Benutzeroberflächen avancieren zunehmend zum Eingangstor in die Video- und Fernsehwelt. Vier von zehn Personen landen nach dem Einschalten ihres Connected TVs darauf und müssen von dort zu den gewünschten Inhalten navigieren. Die von den Medienanstalten veröffentlichten ‚Video Trends 23’ zeigen auch eine deutliche Lücke in der Transparenz solcher Oberflächen auf, denn nur ein Fünftel der Befragten hat bisher die gesetzlich vorgeschriebenen Transparenzangaben wahrgenommen. Dass mit 73 Prozent vor allem 14- bis 29-Jährige den Wunsch äußern, Public-Value-Inhalte leichter auf der Smart TV-Oberfläche finden zu können, unterstreicht gleichzeitig sehr klar die Bedeutung der Auffindbarkeit von Inhalten.
„Schon heute haben Benutzeroberflächen eine zentrale Bedeutung für die Nutzung von Online-Videos – Tendenz steigend. Nutzerinnen und Nutzer müssen nachvollziehen können, warum ihnen bestimmte Inhalte auf ihren Smart TVs angezeigt werden. Die Video Trends 2023 zeigen erneut klar den Nachholbedarf bei der Umsetzung der Transparenzvorgaben des Medienstaatsvertrags. Anbieter sollten ihre Expertise in der Entwicklung kundenfreundlicher Angebote noch stärker für die Aufklärung ihrer Nutzerinnen und Nutzer einsetzen,“ sagt Dr. Thorsten Schmiege, Koordinator des Fachausschusses Infrastruktur und Innovation der Medienanstalten und Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM).
Die wichtigsten Erkenntnisse der Video Trends 23 zusammengefasst:
- Transparenz: Nur ein Fünftel der Befragten hat die Transparenzangaben von Benutzeroberflächen wie Smart TVs bisher wahrgenommen. Nur jeder Fünfte gibt an, schon einmal Informationen dazu gesehen zu haben, nach welchen Kriterien Inhalte und Apps auf den Oberflächen angeordnet sind und wie ihre Sortierung verändert werden kann. Dabei sind insbesondere Jüngere an solchen Informationen interessiert. Mehr als die Hälfte der 14- bis 29-jährigen Nutzer gibt an, grundsätzlich mehr darüber erfahren zu wollen, warum bestimmte Inhalte oder Apps auf der Oberfläche ihres TV-Geräts hervorgehoben werden
- Public Value: 63 Prozent der Befragten fände es nützlich, wenn Public-Value-Inhalte leicht auf der Smart TV-Oberfläche auffindbar wären. Auch hier sind es insbesondere die 14- bis 29-Jährigen, die sich mehr Orientierung wünschen. Knapp drei Viertel (73 Prozent) fänden eine leichte Auffindbarkeit von Public Value nützlich.
- TV Empfang über offene IP-Netze steigt: 5 Mio. Personen leben in Haushalten, die ihr TV-Gerät ausschließlich mit dem Internet verbunden haben. Tendenz: klar steigend, denn etwa 7,9 Mio. geben an, in Zukunft nur noch über das Internet fernsehen zu wollen.
- Videos über das Internet: 57,7 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland nutzen regelmäßig (mindestens einmal im Monat) Online-Videos. In der Generation Z nutzen sechs von zehn Personen täglich Videos aus sozialen Medien oder Video-Sharing-Diensten. Aggregatoren wie Medienintermediäre und Medienplattformen dominieren damit die tägliche Videonutzung in dieser Generation.
50,7 Millionen Personen, also 74 Prozent der TV-Haushalte in Deutschland, haben Zugang zu einem mit dem Internet verbundenen TV-Gerät (Connected TV). Vier von zehn dieser Personen geben an, nach dem Einschalten des Fernsehers zunächst mit dem Navigationsmenu ihres Smart-TVs (27 Prozent) oder eines anderen angeschlossenen Gerätes, wie z.B. einer Set-Top-Box oder eines Streaming-Sticks (13 Prozent) konfrontiert zu sein. Danach gefragt, was sie denken, wie die Auswahl der Inhalte und Apps erfolgt, die ihnen auf ihrem Smart-TV angezeigt werden, geben zwei von drei Personen an, dass Unternehmen für die Positionierung ihrer Inhalte und Apps bezahlen. Eine ähnlich hohe Zustimmung erfährt auch die Feststellung, dass insbesondere beliebte Angebote hervorgehoben werden. Etwas mehr als die Hälfte geht davon aus, dass die vorherige Nutzung ausschlaggebend für die Anzeige ist. Aber: Nur etwa vier von zehn Personen sehen die TV-Gerätehersteller in der Verantwortung für die Anzeigelogik; und nur ein Viertel der Nutzer weiß, dass es gesetzliche Vorgaben zur leichten Auffindbarkeit gibt.
„Wer ausschließlich über das offene Internet empfängt, schaut deutlich seltener klassisches Fernsehen als diejenigen mit traditionellen Empfangswegen.“
DVB-T2-Empfang steigt
Der einfache und kostengünstige Empfang von TV-Programmen via Antenne erfreut sich in Deutschland einer zunehmenden Beliebtheit. Nach den Video Trends 2023 der Medienanstalten schauen 15 Prozent der Deutschen, also 5,9 Mio. Haushalte, Fernsehen über DVB-T2 HD. Das ist eine Steigerung von 37 Prozent seit 2019. Während der Empfang über klassische Fernsehgeräte stabil bleibt, erfährt die Nutzung über PC/Laptop und mobile Geräte ein erneutes Wachstum. Chancen auf eine zusätzliche Nutzung von DVB-T2 HD bestehen durch Wechseloptionen für Mieter nach Wegfall des Nebenkostenprivilegs im Juli 2024.
