„Durch ein Direktorium neben einem Intendanten gerät die Freiheit unter Mehrheitsvorbehalt“

26. Oktober 2023
Helmut Hartung promedia Verlag Chefredakteur
Helmut Hartung promedia Verlag Chefredakteur
Paul Kirchhoff würdigt Leistungen von Karola Wille während ihrer zwölfjährigen MDR-Intendanz

Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net

Am 31. Oktober endet die Zeit von Karola Wille als Intendantin des Mitteldeutschen Rundfunks. Zwölf Jahre hat sie die Dreiländeranstalt sicher und vorausschauend durch die mediale und gesellschaftliche Umbruchzeit gelenkt. Nach dem gescheiterten Versuch den damaligen Chefredakteur der „Leipziger Volkszeitung“ Bernd Hilder als MDR-Intendant zu installieren, wurde die Juristische Direktorin im November 2011 mit 32 Ja-Stimmen von 39 anwesenden Mitgliedern gewählt. „Weniger leicht dürfte es sein, den Skandal-Sender wieder auf Kurs zu bringen.“ Schrieb damals der „Spiegel“. Und Wille brachte den „Skandal-Sender“ wieder auf Kurs: Sie setzte unter anderem eine Compliance-Ordnung durch, die Jahre später zum Vorbild der ARD wurde. Während ihres ARD-Vorsitzes beschloss der Senderverbund weitreichende Reformen in einem Umfang von annähernd 2 Mrd. Euro. Der MDR gehörte zu den ersten Anstalten, die sich der digitalen Transformation konsequent annahmen. Die Gemeinschaftseinrichtung ARD Kultur und die Übernahme des ARD Mittagmagazins gehören zu den jüngsten Erfolgsgeschichten des auch wirtschaftlich stabilen Senders. In der letzten Sitzung des Rundfunkrates, in der Karola Wille verabschiedet worden ist, hielt der ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Paul Kirchhof, eine Laudatio auf die scheidende Intendantin, die wir hier in Auszügen publizieren.

Idee des Rundfunks

Jedes menschliche Handeln braucht eine Idee. Auf einem Sportplatz – auf dem jeweils elf Personen in roten und im blauen Trikot stehen, mit einem danebenliegenden Ball – findet noch kein Spiel statt. Erst wenn diese Menschen die Idee eines Fußballspiels haben, dann beginnt der Wettstreit. Dann füllt sich das Stadion in Leipzig mit vielen begeisterten Teilnehmern. Oder wenn wir ein politisch bedeutsameres Beispiel wählen: die Wiedervereinigung. Die große Idee der Freiheit, getragen von den Bürgern der damaligen DDR, hat die Mauer zum Einstürzen gebracht. Es ist ein einmaliges Ereignis in der Rechtsgeschichte, dass so etwas in Friedlichkeit gelingt. Die Idee des Rundfunks hat Frau Wille problembewusst und entscheidungsverantwortlich folgendermaßen definiert: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll ein funktionierendes Gespräch der Gesellschaft mit sich selbst ermöglichen“. Das ist ein großes und wohl einmaliges Wort. Dieses Wort besagt, dass der MDR seine Themenwelt ins Wort und ins Bild rückt, die Wirklichkeit kommentiert und kritisiert und zeitgleich der Gesellschaft Impulse gibt und sie inspiriert. Dabei wird der Nutzer als ein Partner empfunden, mit dem es sich zu sprechen lohnt. Das Prinzip unserer Gesellschaft, die Wirklichkeit zu verstehen, ist die Rede und Gegenrede. Dieses Prinzip gilt gleichermaßen in der Wissenschaft, im Rundfunk und im Gerichtssaal. „Wir müssen den anderen hören, weil er auch Ideen, Erfahrungen und Berichtenswertes sagt“ – diesen Satz von Frau Wille werden wir auch in Zukunft vielfältig zitieren.

