Antworten von Heike Raab (SPD), Staatssekretärin beim Bund und für Europa und Medien des Landes Rheinland-Pfalz und Thorsten Bischoff (SPD), Staatssekretär für Medienpolitik und Bevollmächtigter des Saarlandes beim Bund
Nach Auffassung von Heike Raab, Medienstaatssekretärin in Rheinland-Pfalz, müssen die Landesmedienanstalten bei der Umsetzung des Digital Services Act (DSA) eine zentrale Rolle einnehmen. Beim EMFA und dem DSA sei es gelungen, die Stärken des föderalen und staatsfernen Mediensystems in Deutschland zu erhalten. In Bezug auf die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, spricht Heike Raab von einem „Mammutthema“. Ihr gehe es dabei „um mehr als den Rundfunkbeitrag“ sagt sie. Dazu plädiert sie für effizientere Strukturen in den Anstalten, dafür, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk Innovationsmotor sein müsse und anders als bisher mit dem Publikum kommunizieren müsse und sich um die jüngeren Leute kümmere. Das Saarland startet mit einem „frisch reformierten Saarländischen Mediengesetz und einem vollständig neuen SR-Gesetz“ in das Jahr 2024. Damit gäbe es, so Thorsten Bischoff, Medienstaatssekretär im Saarland, künftig mit dem Saarländischen Rundfunk, eine sehr effiziente, dynamische Einheit, die Vorbild auch für andere Sender sein könne. Für die Ermittlung des Finanzbedarfs fordert Bischoff, neue Modelle zu prüfen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht würden und eine bessere Planbarkeit gewährleisteten.
Heike Raab, Staatssekretärin beim Bund und für Europa und Medien des Landes Rheinland-Pfalz:
medienpolitik.net: Wo liegen für Ihre Landesregierung die medienpolitischen Schwerpunkte für 2024?
Raab: 2024 wird ein herausforderndes Jahr in der Medienpolitik und ich bin zuversichtlich, dass wir nach den wichtigen Entscheidungen in diesem Jahr – sowohl in Europa als auch im Bund und im Länderkreis – weitere Weichen stellen können. Ziel ist es, Europa souverän und resilient zu machen. Wir wollen die Demokratie und die Medienfreiheit stärken sowie die digitale Transformation vorantreiben. Dazu braucht es eine wirksame Plattformregulierung und Guidelines für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. All diese Themen begleiten wir Länder aktiv. Beim EMFA und bei der nationalen Umsetzung des DSA im Digitale-Dienste-Gesetz ist es gelungen die Stärken unseres föderalen und staatsfernen Mediensystems in Deutschland zu erhalten. Klar ist dabei immer: Wir wollen unsere vielfältige Medienlandschaft nicht nur im Bestand sichern, sondern fit für die Zukunft machen. Und dies zeigt sich in allen aktuellen Bereichen: Als Verhandlungsführer für Deutschland haben wir Länder uns kraftvoll und konstruktiv in die Verhandlungen zum European Media Freedom Act eingebracht und klar Position bezogen. Diese Bemühungen haben sich ausgezahlt: der EMFA ist nun im Trilog geeint.
Bei der Umsetzung des Digital Services Act (DSA), arbeiten die Länder parallel zum Kabinettsentwurf des DDG am 5. MÄStV. Insbesondere beim Digitale Dienste Gesetz des Bundes, musste die Frage des zuständigen Digital Services Coordinator gelöst werden. Unser Ziel ist es, die Europäischen Vorgaben möglichst zügig und kohärent in das nationale Recht zu übertragen, so dass keine Regelungslücken entstehen. Das Vorgehen der Landesmedienanstalten gegen rechtswidrige Inhalte im Kontext des Nahostkonflikts belegt, dass die deutsche Medienaufsicht effektiv und schnell Verstöße identifiziert und gegen sie vorgeht. Die Landesmedienanstalten können und müssen deshalb beim DSA eine zentrale Rolle einnehmen. Hierfür haben wir Länder uns von Anfang an stark gemacht.
Auf internationaler Bühne, der WRC-23, die erst vor einigen Tagen zu Ende ging, konnten wir die Frequenzen für Kultur und Medien sichern: Der Frequenzbereich zwischen 470 und 694 MHz bleibt primär für terrestrisches Fernsehen, DVB-T2, und Kultur erhalten. Damit werden die Menschen in der Fläche kostengünstig und verlässlich erreicht und der Rundfunk hat ausreichende Planungssicherheit, um die Entwicklung von 5G-Broadcast weiter voranzutreiben.