Immer mehr Haushalte beziehen das TV-Programm über das Internet
Knapp fünf Millionen Personen leben in sogenannten „Connected TV Only“-Haushalten, d.h. sie beziehen ihr TV-Programm am Fernsehgerät nicht mehr über einen „traditionellen“ Empfangsweg, sondern ausschließlich über das Internet. Tatsächlich scheint sich das sogenannte „cord-cutting“ weiter durchzusetzen. Jede fünfte Person, die regelmäßig Inhalte aus dem Internet an ihrem TV-Gerät nutzt, gibt an, in den nächsten zwei Jahren komplett auf einen herkömmlichen TV-Anschluss verzichten zu wollen. Das entspricht etwa 7,9 Millionen Personen, die planen, nur noch über das Internet fernzusehen Die tägliche TV-Nutzung bleibt seit gut fünf Jahren auf einem stabilen Niveau. Etwas mehr als zwei Drittel der Personen ab 14 Jahren in TV-Haushalten mit klassischem Fernsehempfang nutzen täglich lineares Fernsehen an ihrem TV-Gerät. Aber: Wer ausschließlich über das offene Internet empfängt, schaut deutlich seltener klassisches Fernsehen als diejenigen mit traditionellen Empfangswegen. Knapp ein Drittel der Personen in OTT-Only-Haushalten gibt an, nie klassisches lineares TV zu nutzen.
Ältere gehören immer mehr zu Video-Konsumenten
Die Nutzung von Videoinhalten aus dem Internet steigt weiter an. 57,7 Millionen Personen ab 14 Jahren in Deutschland nutzen regelmäßig – mindestens einmal im Monat – Online-Videos. Das sind drei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Das Wachstum geht vor allem auf die älteren Altersgruppen der über 50-Jährigen zurück. Drei Viertel (76 Prozent) der Personen zwischen 60 und 69 Jahren nutzen Online-Videos. Selbst unter den über 70-Jährigen gehört mittlerweile fast die Hälfte (45 Prozent) zu den regelmäßigen Online-Video-Konsumenten. Altersübergreifend zeigt sich: Nicht nur die Nutzung von Videoinhalten aus dem Internet steigt an, auch die Frequenz nimmt zu. Mehr als die Hälfte konsumiert OTT-Inhalte nun (fast) täglich. Knapp zwei Drittel (64 Prozent) der Personen ab 14 Jahren in Deutschland nutzen regelmäßig Video-Sharing-Dienste. Der größte Nutzungsanteil entfällt dabei mit 63 Prozent auf die Google-Tochter YouTube, gefolgt von Twitch (10 Prozent) und sonstigen VideoSharing-Diensten (5 Prozent). Sechs von zehn Personen rufen regelmäßig Videos von Streaming-Diensten ab. Die Top 5 wird hier von Netflix (42 Prozent) und Amazon Prime Video (39 Prozent) angeführt. Es folgen Disney+ (22 Prozent), Magenta TV (13 Prozent) und der Sportanbieter DAZN (10 Prozent). Um sechs Prozentpunkte auf insgesamt 57 Prozent haben die BVOD-Angebote zugelegt. Das sind solche Angebote, die von klassischen TV-Anbietern zur Verfügung gestellt werden. In dieser Kategorie erreichen die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender beinahe die Hälfte der Menschen in Deutschland (47 Prozent), die Angebote der privaten Sender.
60 Prozent der Generation Z nutzen täglich Social-Media-Videos oder Video-Sharing-Dienste
In der Generationenbetrachtung zeigen sich deutliche Unterschiede. In den älteren drei Generationen schauen noch mehr als neun von zehn Personen regelmäßig klassisches lineares TV. Sofern Videoangebote aus dem Internet regelmäßig genutzt werden, sind es insbesondere die Angebote von TV-Sendern (BVOD) oder Video-Sharing-Diensten, in der Generation der Babyboomer auch gerne die der Video-Streaming-Dienste. Während die Generation X zum größten Teil noch regelmäßig fernsieht, zeichnen sich die Generationen Y und Z dadurch aus, dass sie mehrheitlich Video-Sharing- oder Video-Streaming-Dienste nutzen. In der Generation Z nutzen sechs von zehn Personen täglich Social-Media-Videos oder Video-Sharing-Dienste. Aggregatoren wie Medienintermediäre und Medienplattformen dominieren damit die tägliche Videonutzung in dieser Generation Die Nutzung von Videos über Angebote wie Instagram, TikTok oder YouTube ist in der Generation Z besonders stark ausgeprägt. Mehr als neun von zehn Personen dieser Generation nutzen YouTube-Videos. Sechs von zehn schauen Videos auf Instagram und fast die Hälfte tut dies auf TikTok. Facebook-Videos werden hingegen nur von etwa jeder siebten Person der Generation Z genutzt. Anders schon in der Generation Y: unter ihnen nutzt jeder Dritte Videos über das 2004 gegründete soziale Netzwerk