Immer jünger online, immer länger gamen – das sind einige der zentralen Ergebnisse des ersten vergleichenden Gutachtens zum Kinder-und Jugendmedienschutz in sechs EU- und Nicht-EU-Ländern. Im Auftrag der Kommission für Jugendmedienschutz der Medienanstalten (KJM) haben Prof. Mark D. Cole, Christina Etteldorf und Dr. Jörg Ukrow vom Institut für Europäisches Medienrecht (EMR) außerdem festgestellt, dass alle untersuchten Staaten mit ähnlichen Risiken und vergleichbaren Herausforderungen zu tun haben. Der Umgang damit ist jedoch unterschiedlich. Viele Gefahren und problematische Inhalte im Netz haben ihren Ursprung im Ausland. Unterschiede gab es in den untersuchten Staaten Australien, Frankreich, Italien, Japan, Polen und dem Vereinigten Königreich unter anderem in der Onlinezeit: Spitzenreiter in der Online-Nutzung sind 9- bis 16-Jährige in Japan mit 3,04 Stunden täglich, Italien bildet das Schlusslicht mit durchschnittlich 2,5 Stunden. Zum Vergleich: In Deutschland sind Kinder und Jugendliche laut JIM-Studie täglich 204 Minuten – also 3 Stunden und 24 Minuten – online. Eins ist jedoch über alle Staaten hinweg gleich: Die Nutzung steigt im Gesamttrend. Damit laufen Minderjährige auch vermehrt Gefahr, mit Risiken in Kontakt zu kommen.
Hier Auszüge aus der Studie:
Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen im internationalen Vergleich
Bandbreiten, Charakteristika und Entwicklungstendenzen im Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen stehen typischerweise mit Gefährdungslagen und regulatorischen Antworten auf diese im unmittelbaren Zusammenhang. Sie werden sowohl durch technische, infrastrukturelle und medienkonsumgüterbezogene Dynamiken wie durch familiale und kulturelle Traditionen, aber auch gesellschaftliche und entwicklungspsychologische Umbrüche beeinflusst. Gerade die Untersuchung ähnlicher oder sogar einheitlicher Trends im Mediennutzungsverhalten Minderjähriger in der medial geprägten Welt des 21. Jahrhunderts befördert die Möglichkeit der Entwicklung einer transnational relevanten Typologie kinder- und jugendmedienschutzbezogener Herausforderungen als möglichem Ausgangspunkt regulatorischer Koordinierung. Gerätebezogen ist das Smartphone bei Minderjährigen weltweit das bevorzugte Mittel, um online zu gehen. Hierauf muss auch eine Kinder- und Jugendmedienschutzregulierung, die auf der Höhe der technischen Zeit sein will, reagieren. Auch die erhöhte tägliche Nutzungsdauer ist ein internationaler Trend. Insgesamt nutzen Kinder das Internet in immer jüngeren Altersgruppen regelmäßig. Der Trend im Konsum audiovisuellen Contents geht global bei jüngeren Altersgruppen weg vom Live-TV zu On-Demand-Angeboten (über Mediatheken oder über Catch Up TV-Funktionen).
Auch der Konsum von Videospielen ist v.a. in dieser Altersgruppe stark steigend, wobei zu beobachten ist, dass vor allem jüngere Altersgruppen mehr Zeit innerhalb ihres Medienkonsumverhaltens mit Videospielen verbringen, vor allem online zusammen mit Freunden, während ältere Altersgruppen eher vermehrt soziale Medien nutzen oder audiovisuelle Inhalte passiv konsumieren. Bemerkenswert ist dabei allerdings, dass vor allem die soziale Interaktionskomponente als wesentlicher Antrieb zum Videospielen hervorgehoben wird, was auch, aber nicht nur vor dem Hintergrund der Pandemie und der damit verbunden Kontaktbeschränkungen zu sehen ist. Ungeachtet solcher mit Blick auf Rahmenbedingungen der Kinder- und Jugendmedienschutzregulierung aktuell oder potentiell unitarisiender Trends weicht das spezifische Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen in den im Rahmen dieser Studie behandelten Staaten nicht unerheblich voneinander ab, was Vollharmonisierungen des Kinder- und Jugendmedienschutzes zumindest hemmt und damit verbunden zugleich die Wahrung kultureller Traditionen von Schutzzielen und –instrumenten fördert. Das trifft auch auf die verschiedenen Gefährdungslagen und/oder deren Intensität zu, denen Kinder und Jugendliche in unterschiedlichen Regionen, sogar innerhalb der EU, begegnen.