In Deutschland wird uns natürlich die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stark beschäftigen. Bei diesem Mammutthema wollen wir mehrere parallele Prozesse zusammenbinden: Wir Länder arbeiten mit Hochdruck an der Umsetzung der „Deidesheimer Beschlüsse“ in konkrete Maßnahmen. Auch der Zukunftsrat, den wir Länder im Frühjahr 2023 eingesetzt haben, wird uns sicherlich wertvolle Impulse vorlegen. Zur Bewertung der finanziellen Auswirkungen der verschiedenen Reformüberlegungen werden wir die KEF um ein entsprechendes Sondergutachten bitten.
Ein Sorgenkind ist und bleibt die Presseförderung. Leider ist es bisher auf Bundesebene nicht gelungen, eine temporäre Zustellförderung auf den Weg zu bringen. Die Tatsache, dass es mittlerweile Regionen gibt, in der keine Tageszeitung mehr ausgeliefert wird, wird durch die digtialen Möglichkeiten noch nicht aufgefangen. Menschen brauchen Zeit zum Umstieg vom Papier auf das E-Paper.
2024 werden wir auch den Jugendmedienschutz mit dem 6. MÄStV effizienter und effektiver gestalten. Es geht um besseren technischen Jugendmedienschutz. Zudem schaffen wir wirksamere Instrumente für die Medienaufsicht zum Beispiel beim Vorgehen gegen sogenannte Mirror Domains.
Auf regionaler Ebene steht die Novelle des SWR-Staatsvertrages an. Diskutiert werden hier derzeit u.a. die Flexibilisierung hinsichtlich der Ausspielwege, aber auch der Focus der regionalen Angebote des SWR. Weiterhin werden Regelungen zu Compliance und Good Governance aus dem Medienstaatsvertrag umgesetzt.
„Es geht um mehr als den Rundfunkbeitrag. Wir wollen und müssen den Grundstein legen für den digitalen öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Zukunft.“ Heike Raab
medienpolitik.net: Die Länder arbeiten intensiv an einem weiteren Reformstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Welche Reformen müssten sich Ihrer Meinung nach unbedingt in einem solchen Medienänderungsstaatsvertrag wiederfinden?
Raab: Wie sie wissen hat die Rundfunkkommission der Länder im Januar 2023 in Deidesheim Reformfelder definiert, zu denen Vorschläge entwickelt werden. Die Reformfelder lauten „Digitale Transformation gestalten und Qualität stärken“, „Strukturen und Zusammenarbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks optimieren und Beitragsstabilität sichern“ sowie „Good Governance weiter stärken“. Bei diesem Mammutthema wollen wir im Januar 2024 in einer Klausur mehrere parallele Prozesse zusammenbinden: Wir Länder arbeiten mit Hochdruck an der Umsetzung der „Deidesheimer Beschlüsse“ in konkrete Maßnahmen. Auch der Zukunftsrat, den wir Länder im Frühjahr 2023 eingesetzt haben, wird uns sicherlich wertvolle Impulse vorlegen. Zur Bewertung der finanziellen Auswirkungen der verschiedenen Reformüberlegungen werden wir die KEF um ein entsprechendes Sondergutachten bitten.
Es geht um mehr als den Rundfunkbeitrag. Wir wollen und müssen den Grundstein legen für den digitalen öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Zukunft. Für die Vorsitzende der Rundfunkkommission und auch für mich sind dabei drei Schwerpunkte entscheidend: Wir brauchen effizientere Strukturen in den Anstalten, der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss Innovationsmotor und Impulsgeber sein und er muss anders mit dem Publikum kommunizieren und sich um die jüngeren Leute kümmern.
Denn es ist heute entscheidend, wer morgen und übermorgen die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konsumiert und ob auch die jungen Leute dabei sind. Die Zielgruppen von Ki.Ka und funk, den beiden jungen Angeboten von ARD und ZDF, umfassen heute fast 30 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland. Ihr Budget macht jedoch unter 1,4 Prozent des Jahresbudgets des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus. Wer die jungen Menschen in Zukunft besser erreichen will, muss deshalb einen Fokus auf die jungen Angebote, insbesondere bei funk und Ki.Ka und generell die Online-Angebote legen und diese finanziell besser ausstatten.
