Fragen an Dr. Florian Herrmann, Chef der Staatskanzlei Bayerns und Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien
„Mit globalen Big-Tech-Anbietern und internationalen Online-Plattformen hat sich unser duales System heute faktisch in ein „triales“ System mit neuen Abhängigkeits- und Konkurrenzverhältnissen gewandelt“, Sagt der Chef der Bayerischen Staatskanzlei Dr. Florian Herrmann auf die Frage nach den medienpolitischen Schwerpunkten 2025. Um die vielfältige Medienlandschaft zu erhalten, müsse der Staat die finanziellen Geschäftsgrundlagen sichern und für ausreichende Planungssicherheit sorgen. Bayern lehne deshalb „gängelnde Regularien“, wie Werbeverbote, zulasten von Medienunternehmen ab. Kritik übt der CSU-Medienpolitiker daran, dass es der „gescheiterten“ Bundesregierung innerhalb von drei Jahre nicht gelungen sei, eine Reform der Filmförderung umzusetzen. Herrmann bekräftigt in seinen Antworten, dass es eine Novellierung der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten nur geben kann, wenn die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zurückgenommen werde.
medienpolitik.net: Herr Herrmann, wo liegen für Ihre Landesregierung die medienpolitischen Schwerpunkte für 2025?
Herrmann: Medien und Medienvielfalt sind die Basis für eine lebendige Demokratie. Sie sind die „Vierte Gewalt“ im Staat und dieser Kontrollmechanismus ist unverzichtbar. Ohne freie Medien gibt es keine freie Meinungsbildung, keinen demokratischen Diskurs. Uns ist es deshalb ein zentrales Anliegen, die einzigartige bayerische Medienvielfalt zu erhalten und weiter zu stärken. Gerade im Bereich der lokalen und regionalen Vielfalt gibt es bundesweit nichts Vergleichbares. Wir setzen uns für einen flexiblen und zeitgemäßen Ordnungsrahmen ein, von dem alle Medienbereiche bei uns am Standort profitieren können.
Digitale Transformation und Konvergenz sowie innovative Geschäftsmodelle verändern das Playing Field radikal– sowohl wirtschaftlich als auch journalistisch. Mit globalen Big-Tech-Anbietern und internationalen Online-Plattformen hat sich unser duales System heute faktisch in ein „triales“ System mit neuen Abhängigkeits- und Konkurrenzverhältnissen gewandelt. Steigende Kosten – etwa für Produktion, Energie, Personal und Digitalisierung – bei gleichzeitig sinkenden Werbeeinnahmen erschweren zusätzlich die Geschäftsmodelle unserer heimischen privaten Medienanbieter. Um unsere vielfältige Medienlandschaft zu erhalten, müssen wir finanzielle Geschäftsgrundlagen sichern und für ausreichende Planungssicherheit sorgen, ohne die nötige Flexibilität aus den Augen zu verlieren.
Unser Motto in Bayern ist: regulieren, wo es nötig ist, und Freiheit, wo immer möglich. Gerade in diesen wirtschaftlich herausfordernden Zeiten lehnen wir gängelnde Regularien – wie etwa unnötige Werbeverbote – zulasten von Medienunternehmen ab. Gleichzeitig schaffen wir die nötigen Rahmenbedingungen, beispielsweise mit dem kürzlich neu eingeführten Gesetzesvorbehalt für die zukünftige Beendigung technischer Ausspielwege des privaten Hörfunks. Die Branche für die UKW-Verbreitung braucht mehr Planungs- und Investitionssicherheit. Wir haben nun klargestellt, dass auch im Bereich des Rundfunks wesentliche grundrechtsrelevante Entscheidungen vom Gesetzgeber selbst zu treffen sind.
2024 war das Jahr der großen Reformen im Rundfunk- und Medienbereich. Mit dem im Oktober von den Ministerpräsidenten beschlossenen Reformstaatsvertrag für Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben wir das größte Reformpaket seit Jahrzehnten auf den Weg gebracht. Dabei sind für die Bayerische Staatsregierung Auftragserfüllung, Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Stabilität des Rundfunkbeitrags eng miteinander verknüpft. Jetzt ist es an den Rundfunkanstalten, die ihnen damit gebotenen Chancen zu ergreifen. Sie wären gut beraten, verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen und konstruktiv beizutragen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Kern unserer freien und vielfältigen Medienlandschaft zukunftsfest aufzustellen. 2025 gilt es, die wichtigen Reformen, wie beispielsweise die Reduzierung der Hörfunkprogramme, im Bayerischen Rundfunkgesetz umzusetzen.
