„Ein Kraftpaket, um wichtige Weichen zu stellen“

07. Januar 2025
Rudi Hoogvliet (B 90 / Die Grünen), Staatssekretär für Medienpolitik und Bevollmächtigter des Landes Baden-Württemberg beim Bund
Rudi Hoogvliet (B 90 / Die Grünen), Staatssekretär für Medienpolitik und Bevollmächtigter des Landes Baden-Württemberg beim Bund
Baden-Württemberg erwartet die „tiefgreifendsten Reformen in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“

Fragen an Rudi Hoogvliet (B 90 / Die Grünen), Staatssekretär für Medienpolitik und Bevollmächtigter des Landes Baden-Württemberg beim Bund

Medienpolitik.net hat eine Tradition fortgesetzt und zum Jahreswechsel 2024/2025 alle für Medienpolitik Verantwortlichen in den 16 Bundesländern gefragt, wo die medienpolitischen Schwerpunkte für dieses Jahr liegen und welche Erwartungen sie an die öffentlich-rechtlichen Sender im Zusammenhang mit den geplanten Reformen haben. Für die Landesregierung von Baden-Württemberg ist ein zentrales Themenfeld die Frage des Umgangs mit digitalen Medienmonopolen. Dazu zählt die Frage, wie fairer Wettbewerb im digitalen Raum stattfinden kann und die Marktmacht nicht bei einigen wenigen globalen Tech-Konzernen liegt. Die Reformvorschläge für die Anstalten bezeichnet Rudi Hoogvliet als „Kraftpaket“. Er erwartet, dass diese neuen Möglichkeiten sei es im programmlichen Bereich oder im Bereich der Zusammenarbeit und Kooperation „konsequent genutzt werden um die Angebote weiterzuentwickeln und Einspar- und Optimierungspotentiale schnell und auch nachhaltig zu nutzen.“

medienpolitik.net:  Herr Hoogvliet, wo liegen für Ihre Landesregierung die medienpolitischen Schwerpunkte für 2025?

Hoogvliet: Ein zentrales Themenfeld wird auch im neuen Jahr die Frage des Umgangs mit digitalen Medienmonopolen sein. Wie kann fairer Wettbewerb im digitalen Raum stattfinden und die Marktmacht nicht bei einigen wenigen globalen Tech-Konzernen liegen. Die Bedeutung solcher Plattformen und Intermediären geht dabei weit über den eigentlichen Medienmarkt hinaus und ist von grundsätzlicher gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Bedeutung. Mit dem Digital-Services-Act (DSA) und dem Digital Markets Act (DMA) wurden erste wichtige Schritte gegangen, die konsequent weiterentwickelt werden müssen. Hierbei sind alle Ebenen gefragt, der Bund, die Länder und die EU. Ich denke dabei beispielsweise an Themen wie die stärkere Öffnung von Plattformen für Inhalte jenseits ihrer eigenen Infrastruktur. Solche sogenannte Outlinks dürfen von den Plattformen nicht diskriminiert werden.

Daneben wurden im Jahr 2024 verschiedene Staatsverträge auf Ebene der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder konsentiert, die im neuen Jahr nun in den Landtagen zur Beratung anstehen. Im Fokus stehen dabei sicherlich der Reformstaatsvertrag und die Pläne für eine Reform des Verfahrens zur Festsetzung des Rundfunkbeitrages.

Mit dem Reformstaatsvertrag ist es uns als Länder in intensiven Beratungen gelungen ein umfangreiches Paket zu schnüren, das ohne zu übertreiben als eine der tiefgreifendsten Reformen in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angesehen werden kann. Mit diesem Kraftpaket stellen wir wichtige Weichen um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und gleichzeitig auch das duale Rundfunksystem an sich zukunftsgerecht fortzuentwickeln. Die zentralen Ziele der Reform mit Blick auf ARD, ZDF und Deutschlandradio sind, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk digitaler, schlanker und moderner wird um seine Akzeptanz in der Bevölkerung auch zukünftig zu gewährleisten. Die Pflicht zur Zusammenarbeit zwischen den Anstalten, aber auch neue Kooperationsformen zwischen Anstalten und den Privaten versprechen Effizienzgewinne und gleichzeitig Innovationspotentiale für alle Beteiligten. Daneben sind die Nachschärfungen im Bereich der Presseähnlichkeit der Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein wichtiger Schritt für die Verlage und die Anstalten um zu mehr Rechtssicherheit und Klarheit in diesem umstrittenen Feld zu kommen. Das Land Baden-Württemberg hat sich daher sehr für gesetzliche Klarstellungen im Rahmen des Reformprozesses starkgemacht. Wichtig ist mit jedoch zu betonen, dass der Erfolg dieses Reformpakets im Wesentlichen von der praktischen Umsetzung aller Beteiligten in den Anstalten und bei den privaten Anbietern abhängt. Die neuen Möglichkeiten müssen nun von den Verantwortlichen mit Leben gefüllt werden.

