einsatz in den Randzeiten und für standardisierte Serviceangebote wie Verkehrsmeldungen. Das Radio wird auch diese Innovation überleben, wenn es weiterhin auf Personalities setzt, die die Hörer mit Empathie, Spontaneität und Humor durch den Tag begleiten.
Helmut G. Bauer war Justiziar und Geschäftsführer der Anstalt für Kabelkommunikation Ludwigshafen und anschließend Direktor der Landeszentrale für private Rundfunkveranstalter Rheinland-Pfalz. Er war u.a. auch Geschäftsführer von Hörfunkunternehmen. Er ist Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Hörfunk.