„Mit dem im Oktober von den Ministerpräsidenten beschlossenen Reformstaatsvertrag für Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben wir das größte Reformpaket seit Jahrzehnten auf den Weg gebracht.“
Mit der kürzlich von der Ministerpräsidentenkonferenz verabschiedeten Reform des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) konnten wir Ende 2024 ein weiteres bedeutendes Projekt für die Zukunftsfähigkeit unserer Medienordnung auf die Zielgerade bringen. Bereits 2020 hatten die Ministerpräsidenten der Länder in einer Protokollerklärung beschlossen, den Jugendmedienschutz zu reformieren und insbesondere den technischen Jugendmedienschutz zukunftsfähiger zu gestalten. Im JMStV gibt es künftig Regelungen zu technischen Lösungen für den Minderjährigenschutz vor entwicklungsschädigenden Inhalten bei digitalen Endgeräten. Die Landesmedienanstalten erhalten mehr Kompetenzen, um schlagkräftiger gegen Anbieter jugendgefährdender Inhalte, insbesondere im Netz, vorzugehen. Die Reform modernisiert den Jugendmedienschutz in Deutschland und passt ihn an die Anforderungen des digitalen Zeitalters an.
Die Vermittlung von Medienkompetenz für alle Altersgruppen hat für die Staatsregierung einen unverändert hohen Stellenwert. Sie dient – wichtiger denn je – dem Schutz vor Fake News und der Bekämpfung von Desinformation. Die Fähigkeit, Informationen und soziale Netzwerke richtig einordnen zu können, ist essenziell für eine verantwortungsvolle Teilhabe an unserer demokratischen Gesellschaft. Bayern bleibt sich auch hier treu: „Verbote“ sind im Kampf gegen Desinformation nicht erste Wahl, wir setzen lieber auf den mündigen Bürger. Das gilt für die Ausgestaltung der Medienordnung genauso wie für alle anderen Lebensbereiche. Aufgabe der Medien ist Information, nicht Erziehung! Die bayerische Medienkompetenzförderung ist deshalb der richtige Weg, den wir weiterverfolgen werden. Der Medienführerschein Bayern ist eine Erfolgsgeschichte, die sich zum bundesweiten Vorbild entwickelt hat und die wir selbstverständlich fortschreiben.
Ministerpräsident Dr. Markus Söder hat im Juni 2024 Eckpunkte zum Bürokratieabbau in Bayern angekündigt, ein wichtiger Schritt hin zu einem kosteneffizienteren und noch handlungsfähigeren Staat. Wir wollen auch im Medienbereich bestehende Regelungen evaluieren und dort Strukturen verschlanken, wo es möglich und sinnvoll ist. Das gilt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wo eine Reformierung bereits im Gange ist, ebenso wie für den privaten Sektor. Bayern steht für Hightech und Innovation, auch mit besonderem Blick auf die Frage, wie Medienvielfalt und Pluralität im Zeitalter von Algorithmen und KI gesichert werden. Wir wollen keine bürokratischen Monster schaffen oder Innovation bereits im Keim ersticken. Wandel und technischer Fortschritt gehören seit jeher zur Geschichte der Menschheit und werden auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen.