Gefährdungslagen für Kinder und Jugendliche im internationalen Vergleich
Neben einer Reihe von Vorteilen – wie zum Beispiel Möglichkeiten des spielerischen/unterhaltsamen/digitalen Lernens und der Erhöhung von Medien- und Digitalkompetenz – begründen der Umgang mit und der Konsum von verschiedenen Medien sowie die Interaktion in der Online-Umgebung auch je spezifische Gefahrenpotentiale für Kinder und Jugendliche. Im Hinblick auf eine Typologisierung von Risiken wird dabei (auch) auf internationaler Ebene zwischen verschiedenen, teilweise sich überlappenden Kategorien unterschieden: Inhaltsbezogene Konfrontationsrisiken, Verhaltensrisiken im Umgang Minderjähriger miteinander, Kontaktrisiken für Minderjährige wegen des oder basierend auf dem Verhalten(s) Dritter (meist Erwachsener), Interaktionsrisiken im Hinblick auf Minderjährige als Verbraucher und digitale Identitätsträger haben dabei neben verschiedenen bereichsübergreifenden, schutzgutbezogenen Risiken besondere Beachtung gefunden. Solche Risiken für Schutzgüter betreffen typologisierungsrelevant namentlich solche für die Privatsphäre, für die Gesundheit und das geistige Wohlbefinden. Ein querschnittsartig wirkendes Risiko geht zudem von bestimmten Ausprägungen der Megatrends von Digitalisierung und Globalisierung aus – bei ersterem nicht zuletzt im Zuge der zunehmenden Durchdringung auch des Medienökosystems durch KI-Anwendungen, bei letzterem Megatrends durch einen auch effektiven Kinder- und Jugendmedienschutz herausfordernden clash of cultures.
Der Gefährdungsgrad einzelner Risiken kann wiederum vermindert oder erhöht werden durch eine Reihe von Faktoren wie Medien- und Digitalkompetenzen, Qualität und Quantität des Zugangs zu Medien und Abhilfemechanismen, die (auch) regulatorisch indiziert sein können. Familialer Risikominimierung, insbesondere durch elterliche Kontrolle, und Risikominimierung durch sonstige Erziehungsagenten kommt dabei, in durch kulturelle Traditionen bedingter Unterschiedlichkeit des Ausmaßes, ebenso eine Rolle zu wie dem Gewicht gesellschaftlicher Empathie für Minderjährige und der Effektivität hoheitlicher Wahrung von Kinder- und Jugendmedienschutz.
Bei der Einschätzung der Wirkungen von Medienangeboten gehören der soziale Kontext, das Alter und das Geschlecht zu den wichtigsten rezipientenspezifischen Wirkungsfaktoren. Bezüglich einer möglichen entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkung medialer Angebote auf Minderjährige verdienen dabei nicht nur durchschnittlich entwickelte, in einem stabilen familiären und gesellschaftlichen Umfeld heranwachsende Kinder und Jugendliche regulatorische Aufmerksamkeit, sondern insbesondere auch schwächere und noch nicht so entwickelte Minderjährige – gerade auch in den jüngsten Alterskohorten. In Bezug auf angebotsspezifische Wirkungsfaktoren ist der Realitätsgrad eines Angebotes von besonderer Bedeutung. Angebote, deren Inhalte einen engen Bezug zur Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen haben, Bezüge zur Realität herstellen oder real wirken, sowie jene, in denen die Übergänge zwischen Realität und Fiktion fließend sind, stellen unter Kinder- und Jugendschutzaspekten eine nachhaltige Herausforderung dar. Die Grundstimmung eines Medienangebots beeinflusst, wie das Angebot insgesamt wahrgenommen und verarbeitet wird. Mediale Identifikationsfiguren können Rollenmuster, Verhaltensweisen und Werte vermitteln, die von Minderjährigen als Orientierungshilfe genutzt werden und die sie in ihrer Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit beeinflussen und ggf. beeinträchtigen oder sogar gefährden können. Nicht zuletzt Immersion stellt einen Wirkungsfaktor dar, der im Zuge der digitalen Weiterentwicklung von Endgeräten zunehmende Bedeutung erlangt.