Mehr Innnovation heißt für mich auch, dass wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kreativer denken als in den bekannten Mustern der Programmschemen und Mediatheken. Die digitale Welt bietet viel mehr Möglichkeiten zur Vermittlung des öffentlich-rechtlichen Auftrags, als sie bisher genutzt werden. Hier müssen wir alle mehr Offenheit für Innovation und neue Ideen zeigen. Ich kann mir zum Beispiel eine verstärkte Zusammenarbeit der Rundfunkanstalten mit Bildungseinrichtungen vorstellen. Auch im Bereich Games sehe ich viel ungenutztes Potential.
Mehr Zusammenarbeit der Rundfunkanstalten bedeutet für mich auch, gemeinsam einen fokussierten Einsatz finanzieller und personeller Ressourcen voranzutreiben. Die journalistische und publizistische Vielfalt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wollen wir erhalten und stärken. In anderen Bereichen, wie Technik und Verwaltung kann und muss aber viel mehr gemeinsam getan werden. Dies kann für ARD, ZDF und Deutschlandradio auch eine Chance sein, um Ressourcen für die journalistische Arbeit zu gewinnen und dafür, den qualitativ hochwertigen Content zu produzieren, den unsere lebendige Demokratie so sehr braucht.
Thorsten Bischoff, Staatssekretär für Medienpolitik und Bevollmächtigter des Saarlandes beim Bund:
medienpolitik.net: Wo liegen für Ihre Landesregierung die medienpolitischen Schwerpunkte für 2024?
Bischoff: Wir starten mit einem frisch reformierten Saarländischen Mediengesetz und einem vollständig neuen SR-Gesetz in das Jahr 2024. Insoweit sind wir erstmal aufgerufen, die Umsetzung der neuen Regelungen zu begleiten und zu unterstützen. Wir haben bei der Novellierung der Mediengesetze unter anderen den Auftrag des Saarländischen Rundfunks dynamisiert, den Rundfunkrat vollständig staatsfern ausgestaltet und verkleinert, ein neues kollegiales Leitungsorgan eingeführt und für Spitzengehälter eine „Qualifizierte Begründungspflicht“ eingeführt.
Uns war wichtig sagen zu können: wir haben unsere medienpolitischen Hausaufgaben gemacht. Auch damit klar ist, im Saarland gibt es mit dem Saarländischen Rundfunk eine sehr effiziente, dynamische Einheit, die Vorbild sein kann, auch für andere Sender. Gerade für die kleinen und sehr wirtschaftlich aufgestellten Häuser kommt es aber auch auf jeden Cent Rundfunkbeitrag an. Wir setzen uns deshalb für eine funktionsgerechte Finanzausstattung des Saarländischen Rundfunks, sowie von ARD, ZDF und Deutschlandradio ein. Im kommenden Jahr werden wir uns zudem verstärkt mit der Landesmedienanstalt austauschen, deren Aufgabe wir im neuen Saarländischen Mediengesetz gesetzlich fokussiert haben. Sie soll den aktuellen Anforderungen an Vielfaltssicherung und Standortförderung im digitalen Umfeld noch passgenauer gerecht werden. Hierzu gehört auch der Blick auf KI-Anwendungen und deren Bedeutung für die Medienregulierung.
„Für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist entscheidend, wie er seine starken Akzeptanzwerte im Linearen in die Digitale Welt übertragen kann.“ Thorsten Bischoff
medienpolitik.net: Die Länder arbeiten intensiv an einem weiteren Reformstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Welche Reformen müssten sich Ihrer Meinung nach unbedingt in einem solchen Medienänderungsstaatsvertrag wiederfinden?
Bischoff: Für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist entscheidend, wie er seine starken Akzeptanzwerte im Linearen in die Digitale Welt übertragen kann. Dies gelingt nur mit einem starken Portfolio auf allen Nutzungswegen. Insbesondere im Netz besteht sonst die Gefahr eines Generationenabrisses. Dieses Ziel sollte auch in einem Reformstaatsvertrag im Mittelpunkt stehen beispielsweise durch die Vorgabe einer gemeinsamen Plattform von ARD und ZDF. In vielen Fällen können und sollen die Sender noch stärker zusammenarbeiten. Insbesondere im Bereich der Technik und Verwaltung können Doppelstrukturen konsequent abgebaut werden und dadurch der Rundfunkbeitrag entlastet werden. Hierfür sollte der Reformstaatsvertrag den gesetzlichen Rahmen geben. Wir sollten allerdings bei der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch im Blick haben, dass Digitalisierung Geld kostet und wir die föderale Vielfalt der ARD erhalten. Hierfür ist eine finanzielle Planbarkeit für die Anstalten essentiell. Wir sollten für die Ermittlung des Finanzbedarfs neue Modelle prüfen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werden und eine bessere Planbarkeit gewährleisten.