Mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat die Frage nach Desinformation noch einmal an Bedeutung gewonnen. Russland und andere autoritär regierte Länder versuchen schon länger, durch Manipulation die öffentliche Meinung in Deutschland zu ihren Gunsten zu beeinflussen und die deutsche Demokratie zu destabilisieren. Mithilfe von repräsentativen Umfragen gehen wir den Fragen nach, wie groß die Angst vor Fake News in der Bevölkerung ist und wie hoch das Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen Medien ausfällt. In repräsentativen Umfragen hat die Konrad-Adenauer-Stiftung untersucht, in welchem Maße Menschen Angst vor der Verbreitung von Desinformation haben und ob sie den öffentlich-rechtlichen Medien vertrauen. Insbesondere wird ein Blick auf mögliche Veränderungen bei der Wahrnehmung des Problems von Desinformation und dem Vertrauen in öffentlich-rechtliche Medien mit dem russischen Angriff auf die Ukraine geworfen. Autoren der Studie sind Dr. Jochen Roose und Dominik Hirndorf.
Einige Hauptergebnisse der Studie sind:
- Die Angst vor der Verbreitung von Desinformation über die Medien oder das Internet ist weit verbreitet und hat seit 2021 leicht zugenommen.
- Im Vergleich von Entwicklungen, die in der Gesellschaft Angst auslösen könnten, gehört die Angst vor Desinformation zu den bedeutenderen.
- Eine Mehrheit vertraut den öffentlich-rechtlichen Medien und hält ihre politischen Nachrichten für glaubwürdig. Allerdings ist die wahrgenommene Glaubwürdigkeit seit 2019/2020 leicht gesunken, insbesondere in Ostdeutschland.
- Angst vor der Verbreitung von Desinformation entsteht aus zwei gegensätzlichen Richtungen. Ein Großteil vertraut den öffentlich-rechtlichen Medien und sieht eine Bedrohung in der Verbreitung widersprechender Falschinformationen. Ein kleinerer Teil misstraut den öffentlich-rechtlichen Medien und hält ihre Nachrichten für Fake News.
Desinformation – eine Bedrohung
Demokratien leben nicht nur von der Beteiligung der Menschen, sondern mindestens genauso von der Debatte, der Auseinandersetzung über politische Positionen und Lösungen. Neben den Einstellungen, Meinungen und Werten sind Fakten für Diskussionen von großer Bedeutung. Wie ist die Situation? Welche Handlungsoptionen stehen zur Verfügung? Für die politische Auseinandersetzung sind dies entscheidende Fragen.
Desinformation ist die bewusste Verbreitung von falschen Informationen. Etwas wird frei erfunden, manipuliert, bewusst falsch verstanden oder verfälschend aus dem Kontext gerissen und dann verbreitet mit dem Ziel, die öffentliche Meinung zu beeinflussen (Wolter 2020: 2). Verschiedentlich wird Desinformation auch als Fake News bezeichnet. Die Verbreitung bewusst verfälschter Informationen ist für Demokratien keineswegs nur lästig (Schmid 2021). Vielmehr kann die Verbreitung von Desinformationen politische Debatten gezielt in die Irre führen. Die Online-Medien haben dafür neue und vor allem einfachere Möglichkeiten geschaffen. Mit der Weitersendung von Beiträgen in sozialen Netzwerken können sich manipulierte Darstellungen weit verbreiten und so zu vielfacher Falschinformation beitragen. Die Sorge um verfälschte Informationen und eine Irreführung der Bevölkerung hat eine lange Geschichte. In Reaktion auf die Erfahrungen mit der Propaganda der Nationalsozialisten wurde in der jungen Bundesrepublik ein öffentlicher Rundfunk eingerichtet. Die (auch) durch Rundfunkbeiträge finanzierten Sender sollen mit reduzierten ökonomischen Abhängigkeiten dem Publikum ausgewogene Informationen, insbesondere politische Informationen, zur Verfügung stellen. Ein Schlüssel für die Informationsleistung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist das Vertrauen in die Qualität seiner Berichterstattung (Wolter 2022). Verschiedene Rundfunkräte, die sich aus Repräsentantinnen und Repräsentanten der gesellschaftlich wichtigen Gruppen zusammensetzen, sollen die Qualität und Vielfalt der Programme gewährleisten. Doch ob dies ausreicht, um Vertrauen zu gewinnen und zu erhalten, ist eine zunehmend wichtige Frage. Mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat die Frage nach Desinformation noch einmal an Bedeutung gewonnen. Russland und andere autoritär regierte Länder versuchen schon länger, durch Manipulation die öffentliche Meinung in Deutschland zu ihren Gunsten zu beeinflussen und die deutsche Demokratie zu destabilisieren. Diese Aktivitäten haben von russischer Seite mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine noch einmal zugenommen.
In repräsentativen Umfragen hat die Konrad-Adenauer-Stiftung untersucht, in welchem Maße Menschen Angst vor der Verbreitung von Desinformation haben und ob sie den öffentlich-rechtlichen Medien vertrauen. Insbesondere werfen wir einen Blick auf mögliche Veränderungen bei der Wahrnehmung des Problems von Desinformation und dem Vertrauen in öffentlich-rechtliche Medien mit dem russischen Angriff auf die Ukraine.