Inhaltsbezogene Konfrontationsrisiken, denen sich Kinder und Jugendliche beim Konsum von Medien ausgesetzt sehen, betreffen im Wesentlichen illegale und schädliche Inhalte, die die Schwelle zur Illegalität (noch) nicht überschreiten, aber auf andere Weise gefährdend sind. Bereits die Konfrontation mit dem und Wahrnehmung des Inhalt(s) begründen bei solchen Inhalten ein Risiko etwa für die Psyche oder Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, was je nach Art des Inhalts und Gefährdungspotentials unterschiedliche Ursachen haben kann. Zu den illegalen Inhalten, die ein erkennbar auf Minderjährige fokussiertes Gefährdungspotential aufweisen, zählen namentlich Inhalte, die die Ausbeutung und den Missbrauch von Minderjährigen verharmlosend oder gar verherrlichend zum Gegenstand haben, terroristische und radikalisierende Inhalte, sowie Inhalte, die Krieg und/oder Gewalt verherrlichen, eine Darstellung von grundlosen Gewalttätigkeiten bzw. eine unangemessene Herausstellung von Gewalttätigkeiten enthalten oder zu Straftaten aufrufen, diese fördern oder zu diesen anleiten. (Auch) diesem normativen Unwert-Urteil steht faktisch eine erhebliche Nutzungsmöglichkeit oder gar Nutzung für die betreffenden Inhalte (nicht nur) in den untersuchten Staaten gegenüber.
Auch Darstellungen des Konsums von Drogen können zu illegalen Inhalten gehören – zumindest dann, wenn diese Darstellungen in einer verharmlosenden und zugleich spezifisch minderjährigen-affinen Ansprache erfolgen. Zumindest für Minderjährige schädlich sind ferner Inhalte, die eine Gesundheitsgefährdung oder gar Lebensverkürzung Minderjähriger in Form von Anorexie oder gar Suizid propagieren. Hassrede ist eine weitere Kategorie der (nicht zuletzt auch Minderjährige berührenden) Inhalterisiken und bewegt sich an der Schnittstelle zwischen illegalen Inhalten und schädlichen Inhalten.
Auch Desinformation ordnet sich in die Gruppe der schädlichen Inhalte ein, die Kinder und Jugendliche gefährden (können). Auch unabhängig von einer desinformierenden Prägung sind Angebote, die darauf ausgerichtet sind, das jeweils verfassungsrechtlich fundierte Bekenntnis zum freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat als Glied der Völkergemeinschaft, das Gewaltmonopol des Staates und die jeweilige Ausrichtung der nationalen, europäischen und internationalen Rechtsordnung auf friedliche Konfliktlösung, menschenrechtliche und völkerrechtliche Vorgaben des ius cogens oder grundlegende Wert- und Zielvorstellungen des westlichen Werteverbundes, wie sie sich u.a. in Art. 2 EUV verankert finden, aktiv auszuhöhlen, als (zumindest) schädliche Inhalte einzustufen, da sie offensichtlich geeignet sind, eine sozial-ethische Desorientierung von Minderjährigen zu befördern. Desinformation entfaltet dabei gerade gegenüber Kindern und Jugendlichen ein besonderes Gefährdungspotential, weil sie vermehrt vor allem innerhalb bei diesen beliebten sozialen Netzwerken verbreitet wird (wobei in den Informationswert dort verbreiteter Inhalte Minderjährige zwar zumindest größtenteils kein großes Vertrauen setzen, wohl aber stärker als dies bei Erwachsenen der Fall ist) und Minderjährige häufig (noch) nicht über die Medien- und Digitalkompetenz verfügen, die sie zur Unterscheidung zwischen wahren und falschen Informationen benötigen.