Freiheitssensibilität der Intendantin

Die entschiedene Freiheit hat ihre Wurzel in der Biografie des Freiheitsberechtigten. Frau Wille, Sie haben eine Diktatur erlebt. Sie haben einen Staatsfunk beobachtet. Sie haben Ihre Jugend in einer Gesellschaft verbracht, die nicht von der Freiheit geprägt war. Sie können uns deshalb besonders eindrucksvoll bewusst machen, dass sich jeder Mensch in die Gepflogenheit seiner Gesellschaft hinein lernt, dort seine Sprache, seine Motorik, sein Sozialverhalten erfährt, in seinem Studium sich prägen lässt und dass ein einseitiger Funk zum einseitigen Denken, aber eben auch zum Widerstand drängt. Sie haben gesagt, der MDR habe einen Erfahrungsvorsprung mit tiefgreifenden Umund Aufbrüchen, mit Sinnsuche und Verlustängsten. Mit dieser Erfahrung wollen Sie das Neue aus dem Alten heraus erzählen, eine europäische Mittlerrolle sowie eine Rolle innerhalb der Wiedervereinigung Deutschlands – die wir bald zu einem Ende bringen müssen – übernehmen.

Sie sagen: „Das Heute ist schon morgen das Gestern“ – das ist die Verantwortlichkeit in der Zeit, das ist die Kontinuität, das ist die Nachhaltigkeit. In diesem Sinne können wir unser Studentenlied, dass die Gedanken frei sind, nur verwirklichen, wenn wir in Gesellschaft, Staat und insbesondere in den Medien den freiheitlichen Rahmen für freies Denken und freies Sprechen vorfinden. Manche Medien allerdings verstehen sich als Meinungsmacher, die dem Leser, dem Hörer, dem Zuschauer, dem Wähler ihre Meinung vermitteln wollen, weil sie die politisch, gesellschaftlich und kulturell richtige sei. Das Grundgesetz sieht dieses Verhältnis zwischen Medien und informationswilligen Nutzern ganz anders und stellt in demselben Artikel die Medienfreiheit und die Informationsfreiheit des Nutzers gegenüber. Der Nutzer weiß, was er sehen will, weiß, was er nicht sehen will, weiß, was er bewusst übersehen will. Deshalb – und weil heute viele publizierten Bilder und Worte sich ähneln und sogar Kommentare nachbarschaftlich wirken – sind der Rundfunk und die Nutzungsfreiheit so wichtig. Vor diesem Hintergrund muss eine Begegnung zwischen Medium und Nutzer zur Freiheit des Meinungsaustausches und der Meinungsbegegnung führen. Auch der Journalist ist seinen Nutzern gegenüber verantwortlich. Er übt seinen Beruf so aus, dass die Leistung dem Empfänger und dem Betroffenen gerecht wird. Würde er die Leistung auf den Betroffenen nicht abstimmen, würde er letztlich seine Freiheit verlieren. Auch die Selbstverständlichkeit des Freisprechendürfens ist heute ein Thema, ein Auftrag. Wir erleben etwa – in Fragen zur Gleichberechtigung, zur deutschen Geschichte, zu Geflüchteten und auch zur Freiheit, einen bestimmten Gast als Redner einzuladen – bestimmte Bedrängnisse und Vorgaben, teilweise Sprechgebote und Sprechverbote. Diese können ängstigen. Sie können der freiheitlichen Begegnung die Unbekümmertheit nehmen. Sie zerstören die Bereitschaft zuzuhören und sich für das zu interessieren, was der andere meint und sagt. Demgegenüber sind Journalisten sowie Wissenschaftler hochsensibel: Wenn auch nur eine kleine Annäherung an den Gesslerhut, vor dem man sich untertänigst vorbeugen muss, stattfindet, beginnt die Sensibilität und die Gegenwehr.