Der Filmstandort Deutschland steht in starkem Wettbewerb mit Nachbarländern wie Tschechien und Österreich, die sich durch moderne Filmfördersysteme einen gewichtigen Vorteil verschafft haben. Der Filmstandort Bayern ist dadurch unweigerlich in Mitleidenschaft gezogen, was uns sorgt. Deutschland muss in diesem Bereich zwingend nachziehen. Es ist bedauerlich, dass es der gescheiterten Bundesregierung trotz dieses immer deutlicher werdenden Wettbewerbsdrucks bis heute nicht gelungen ist, die bereits vor drei Jahren angekündigte Reform der Filmförderung umzusetzen. Das Reformvorhaben muss in der neuen Legislatur rasch aufgegriffen und zielführend vorangetrieben werden. Elementar ist hierbei die Einführung einer steuerlichen Filmförderzulage. Bezüglich der Finanzierung ist dazu seitens des Bundes ein praktikabler Vorschlag zur Kompensation der Einnahmeausfälle sowie zum Vollzug erforderlich. Um eine schnelle Umsetzung der Reform zu gewährleisten, dürfen die Länder hier nicht übermäßig belastet werden. Auch eine Investitionsverpflichtung, die die Interessen aller Marktteilnehmer angemessen berücksichtigt, kann Bestandteil einer solchen Reform sein. Zudem werden wir uns dafür einsetzen, die Rahmenbedingungen vor allem für internationale Produktionen in Bayern noch attraktiver zu gestalten.
medienpolitik.net: Die Länder haben einen sehr umfangreichen Reformkatalog erarbeitet, durch den die KEF Ende der nächsten Beitragsperiode (2025 - 2028) mit ersten Einspareffekten bei den Anstalten rechnet. Welche Erwartungen haben Sie in diesem Zusammenhang an die öffentlich-rechtlichen Sender?
Herrmann: Eine umfassende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks war nicht nur Teil unseres Koalitionsvertrags für die Staatsregierung, sondern ist weiterhin ein zentraler Auftrag im Sinne unserer gesamten Gesellschaft. Deshalb freuen wir uns, dass wir gemeinsam mit den anderen Ländern mit dem im Oktober 2024 von den Ministerpräsidenten beschlossenen Staatsvertrag Maßstäbe für die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Medien gesetzt haben. Der neue Reformstaatsvertrag setzt klare Prioritäten: Die Qualität der Angebote wird gestärkt, während die Quantität von Programm und Strukturen begrenzt wird. Die umfangreichen Reformschritte reichen von einer Reduktion der Sparten- und Hörfunkkanäle über die Begrenzung der Kosten des teuren Sportrechteerwerbs bis hin zu mehr Zusammenarbeit aller Rundfunkanstalten untereinander und auch mit privaten Anbietern. Die außertariflichen Gehälter müsse sich zukünftig am öffentlichen Dienst orientieren. Institutionelle Neuerungen wie die Einführung eines Medienrats, in dem externe Sachverständige die Auftragserfüllung durch die Anstalten evaluieren, sollen zudem die Qualität der Angebote stärken. Gleichzeitig haben wir es dabei als Politik wegen des unverzichtbaren Gebots der Staatsferne nicht allein in der Hand. Jetzt ist es an den Rundfunkanstalten, ihren Teil beizutragen und die beschlossene Reform mit Leben zu füllen.
ARD und ZDF werden jeweils gemeinsam beauftragt, Spartenprogramme in Schwerpunkten anzubieten, nämlich in den Bereichen „Information/Bildung“ und „jüngere Menschen“. Dadurch werden Doppelstrukturen abgebaut und Redundanzen im Programm minimiert. Auch im Kulturbereich unterstützen wir die Weiterentwicklung von arte hin zu einem gemeinsamen europäischen Angebot mit 3Sat zusammen. Ähnlich verhält es sich bei der Reduzierung der Hörfunkprogramme. Wir können und wollen den Anstalten hier nicht vorgeben, wie sie diese Vorgaben umsetzen. Diese Entscheidungen können die Anstalten am besten treffen. So wird der Eindruck vermieden, die Anstalten würden durch immer mehr Angebote ihren Bedarf in die Höhe treiben und es wird neuer Raum geschaffen für die Entwicklung und Förderung neuer digitaler Programme.