Die Umfragen
Zwei aktuelle Umfragen der Konrad-Adenauer-Stiftung vom Jahreswechsel 2021/22 und dem Jahreswechsel 2022/23 gehen in diese Analyse ein. Vom 27. Oktober 2022 bis 16. Januar 2023 befragte das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung insgesamt 4.247 Personen (Umfrage 1035). Davon gingen für diese Studie 4.187 Fälle in die Auswertung der deutschsprachigen Wahlberechtigten ein.2 Die Personen wurden über zufällig generierte Telefonnummern (50 Prozent Festnetz/50 Prozent Mobilfunk) kontaktiert und telefonisch befragt.3 Da für weitere Themen der Umfrage die Unterschiede zwischen verschiedenen Altersgruppen relevant sind, ist die Auswahl nach Altersgruppen quotiert. Für die Auswertung sind die Daten entsprechend gewichtet, um die Überrepräsentation von Altersgruppen, unterschiedliche Auswahlwahrscheinlichkeiten und Verschiebungen bei sozialstrukturellen Merkmalen auszugleichen. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die deutschsprachige, bei einer Bundestagswahl wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland. Um Veränderungen infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine einschätzen zu können und die beiden Phänomene, Angst vor Desinformation und Vertrauen in öffentlich-rechtliche Medien, näher ausleuchten zu können, ziehen wir eine zweite Umfrage heran (Umfrage1032). Vom 1. Dezember 2021 bis 11. April 2022 befragte das Markt- und Meinungsforschungs-institut USUMA im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung insgesamt 5.511 Personen telefonisch. Davon gingen 5.027 Fälle als wahlberechtigte Personen in die Auswertung ein.4 Die angerufenen Telefonnummern sind ebenfalls zufällig generiert, je 50 Prozent Festnetz- und Mobilnummern. Der Befragungszeitraum schließt den Beginn des Krieges am 24. Februar 2022 ein. 3.875 Befragte wurden vor dem 24. Februar2022 befragt, 1.152 nach dem Kriegsbeginn. In der Stichprobenziehung sind für andere interessierende Fragen Menschen bis 20 Jahre und Menschen muslimischen Glaubens häufiger vertreten. Für die Auswertung werden die Daten gewichtet, um die Überrepräsentation dieser Gruppen, unterschiedliche Auswahlwahrscheinlichkeiten und Verschiebungen nach sozialstrukturellen Merkmalen auszugleichen. Damit sind die gewichteten Auswertungen repräsentativ für die deutschsprachige, bei einer Bundestagswahl wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland. Zusätzlich werden drei ältere Umfragen der Konrad-Adenauer-Stiftung genutzt, die ebenfalls repräsentativ für die deutschsprachige, bei einer Bundestagswahl wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland sind und deren methodische Details in anderen Publikationen zu finden sind: die Umfrage 1027 der Konrad-Adenauer-Stiftung zu äußerer Sicherheit von Anfang 2020 (Pokorny 2021: 7) sowie die Umfragen 1021 und 1023 der Konrad-Adenauer-Stiftung von 2019/20 bzw. Herbst 2020 (Roose 2021: 143).
Fazit
Viele Menschen treibt die Angst vor der Verbreitung von falschen Informationen um. Seit Anfang 2021 hat diese Angst leicht zugenommen. Auch im Vergleich zu anderen Bedrohungsszenarien gehört die Angst vor der Verbreitung von Desinformation zu den bedeutenderen. Das Thema Desinformation und Falschnachrichten beschäftigt demnach nicht nur das Bundesamt für Verfassungsschutz oder die Medienlandschaft, sondern stellt auch aus Sicht vieler Menschen in Deutschland eine reale Gefahr dar. Dabei gibt es keine bestimmte Personengruppe, die besonders große Angst vor der Verbreitung von Desinformation hat. So finden sich nur (sehr) geringe Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland, Männern und Frauen, Parteianhängerschaften, Jüngeren und Älteren sowie Menschen mit einem hohen oder niedrigen formalen Bildungsabschluss.
Für die öffentlich-rechtlichen Medien birgt Desinformation eine doppelte Gefahr. Einerseits droht die Konkurrenz mit Falschnachrichten oder die versuchte Instrumentalisierung seriöser Quellen für die Verbreitung von Fake News unter falschem Namen. Andererseits kann der Widerspruch zwischen für glaubwürdig gehaltenen Falschinformationen und den Informationen der öffentlich-rechtlichen Medien das Vertrauen in sie schwächen.
Aktuell vertraut eine Mehrheit den öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland und beurteilt ihre politischen Nachrichten als glaubwürdig. Allerdings ist die wahrgenommene Glaubwürdigkeit seit 2019/2020 leicht gesunken, insbesondere in Ostdeutschland. Alters- und Geschlechterunterschiede fallen gering aus. Dagegen gibt es Bildungseffekte und Unterschiede nach Parteianhängerschaft und Demokratiezufriedenheit: Mit zunehmendem höheren formalen Bildungsabschluss steigt der Anteil der Befragten, die politische Nachrichten dort für glaubwürdig halten. Die AfD-Anhängerschaft misstraut den öffentlich-rechtlichen Medien mehrheitlich, während sich in allen anderen Anhängerschaften großes Vertrauen zeigt, insbesondere bei den Grünen-Anhängerinnen und -Anhängern.
Die Gruppe jener, die Angst vor der Verbreitung von Desinformation haben, setzt sich aus zwei gegensätzlichen Untergruppen zusammen. Ein Großteil vertraut den öffentlich-rechtlichen Medien und sieht in der Verbreitung von Falschinformationen, die den Nachrichten der öffentlich-rechtlichen Medien widersprechen, eine Gefahr. Eine kleinere Gruppe sieht es genau andersherum. Sie sehen in den „manipulierten“ öffentlich-rechtlichen Medien selbst eine Quelle von Falschnachrichten.
https://www.kas.de/de/monitor/detail/-/content/welchen-nachrichten-kann-man-noch-trauen