„Ich mache keinen Hehl daraus, dass die erhobene Verfassungsbeschwerde der Anstalten die finalen Beratungen in der Ministerpräsidentenkonferenz erheblich erschwert hat.“

Im Bereich der Rundfunkfinanzierung haben wir uns als Länder ebenfalls auf einen Systemwechsel verständigt. Das Widerspruchsmodell sichert einerseits die funktionsgerechte Finanzierung der Anstalten und andererseits die Mitwirkungsinteressen der Landesparlamente und Landesregierungen bei der Festsetzung des Rundfunkbeitrages. Hier gilt es jetzt die Reaktion der Anstalten auf den Beschluss der Länder abzuwarten. Die Länder gehen davon aus, dass mit diesem Beschluss die Grundlage für die Verfassungsbeschwerden von ARD und ZDF entfallen ist.

Eine weitere wichtige Reform mit besonders hoher praktischer Relevanz gerade für Familien und Erziehungsberechtigte an sich, ist die Novelle des Jugendmedienschutzstaatsvertrages im 6. Medienänderungsstaatsvertrag. Hier schaffen wir eine moderne Regulierung im Bereich des technischen Jugendmedienschutzes, indem wir eine Pflicht zur Schaffung von niedrigschwelligen Einstellungsmöglichkeiten in den Betriebssystemen der Endgeräte einführen. Jugendmedienschutz muss dort ansetzen, wo Kinder und Jugendliche tatsächlich Medien konsumieren und das sind zunehmend die digitalen Endgeräte.

„Die Landesregierung Baden-Württemberg verfolgt die Herausforderungen für die Verlagsbranche und den Qualitätsjournalismus an sich mit großer Sorge.“

Ein weiterer wichtiger medienpolitischer Meilenstein in Baden-Württemberg wird im Jahr 2025 zudem die Novelle des SWR-Staatsvertrages sein. Ziel des gemeinsamen Staatsvertrags mit Rheinland-Pfalz ist die Gewährleistung eines starken, leistungsfähigen SWR, der in der digitalisierten Medienwelt zukunftsfest aufgestellt ist. Hierzu sollen der Auftrag des SWR geschärft werden und die Regionalität und die Landesidentität in den Angeboten des SWR gestärkt werden. Gleichzeitig soll die gesetzliche Beauftragung der Angebote modernisiert und an das veränderte Mediennutzungsverhalten angepasst werden. Hierzu wird die starre Beauftragung im Bereich der Hörfunkangebote flexibilisiert. Zu den weiteren wichtigen Maßnahmen gehört auch eine grundlegende Reform der Gremien und deren Zusammensetzung mit dem Ziel der Steigerung der Qualität und Effizienz der Aufsicht.

Daneben verfolgt die Landesregierung Baden-Württemberg die Herausforderungen für die Verlagsbranche und den Qualitätsjournalismus an sich mit großer Sorge. Demokratie braucht ein funktionierendes Mediensystem mit hochwertigem Qualitätsjournalismus. Hierfür muss Journalismus auch in Zukunft ein attraktives Berufsfeld bleiben. Die fortschreitende Digitalisierung und die Innovationen in diesem Bereich - gerade auch mit Blick auf KI - erfordern, dass Journalisten kontinuierlich auf der Höhe der Zeit bleiben. Daher fördert das Land Baden-Württemberg im aktuellen Doppelhaushalt Maßnahmen zur journalistischen Aus- und Fortbildung.

Über diese konkreten Vorhaben hinaus gilt es natürlich auch die Pläne mit Medienbezug der neuen EU-Kommission und einer neuen Bundesregierung abzuwarten.

medienpolitik.net: Die Länder haben einen sehr umfangreichen Reformkatalog erarbeitet, durch den die KEF Ende der nächsten Beitragsperiode (2025 - 2028) mit ersten Einspareffekte bei den Anstalten rechnet. Welche Erwartungen haben Sie in diesem Zusammenhang an die öffentlich-rechtlichen Sender?

Hoogvliet: Zentrale Aspekte des Reformstaatsvertrages aber auch des geplanten neuen Finanzierungssystems gelten ab den Jahren 2027 bis 2029 und entfalten ab dann auch ihre Wirkung. Damit diese Veränderungen im nächsten KEF-Bericht auch entsprechend Berücksichtigung finden können, soll auch eine Veränderung des bisherigen Rhythmus der Beitragsperioden vollzogen werden, sodass eine erneute Bedarfsermittlung durch die KEF für die Jahre 2027 bis 2030 erfolgt. Gesetze und Staatsverträge sind immer nur so gut, wie ihre Umsetzung in der Praxis. Mit dem Reformstaatsvertrag haben die Verantwortlichen in den Sendern nun zahlreiche neue Instrumente in der Hand. Ich erwarte, dass diese neuen Möglichkeiten sei es im programmlichen Bereich oder sei es im Bereich der Zusammenarbeit und Kooperation konsequent genutzt werden um die Angebote weiterzuentwickeln und Einspar- und Optimierungspotentiale schnell und auch nachhaltig zu nutzen.

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