
Fragen an Christian Sommer, Country Representative Germany, Austria & Switzerland, Motion Picture Association
Die Motion Picture Association (MPA) ist der Verband großer US-amerikanischer Filmproduktionsgesellschaften. Sie sieht sich als Interessenvertretung der amerikanischen und weltweiten Film- und Fernsehindustrie. Mitglieder sind die Walt Disney Studios Motion Pictures; Netflix Studios, LLC; Paramount Pictures Corporation; Prime Video & Amazon MGM Studios; Sony Pictures Entertainment Inc.; Universal City Studios LLC; und Warner Bros. Discovery Inc. Zu den filmpolitischen Schwerpunkten zählt Christian Sommer, Motion Picture Association, die Etablierung eines attraktiven Anreizmodells in Deutschland. Eine Investitionsverpflichtung, so Sommer, werde keine Investitionen nach Deutschland lenken können. Von der EU-Kommission erwartet die MPA, sicher zu stellen, dass die EU-Mitgliedstaaten die bestehenden Vorschriften zur Bekämpfung von illegal abgerufenen und verbreiteten Inhalten korrekt umsetzen und anwenden.
medienpolitik.net: Herr Sommer, mit welchen medienpolitischen Themen wird sich ihr Verband 2025 vor allem befassen?
Sommer: Ein zentrales Thema wird auch in diesem Jahr sein, wie der Film- und Serienstandort Deutschland wettbewerbsfähig und investitionsfreundlich gestaltet werden kann. Zwar hat die BKM mit der Verlängerung der bisherigen Förderinstrumente, verbunden mit einer Erhöhung der Förderquote und der Kappungsgrenzen, eine respektable Übergangslösung geschaffen, jedoch ersetzt diese nicht die notwendige grundlegende Umstellung auf ein System mit steuerlicher Komponente. Die kommende Bundesregierung und die sie tragende Koalition werden sich damit auseinandersetzen müssen, wie der Filmstandort Deutschland schnell und nachhaltig wiederbelebt werden kann.
Der Fokus sollte dabei auf der zügigen Einführung eines attraktiven Anreizmodells liegen, unter frühzeitiger Einbindung der Länder. Das erneute Aufgreifen der zuletzt gescheiterten Idee einer Investitionsverpflichtung wäre hingegen ein Fehler, der dem Standort, den Verbrauchern und der Branche schaden und möglicherweise jahrelange Unsicherheiten verursachen würde. Die neue Bundesregierung sollte den Fehler vermeiden und das dringend erforderliche Anreizmodell, das von der gesamten Branche einhellig unterstützt wird, nicht erneut mit der hochumstrittenen und nicht nur rechtlich fragwürdigen Investitionsverpflichtung politisch verknüpfen. Denn eine Investitionsverpflichtung wird keine Investitionen nach Deutschland lenken können. Dies kann nur ein attraktives Anreizmodell leisten, das unumstritten ist und auf das sich die kommende Regierungskoalition konzentrieren sollte - ohne eine Investitionsverpflichtung. Im Sinne des Standorts, der Branche, der Verbraucher und vor allem für qualitativ hochwertige Filme und Serien werden wir weiterhin für ein solches Modell werben.
Weitere Themen, die von Bedeutung sind, betreffen die "Dauerbrenner" der Branche, wie etwa die Rahmenbedingungen für die Durchsetzung von Urheberrechten sowie flexible Vorgaben für audiovisuelle Mediendienste. Letztere sollten so gestaltet sein, dass sie es ermöglichen, auf Marktentwicklungen zu reagieren, innovative Geschäftsmodelle zu fördern und bestehende Modelle nicht zu behindern.
„Eine Investitionsverpflichtung wird keine Investitionen nach Deutschland lenken können.“
medienpolitik.net: Die EU hat eine neue Kommission gewählt. Welche Themen, die für Ihren Verband relevant sind, sollten auf der Agenda der EU-Kommission in der nächsten Legislaturperiode stehen?