Das Gefährdungspotential ist bei den hier aufgeführten und weiteren Inhalterisiken wie z.B. unangenehmen oder beängstigenden Nachrichten oder Bildern z.B. von Kriegsgeschehen und Katastrophen sowie mit Appellen zur Nachahmung verbundenen Darstellungen von Schönheitsidealen vielfältig und kann sich – etwa aufgrund eines mangelnden Verständnisses des Inhalts, einer (noch) nicht vorhandenen Einordnungsmöglichkeit oder schlicht aufgrund schockierender Wirkungen – auf das Verhalten oder die generelle Einstellung von Kindern und Jugendlichen auswirken – insbesondere bei jüngeren Altersgruppen.
Verhaltensrisiken sind solche Risiken, die bei einem gegenseitigen Peer-to-Peer-Austausch zwischen Kindern und Jugendlichen auftreten. Anders als bei Kontaktrisiken geht es hier nicht um die Fälle, bei denen Kinder und Jugendliche passiv Opfer einer interaktiven Situation werden, die von anderen Minderjährigen (ggf. aber auch von Erwachsenen) initiiert ist, sondern um Fälle, in denen sich Minderjährige so verhalten, dass sie aktiv zu riskanten digitalen Inhalten oder Kontakten beitragen. Hieraus erwächst nicht zuletzt ein auch gesellschaftlich relevantes Risikopotential, da der Nachahmungseffekt bei Verhalten der eigenen Generation angehöriger Gefährder wahrscheinlicher ist. Die Abstumpfung in Bezug auf Gebote eines sozialverträglichen Miteinanders nimmt bei diesen Verhaltensweisen sukzessive zu. Im Bereich des hasserfüllten Verhaltens betrifft das insbesondere das Cybermobbing oder Cyberbullying. Im Bereich des nutzergenerierten problematischen Verhaltens betrifft ein potentielles Risiko auch das sog. Sexting, also das Senden und Empfangen von sexuellen Nachrichten oder Bildern, das sowohl für Sender als auch Empfänger schwere Konsequenzen nach sich ziehen kann, die die Entwicklung(spotentiale) von Jugendlichen nachhaltig schädigen können.
Kontakt- und Interaktionsrisiken entstehen, wenn Kinder und Jugendliche insgesamt mit der medialen und insbesondere Online-Umgebung agieren. Solche nicht inhaltsbezogenen Risiken sind vielfältig und umfassen z. B. neben Cyberbullying, Cybergrooming, Cyberstalking, Sexting und Sextortion (Erpressung zu sexuellem Verhalten) auch die Anleitung zu selbstgefährdendem Verhalten, Profiling, exzessives Spielen und Kostenfallen, unter anderem auch im Kontext von Lootboxen und undurchsichtigen Währungssystemen in Videospielen.
Verbraucherrisiken beschreiben Risiken, denen Rezipienten im Wirtschaftsverkehr ausgesetzt sind, die sich aber möglicherweise gerade bei Kindern und Jugendlichen als besonders gefährlich erweisen, weil ihre Unerfahrenheit oder ihr mangelndes Urteilsvermögen ausgenutzt wird. Solche Verbraucherrisiken weisen Überschneidungen zu Inhalterisiken und Interaktionsrisiken auf. Zu solchen Verbraucherrisiken zählen nicht zuletzt Werberisiken, Risiken kommerziellen Profilings, finanzielle Risiken und Sicherheitsrisiken.