„Eine Begegnung zwischen Medium und Nutzer muss zur Freiheit des Meinungsaustausches und der Meinungsbegegnung führen.“

Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Frau Wille, wir sind uns im Jahre 2016 in einem intensiveren wissenschaftlichen Austausch begegnet. Es ging um die Frage der Transparenz und Vertraulichkeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Teilweise muss sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch sichtbarer machen. Teilweise gibt es einen Ermessensspielraum. Teilweise muss er beim Datenschutz, beim Mitarbeiterschutz und beim Informantenschutz ganz bewusst die Vertraulichkeit waren. Sie haben in dieser Grundsatzfrage vieles erreicht und angestoßen. Die ARD veröffentlicht inzwischen Angaben zu Gehältern und Vergütungen, zu Programmkosten, zum Einsatz von Informationen, zu Sportmoderatoren und zur Notwendigkeit und Auswahl von Experten. Allerdings ist damit nicht gesagt, dass der Rundfunk, der eine Anstalt der Freien ist und von der Freiheit des Einzelnen geprägt ist, geeignet wäre, durch demokratische Vorgaben regiert zu werden. Wir müssen sehr unterscheiden: Wo beginnt die Freiheit? Und wo beginnt die Demokratie? Die Demokratie lebt von der Antithese zwischen Mehrheitsrechten und Minderheitenschutz, zwischen Regierung und Opposition, zwischen Repräsentation und dem einheitswahrenden Staatsvolk. Eine solche Antithese brauchen wir im Rundfunk nicht. Wir brauchen nicht den Intendanten und den Gegen-Intendanten, den Direktor und den Gegen-Direktor, den Kommentar und den Gegenkommentar. Im Gegenteil, eine Organisationsstruktur, an deren Spitze der Intendant steht, der letztlich das Handeln seiner Anstalt verantwortet, gewährleistet in der Klarheit seiner Person, seines Amtes und in der Repräsentation, in der Verantwortlichkeit gegenüber den Nutzern, am besten das, was der Rundfunk sagen will. Und wenn wir jetzt in einigen Ländern Tendenzen haben, dem Intendanten ein Direktorium an die Seite zu stellen, das mehrheitlich entscheidet und den Intendanten teilweise in die Funktion fast eines ausführenden Organs drängt, gerät die Freiheit unter Mehrheitsvorbehalt, ist also grundlegend bedroht. Eine solche Demokratisierung ist für den Rundfunk schlechthin verfehlt. Wer wäre das Wahlvolk? Das können nur die Nutzer sein. Aber welche Nutzer? Diejenigen, die gerade heute gucken oder diejenigen die in einem Monat am häufigsten geguckt haben? Die Beitragszahler? Und das Wählervotum wäre eine Abwahl des Journalisten. Da sehen sie ganz deutlich die Bedeutung der demokratischen Mehrheitsbildung hier und die individuelle Freiheit dort.

Unsere Demokratie hat die kühne Vorstellung, dass jeder Deutsche, der 18 Jahre alt ist und schreiben kann, wahlberechtigt ist. Normalerweise müssen wir, wenn wir etwa ein Auto fahren wollen, einen Führerschein machen, wenn wir einen Beruf ausüben, uns durch vorherige Prüfung qualifizieren. Hier sind wir alle Naturtalente. Wir haben das Wissen und Gewissen, um zu wählen. In dieser Kühnheit braucht die Demokratie die Unterstützung eines unabhängigen, unbefangenen öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der die jeweiligen Menschen vor und nach der Wahl und zwischen den Wahlen immer wieder möglichst offen, möglichst objektiv, möglichst kritisch inspirierend informiert und unterrichtet.

Programminhalte

Damit komme ich zum vierten Punkt, zu den Programminhalten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist rechtlich autonom und finanziell beitragsfinanziert, um dem Nutzer möglichst unbefangen Informationen und Grundlagen für die alltägliche Lebensgestaltung zu geben. Der Rundfunk verschafft seinen Nutzern Zugang zu unabhängigen Organisationen, er organisiert einen offenen Austausch in der Gesellschaft, nutzt die Rundfunkfreiheit für die Freiheitsrechte der Nutzer und ermöglicht eine produktive Teilhabe. In der Tat, der Rundfunk ist ausgerichtet auf seinen Nutzer, weil dieser, wenn er sich allabendlich vor den Fernseher setzt, seine Freiheit als formatierte Freiheit – als Freiheit im Format – erlebt. Er sieht die Welt in der Weite und Enge, in der Tiefe und der Oberflächlichkeit dessen, der dieses Format bestimmt. Er ist fremdbestimmt. Die Anforderungen an diese Fremdbestimmung, als Bedingung unserer Freiheit und unsere Demokratie, möchte ich mit fünf Hinweisen beantworten.