Wir erwarten außerdem von den Anstalten, dass sie die beschlossene Verschärfung des Verbots presseähnlicher Angebote im Sinne der Ausgewogenheit in unserem dualen Mediensystem ernst nehmen. Die schärferen Vorschriften schützen die wirtschaftliche Grundlage von Presseverlagen, die einen wichtigen Grundpfeiler unserer Medienlandschaft darstellen. Denn wo Zeitungen verschwinden, findet Extremismus zunehmend Raum. Die Regelung stärkt den Kernauftrag der Öffentlich-Rechtlichen, indem bei der Gestaltung eigener Portale der Schwerpunkt noch deutlicher als bisher auf Bewegtbild und Ton liegen muss. Die Einführung einer Aktualitätsklausel begrenzt die Ausnahme für sendungsbegleitende Texte. Trotzdem behalten die Öffentlich-Rechtlichen im Kernbereich ihres Informationsauftrags die Möglichkeit, Textangebote zu machen. Dass die Anstalten hier nachsteuern müssen, liegt angesichts der in der Vergangenheit geführten – auch rechtlichen – Auseinandersetzungen zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern auf der Hand. Dies sind aber notwendige Maßnahmen, damit unser duales System in der Balance bleibt.
„Mit ihrer Klage nehmen die Anstalten der von den Ländern erarbeiteten Novelle zur Beitragsfinanzierung die Grundlage.“
Um ihrem Versorgungsauftrag gerecht zu werden, werden die Öffentlich-Rechtlichen künftig verpflichtet, mit besonders meinungs- und vielfaltsrelevanten privaten Rundfunkanbietern zu kooperieren. Die neuen Regelungen, z.B. zum sogenannten Embedding, also der Verlinkung öffentlich-rechtlicher Angebote auf privaten Plattformen, tragen den Anforderungen unserer konvergenten Medienlandschaft Rechnung. Es handelt sich hier um eine klare Win-Win-Situation für öffentlich-rechtliche wie private Anbieter: Eine Kooperation in diesem Sinne bedeutet eine Stärkung der dualen Rundfunkordnung. Sie leistet zugleich einen Beitrag zu gleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen privaten Rundfunkveranstaltern und großen Online-Plattformen, die - anders als die privaten Rundfunkanbieter - keine inhaltliche Verantwortung für ihr Angebot tragen. Die Öffentlich-Rechtlichen müssen erkennen, dass ihre Zukunft nicht nur auf Youtube oder TikTok liegt, sondern dass eine Kooperation mit heimischen privaten Medien dazu beiträgt, dass der Rundfunk insgesamt als vertrauenswürdige Informationsquelle relevant bleibt, ihre Sichtbarkeit erhöht und ihnen zugleich neue und jüngere Zielgruppen erschließt.
Wenn die Anstalten die Reform ernst nehmen, dann werden sie gestärkt aus diesem – sicher anstrengenden und mitunter auch schmerzhaften – Prozess hervorgehen, da bin ich überzeugt. Keiner bezweifelt, dass das enorme Anstrengungen erfordert, aber es ist unumgänglich. Wir sind den Anstalten auch entgegengekommen, zum Beispiel bei den bereits beschlossenen Finanzmaßnahmen. Klar sein muss aber auch: Der Rückhalt der öffentlich-rechtlichen Anbieter in der Bevölkerung ist zwar hoch, aber die effiziente und wirtschaftliche Verwendung der Beitragsmittel spielt für viele Menschen eine entscheidende Rolle, zumal in finanziell angespannten Zeiten. Dem begegnen die Anstalten, indem sie ihren Auftrag und die beschlossenen Reformen ernst nehmen und nicht, indem sie dauerhaft gegen den Willen demokratisch legitimierter Volksvertreter Erhöhungen des Rundfunkbeitrags verfassungsgerichtlich durchsetzen wollen. Die KEF hat immerhin nicht nur eine Rundfunkbeitragserhöhung errechnet, sondern auch bestätigt, dass die Anstalten über genug Rücklagen verfügen, um zwei Jahre lang ohne eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags im Sinne ihres Auftrags zu wirtschaften, bis beschlossene Reformen Wirkung zeigen können. Mit ihrer Klage nehmen die Anstalten der von den Ländern erarbeiteten Novelle zur Beitragsfinanzierung die Grundlage, das ist – vorsichtig gesprochen - kurzsichtig. Ich erwarte daher, dass die Anstalten ihre Klage zurücknehmen und damit auch dem von den Ländern entwickelten neuen Finanzierungsverfahren eine reale Chance geben.