Zu den bereichsübergreifenden Risiken zählen namentlich Risiken für die Privatsphäre von Kindern und Jugendlichen, Risiken fortgeschrittener und fortschreitender Technologisierung und Gesundheitsrisiken. Privatsphärebeeinträchtigende Risiken, also solche, die aus der Weitergabe von Daten und persönlichen Informationen resultieren, ergeben sich häufig bei digitalen Interaktionen und stehen meist im Zusammenhang mit anderen Risiken, bedingen oder befördern diese. Zwei Gefährdungslagen sind dabei als aktuell besonders prekär hervorzuheben: Die Entwicklung datengetriebener Produkte gezielt für minderjährige Verbraucher und das sog. Sharenting (das Teilen von Fotos von Kindern durch Eltern in sozialen Netzwerken ohne Kenntnis und/oder Willen der Kinder).
Die Auswirkungen neuer Technologien gerade auf Kinder und Jugendliche sind bislang noch wenig untersucht. Nicht zuletzt der Einsatz von Algorithmen und (sonstigen) Anwendungen Künstlicher Intelligenz (KI) im Bereich Bildung, bzw. dessen Grenzen und notwendige Schutzmechanismen, stehen derzeit im Fokus der Diskussion. Gerade biometrische Daten als besonders sensible Daten beanspruchen mit Blick auf den Schutz Minderjähriger grundsätzlich ein besonders hohes Schutzniveau. Der Umgang mit Medien kann auch gesundheitliche Risiken für Kinder und Jugendliche begründen, sowohl physischer als auch psychischer Natur. Es handelt sich hierbei ebenfalls um ein bereichsübergreifendes Risiko, das mit vielen der bereits genannten Risiken in Zusammenhang steht. Eine weniger einschneidende, aber typische Gefährdungslage in Bezug auf Gesundheitsrisiken besteht insbesondere bei übermäßigem Medienkonsum. Neben Gefährdungslagen, die sich aus der Abhängigkeit vom Medium an sich ergeben können, können auch andere Suchtphänomene Gesundheitsrisiken begründen, die sich als Begleiterscheinung des Medienkonsums darstellen. Hierzu gehören insbesondere die Bereiche Tabak, Alkohol und Glücksspiel, in denen Suchtpotentiale, die schwerwiegende gesundheitliche, soziale und finanzielle Folgen mit sich bringen können, durch kommerzielle Kommunikation befördert werden können.
Die Intensität der konkreten jeweiligen, aus vorbezeichneten Risiken erwachsenden Gefährdungslage für den einzelnen Minderjährigen hängt zum einen von individuellen und Gruppenmerkmalen wie Alter sowie elterlicher Erziehung, ferner aber auch von einer Reihe von gesamtgesellschaftlich bzw. regulatorisch und politisch vorgeformten Faktoren ab, zu denen nicht zuletzt Medien- und Digitalkompetenz, Art und Umfang des Zugangs zu Medien und Medieninhalten sowie Abhilfemechanismen zählen. Solche Mechanismen betreffen den Umgang mit Risiken und können vielfältige Formen annehmen. Hierzu gehört das Vorhandensein von Anlaufstellen, an die sich Kinder und Jugendliche sowohl in präventiver als auch repressiver Hinsicht zur Abhilfe wenden können – neben Eltern auch andere Vertrauenspersonen und vor allem Einrichtungen und Behörden – sowie das Vorhandensein von technischen Mechanismen und Verfahren, um Inhalte zu melden oder Kontakte zu blockieren.
Schlussbemerkungen und Ausblick
Mit Blick auf die Frage, in welchem Umfang ein rechtsvergleichendes Gutachten wie das vorliegende und hierdurch begünstigter wissens- und wissenschaftsbasierter Austausch zwischen Regulierungsbehörden die Weiterentwicklung des internationalen Kinder- und Jugendmedienschutzes fördern und unterstützen kann, ist festzuhalten, dass die wechselseitige Befruchtung von audiovisuellen Regulierungsbehörden und Rechtswissenschaft bei der Überarbeitung bestehenden und Entwicklung neuen Normbestandes nicht unerhebliche Effizienzgewinne für beide Regulierungskreise verspricht.