Erstens, der öffentlich-rechtliche Rundfunk gewinnt an Glaubwürdigkeit, wenn er die Wirklichkeit durchaus aufregend, unterhaltsam, strukturierend und dramatisch darstellt, aber auch das Leben der Menschen so schildert, wie es der Bürger erlebt, nämlich als sein gelingendes Leben, als seinen beruflichen Erfolg, als seine Geborgenheit in seiner Familie und in seiner Gesellschaft.

Zweitens, der öffentlich-rechtliche Rundfunk hebt sich von anderen Medien dadurch ab, dass er zum Beispiel in der aktuellen Diskussion um unser Wirtschaftssystem und den Klimaschutz nicht nur in der Empörung verharrt, sondern ständig die Lösungen, die besseren Handlungsmöglichkeiten, diskutiert.

Drittens, der öffentlich-rechtliche Rundfunk erfüllt seinen Auftrag in der thematischen Breite dessen, was der Mensch will. Und der Mensch ist nicht nur ein politischer Mensch. Er ist schon gar nicht nur ein rationaler Automat, der nur nach Vernunft handelt. Sondern der Mensch will lachen und weinen, er will tanzen und musizieren, er will sich aufregen und empören, er will sich wundern und begeistert sein. Er will einmal auch leichten Sinnes sein. Und für diesen Menschen, in dieser Humanität und Breite, muss der Rundfunk seinen Auftrag erfüllen.

Viertens, der Mensch ist allenfalls ein wenig Weltbürger. Er ist hoffentlich ein guter deutscher Bürger. Er ist aber vor allem verankert in seiner Region, in seiner Heimat. Und hier ist das herausragende Verdienst von Frau Wille, dass sie einmal den MDR als Förderer der Kultur ihrer Region – der deutsche Idealismus ist dort angesiedelt –entwickelt hat, dass sie die Regionalprogramme im Dritten ausgestaltet hat. Sie hat den Rundfunk als Mittler zwischen Mitteldeutschland und Gesamtdeutschland, aber auch zwischen Deutschland und Europa, entfaltet. Und das immer in Beziehung zu den betroffenen Menschen in ihrer Zeit. Wir verstehen unsere Gegenwart nur aus unserer Vergangenheit.

Ich darf das vielleicht an einem kleinen Beispiel als Außenstehender, als Beobachter erläutern. Meine Frau und ich waren auf einer Wanderschaft. Am Abend, sehr ermüdet, setzten wir uns mit einem Glas Wein vor den Fernsehapparat und wir liefen durch die Sendungen. Wir blieben bei einem Film hängen, vermutlich vom MDR verbreitet, in dem eine Familie in ihrem Trabi eine Reise nach Rom macht und dort Heiteres, Unbeschwertes, auch Ulkiges erlebt. Als der Film zu Ende war, haben wir gesagt: „Das war jetzt ein vergnüglicher Abend.“ Es war ein „Feierabend“. Ich habe mir dann gedacht, wie wohl Menschen diesen Film erleben, die früher mal selbst einen Trabi gefahren sind. Diese Menschen werden heute sicherlich nicht sagen, dass der Trabi das beste Auto der Welt sei. Sie werden heute auch sicherlich nicht sagen, sie konnten jederzeit in Freiheit nach Italien fahren. Sie werden aber neu erleben, dass sie mit diesem Auto ihr Leben gestaltet und ihre großen Erfahrungen gemacht haben. So glaube ich, gelingt es uns, Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu verbinden.