Sommer: Wenn Regulierungsvorhaben verhältnismäßig und flexibel gestaltet werden, kann der audiovisuelle Sektor weiterhin in lokale Märkte investieren, vor Ort produzieren, mit Kreativen zusammenarbeiten und sich neuen Herausforderungen stellen, wie etwa technologischen Entwicklungen und veränderten Verbrauchergewohnheiten. Die Zukunft der europäischen Film- und Fernsehindustrie sowie die Arbeitsplätze, die sie der nächsten Generation bietet, hängen von einer klugen Regulierung ab. Ein System, das Risikobereitschaft belohnt und ein vielfältiges, kreatives Ökosystem fördert, ist hierfür essenziell.
Ein zentrales Ziel der MPA ist es, die Dynamik des audiovisuellen Sektors zu bewahren. Mit regulatorischer Sicherheit, Stabilität und Flexibilität als Grundlage können unsere Mitgliedsunternehmen weiterhin dazu beitragen, europäische Kultur und kreative Leistungen weltweit bekannt zu machen. Dadurch schaffen sie neue Chancen für die nächste Generation europäischer Geschichtenerzähler und sichern die Zukunft des gesamten Sektors.
„Es ist entscheidend, dass Produktionspartner weiterhin die Freiheit haben, Vereinbarungen über geistiges Eigentum an Projekten zu treffen, die ihre Risikobereitschaft und individuellen Prioritäten widerspiegeln.“
Vor diesem Hintergrund sieht die MPA folgende Kernthemen als essenziell für die legislative Agenda der Europäischen Kommission in der aktuellen Legislaturperiode:
- Umsetzung und Anwendung bestehender EU-Rechtsvorschriften zu illegalen Inhalten
Die Kommission sollte sicherstellen, dass die EU-Mitgliedstaaten die bestehenden Vorschriften zur Bekämpfung von illegal abgerufenen und verbreiteten Inhalten korrekt umsetzen und anwenden. Gleichzeitig sollte sie ihre direkten Durchsetzungsbefugnisse angemessen ausüben. Im Zuge der Überprüfung der Digitalen-Souveränitäts-Strategie sollte untersucht werden, wie diese besser an die Bekämpfung illegaler Online-Aktivitäten angepasst werden kann. Darüber hinaus sollte sich die laufende Überprüfung der Live-Piraterie-Empfehlung darauf konzentrieren, geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung der Piraterie von Live-Veranstaltungen bereitzustellen.
- Wahrung der Freiheit bei Vereinbarungen über geistiges Eigentum
Es ist entscheidend, dass Produktionspartner weiterhin die Freiheit haben, Vereinbarungen über geistiges Eigentum an Projekten zu treffen, die ihre Risikobereitschaft und individuellen Prioritäten widerspiegeln. Darüber hinaus sollte die EU die exklusive territoriale Lizenzierung im audiovisuellen Sektor weiterhin erhalten.
- Beibehaltung der Flexibilität im Verbraucherschutz
Die EU sollte die Flexibilität des aktuellen Verbraucherschutzrahmens als Vorteil für die Verbraucher anerkennen und von der Einführung standardisierter Maßnahmen, wie einheitlicher Kündigungs- oder Widerrufsregelungen, absehen. Solche Maßnahmen könnten Investitionen hemmen und die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher einschränken.
- Stabilität und Vorhersehbarkeit im Urheberrecht
Die kürzlich aktualisierten Regelungen zum Urheberrecht sind entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit des audiovisuellen Sektors. Die EU sollte diese Stabilität bewahren und von der Einführung einer Regelung für Netzentgelte („Datenmaut“) absehen, die zu direkten oder indirekten Zahlungen von Anbietern von Inhalten und Anwendungen an Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze führen könnte.
- Erhalt der Definition europäischer Werke und Beachtung finanzieller Verpflichtungen
Die bestehende Definition europäischer Werke sollte beibehalten werden, da sie einen stabilen und gesunden Rahmen für Koproduktionen bietet. Bei der Prüfung finanzieller Verpflichtungen im Rahmen der Richtlinie für Audiovisuelle Mediendienste sollte die EU Verhältnismäßigkeit und Flexibilität in den Vordergrund stellen. Gleichzeitig sollten das Herkunftslandprinzip, Verhältnismäßigkeit und Nichtdiskriminierung konsequent durchgesetzt und den Mitgliedstaaten hierzu klare Leitlinien bereitgestellt werden.