Ein auf den Kinder- und Jugendmedienschutz bezogener interdisziplinärer Diskurs zwischen der Völker- und Medienrechtswissenschaft und anderen Fächern – der Wirtschaftswissenschaft, der Soziologie, der Psychologie, der Pädagogik, der Politik- und Geschichtswissenschaft, in der Zukunft vermutlich auch den Naturwissenschaften im Hinblick auf neue Herausforderungen z.B. durch KI und Virtual Reality – hilft ebenso dabei, die Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendmedienschutzes durch den Abbau von gemeinwohlunverträglichen Facetten globaler digitaler Geschäftsmodellen zu befördern, wie er hilft, Vernetzungen in einem dynamisch und multidimensional sich entwickelnden Feld positiver Medienordnung zu fördern.
Ein humaner Ansatz der digitalen Transformation, wie ihn jüngst erneut der G20-Gipfel eingefordert hat, hat in diesem Kontext selbstverständlich den medialen Schutz von Minderjährigen in besonderer Weise in den Blick zu nehmen, was auch der Ausrichtung der G20 auf den Schutz vulnerabler Gruppen entspricht. Es liegt auch jenseits der dort spezifisch adressierten Förderung von Medien- und Digitalkompetenz zudem nahe, zu versuchen, auch internationalen Kinder- und Jugendmedienschutz i.S. eines trans-civilizational approach to international law fortzuentwickeln, bei dem die gewohnte west- und staatenzentrierte Sicht des Völkerrechts durch einen Ansatz abgelöst würde, der die internationale Ordnung aus der Perspektive der verschiedenen Zivilisationen und Kulturen wahrnimmt und gestaltet. Auch ein Austausch von Regulierungsbehörden wie z.B. seitens der KJM mit einer südkoreanischen Regulierungsbehörde kann eine solche Öffnung völkerrechtlicher Perspektiven befördern. Im Zuge eines solchen intensivierten Dialogs ließen sich ggf. drei Säulen für eine den Rechtskreis der EU und des Europarates überschreitende Fortentwicklung des internationalen Kinder- und Jugendmedienschutzes identifizieren:
Auch mit Blick auf den raschen Wandel bei Medientechnologie und Mediennutzungsverhalten Minderjähriger zielt die Fortentwicklung nicht auf detaillierte inhaltliche Vorgaben, sondern auf die Bestimmung von gemeinsamen Zielen zur Eindämmung von Wirkungsrisiken. Dies ermöglicht bei der Adaption der neuen völkerrechtlichen Vorgaben in nationales Kinder- und Jugendmedienschutzrecht eine Berücksichtigung nicht zuletzt auch kultureller Besonderheiten ebenso wie eine verstärkte Adaptionsfähigkeit der Umsetzungsmaßnahmen in Bezug auf die völkerrechtlichen Vorgaben an neue Herausforderungen. Nicht nur im Blick auf erste positive Erfahrungswerte deutscher Jugendmedienschutzaufsicht und das diesbezügliche Erkenntnisinteresse von Regulierungsbehörden in Drittstaaten, sondern auch im Blick auf völker- und europarechtliche Debatten zur Regulierung von KI empfiehlt sich eine verstärkte, grundrechte- und grundwertekompatible Nutzung von KI als Tool des Kinder- und Jugendmedienschutzes. Eine transnationale Ausrichtung der betreffenden Fördermaßnahmen könnte dabei einen Beitrag leisten, bei den selbstlernenden Mechanismen des Aufsichtstools auch die Fehleranfälligkeit in Bezug auf kulturelle Vorverständnisse des Schutzsystems zu minimieren. Eine Intensivierung des interdisziplinären Austausches und der internationalen Kooperation von Jugendschutzbehörden bleibt im Zusammenspiel von Praktikern auf Regulierungs- und Politikebene einerseits, und Wissenschaftlern andererseits von fundamentaler Bedeutung über den Tag hinaus.