Und schließlich: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte sich nicht mit der zählbaren Wirklichkeit zufriedengeben. Wir wollen zwei Prozent Wachstum. Wir wollen zwei Prozent Inflation. Der DAX soll auf 15.000 oder 16.000 steigen. Der ÖRR muss fragen, was dahintersteckt. Ist das Politik, ist das Leistung der Wirtschaft, erstarken unsere Wissenschaften? Wir müssen fragen, was Zahlen verbergen und offenbaren. Deswegen muss der Journalist immer bedenken, wann er zählen und wann er erzählen soll, wann er messen soll und wann er ermessen soll, wann er wiegen soll und wann er abwägen soll.

„Wir brauchen nicht den Intendanten und den Gegen-Intendanten, den Direktor und den Gegen-Direktor, den Kommentar und den Gegenkommentar.“

 Qualitätsjournalismus

Damit komme ich zu meinem letzten Punkt: Den Qualitätsjournalismus. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, in einem besonderen Auftrag, erwartet von seinen Journalisten auch eine besondere Qualität. In dem Sinne, dass sie neugierig für Lebensentwürfe, Werte und Erfahrungen sowie gesellschaftliche Prägung anderer Menschen sind und daraus auch ihre Weltsicht gewinnen. Der Mensch ist nicht erziehungsbedürftig. Er ist nicht passiver Konsument, der politisch oder durch Werbung wirtschaftlich in eine bestimmte Richtung gedrängt werden muss. Natürlich kann jeder Journalist, der sein Metier beherrscht, der seine Bedeutung als Gast und Mitsprecher in den Wohnungen der Menschen jeden Abend versteht, die Gesichter einer Partei so liebenswürdig darstellen, dass ein gleichzeitig gesprochenes kritisches Wort über diese Partei völlig in den Hintergrund tritt. Er kann ein Interview mit einem Politiker der Regierung oder der Opposition durch die Art des Fragens ins Vorurteil führen. Er kann im Abspann entweder das Gesagte nachklingen lassen oder aber seine eigene Meinung durch den Abspann und dessen Formulierung darüberlegen. Er kann durch die Auswahl der Themen und durch die Einladungen bestimmter Gäste in die Talkshows für ein bestimmtes Ergebnis werben und die Diskussion in seichte oder tiefe Ebenen führen. Der Qualitätsjournalismus hebt sich davon ab, setzt auf geistige Weite, innere, nicht selbstbezogene Souveränität. Er hat Neugierde für das von ihm noch nicht Gedachte und noch nicht Erfahrene. Er hat vor allem, wie Schiller sagt „Mut vor Königsthronen“, das heißt heute Mut in einer Demokratie vor Regierungen und Parlamentsmehrheit. Wer immer nur den Meinungen der Herrschenden in schönen Worten Form und Vermittlungsmöglichkeiten gibt, verleugnet seinen Freiheitsauftrag. Natürlich gibt es in der Vielfalt der Medien den Journalisten, der parteilich ist oder einfach nur den Einflüsterungen und Weisungen einer Partei folgt. Das mag bequemer sein, das mag auch die eigene Karriere vereinfacht fördern. Aber der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist unparteilich, das ist Bedingung seiner Existenz. Und idealtypisch sollte die Zusammensetzung der Mitglieder dieses Rundfunks die Gesellschaft spiegeln. Und diese Gesellschaft ist weitgehend parteilos, nicht Mitglied einer Partei. Sie ist weitgehend parteioffen und wartet die personellen und programmatischen Alternativen ab, die die Parteien vor der jeweiligen Wahl anzubieten haben. Die Bürger sind vielfältig in ihren parteilichen Bindungen und Meinungen. Und deswegen muss die Einmaligkeit eines freien Journalismus in der Besonderheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks so entfaltet werden, dass immer eine Distanz gewahrt wird, die niemals einer der Parteien einen bestimmenden Einfluss auf den Rundfunk vermittelt. Das wäre das Ende dieser Medienform.

 

Aus der Laudatio von Prof. Dr. Paul Kirchhof zur Verabschiedung von Prof. Dr. Karola Wille durch den Rundfunk- und den Verwaltungsrat des MDR am 09.10.20

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