„Statt auf staatliche Eingriffe, auf die Kraft des Wettbewerbs setzen“

28. Januar 2025
Nick Kriegeskotte, Leiter Infrastruktur & Regulierung beim Bitkom
Nick Kriegeskotte, Leiter Infrastruktur & Regulierung beim Bitkom
Der Digitalverband Bitkom setzt sich für eine ausgewogene medienpolitische Regulierung ein, die die grundrechtlich geschützten Meinungs-, Informations-, Presse- und Rundfunkfreiheiten wie auch die unternehmerische Freiheit stärkt und Persönlichkeits- und Nutzerrechte wahrt.

Fragen an Nick Kriegeskotte, Leiter Infrastruktur & Regulierung beim Bitkom

90 Prozent der Unternehmen sind vom Import digitaler Technologien und Services aus anderen Ländern abhängig, insbesondere aus den USA und China, ergibt eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom. Von der neuen Bundesregierung fordern die deutschen Unternehmen deutlich stärkere Bemühungen als bislang, um den wachsenden Herausforderungen zu begegnen: Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft müsse massiv gesteigert werden, sagen 89 Prozent. 84 Prozent meinen, die neue Bundesregierung sollte die Stärkung der digitalen Souveränität ganz oben auf ihre Agenda setzen. Zu den Rahmenbedingungen, die Investitionen in Deutschland wirtschaftlich machen, zählt Nick Kriegeskotte, Leiter Infrastruktur & Regulierung beim Bitkom auch den Erhalt der pluralistischen Medienlandschaft, mit fairen Wettbewerbschancen, unternehmerischer Freiheit sowie der Refinanzierbarkeit von Mediendiensten.

medienpolitik.net: Herr Kriegeskotte, mit welchen medienpolitischen Themen wird sich ihr Verband 2025 vor allem befassen?

Kriegeskotte: Bitkom setzt sich für eine ausgewogene medienpolitische Regulierung, die die grundrechtlich geschützten Meinungs-, Informations-, Presse- und Rundfunkfreiheiten wie auch die unternehmerische Freiheit stärkt und Persönlichkeits- und Nutzerrechte wahrt. Das Jahr 2025 ist geprägt durch die Bundestagswahl und die anschließenden politischen Weichenstellungen für die Legislaturperiode. Starke, unabhängige und verlässliche Medien sind für den Erhalt unserer Demokratie unerlässlich. Den privaten Mediendiensten und Plattformen kommt hierbei eine zentrale Rolle zu, ob als redaktionell auswählender Inhalteanbieter oder als vermittelnder Aggregator bzw. Intermediär. Das Ziel der Medien- und Digitalwirtschaft ist es, dem Publikum ein vielfältiges Angebot an deutschen, europäischen und internationalen Inhalten über verschiedene Angebotsformen verfügbar zu machen.

Dafür benötigen wir Rahmenbedingungen, die Investitionen am Medienstandort Deutschland wirtschaftlich machen: 

  • Der Erhalt einer pluralistischen Medienlandschaft hängt von fairen Wettbewerbschancen, unternehmerischer Freiheit sowie der Refinanzierbarkeit von Mediendiensten ab. Nur hierdurch kann die grundgesetzlich verankerte Medienfreiheit gesichert werden. Bundesrechtliche Initiativen in diesem Bereich müssen daher auf ihre medienwirtschaftlichen Auswirkungen hin überprüft werden. Gerade im Zusammenspiel mit landesrechtlichen Vorgaben ist eine Überregulierung und bürokratische Überfrachtung zu vermeiden.     
  • Zur Sicherung einer freien und vielfältigen Medienlandschaft zählen auch internationale Informations- und Medienangebote. Dafür braucht es einen fairen Wettbewerb und eine verhältnismäßige Aufsicht auf nationaler und europäischer Ebene. Statt auf staatliche Eingriffe sollte auf die Kraft des Wettbewerbs gesetzt werden, sodass sich Innovation und Verbraucherfreundlichkeit im Markt durchsetzen. Selbst- und Ko-Regulierung bieten darüber hinaus die Grundlage zur Entwicklung praxisnaher Lösungsansätze, z. B. im Werbebereich oder beim Jugendschutz.              
  • Audiovisuelle Medienproduktionen, von Filmen über Serien bis hin zu Games, können einen erheblichen Wirtschaftsbeitrag leisten, der weit über klassische Industriezweige hinausgeht. Die Schaffung moderner Anreizsysteme (Tax Incentives) stärkt dabei den Produktionsstandort Deutschland und kanalisiert staatliche Beihilfen in die Wertschöpfung im eigenen Land. Deutschland muss in diesem Bereich der Filmförderung nun endlich schnell zu anderen erfolgreichen Ländern aufschließen.

„Auch privatwirtschaftliche Medienangebote sind eine entscheidende Säule einer vielfältigen nationalen und europäischen Medien- und Informationslandschaft und müssen gestärkt werden.“

  • Der öffentlich-rechtliche Rundfunk spielt eine wichtige Rolle in unserer Demokratie. Compliance, gute Unternehmensführung, Transparenz, Rechenschaft sowie Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit müssen deshalb grundlegende Werte darstellen. Eine klare und eng fokussierte Abgrenzung des Auftrages der Öffentlich-Rechtlichen verhindert zudem ein stetiges Ansteigen des Finanzbedarfs. Auch privatwirtschaftliche Medienangebote sind eine entscheidende Säule einer vielfältigen nationalen und europäischen Medien- und Informationslandschaft und müssen hinsichtlich der Refinanzierbarkeit ihres Angebots Nachrichten und Information sowie fiktionaler und nicht-fiktionale Unterhaltung gestärkt werden.      
  • Rechtswidrige Inhalte und systemische Risiken wie Desinformation und Deepfakes können nur gemeinsam von Wirtschaft, Politik, Gesellschaft bekämpft werden. Mit dem Digitale-Dienste-Gesetz auf nationaler Ebene und dem Digital Services Act auf europäischer Ebene wurden bereits Rahmenbedingungen geschaffen. Nun braucht es eine praxisnahe und rechtskonforme Umsetzung unter Beteiligung der betroffenen Unternehmen. In dem Zusammenhang sollten neue technische Innovationen der Desinformations- und Deepfakebekämpfung (z. B. im Bereich Content-Authentifizierung) stärker gefördert werden. Bund und Länder sollten durch öffentliche Kampagnen auf Maßnahmen und Angebote gegen Desinformation aufmerksam machen.              
  • Die Vermittlung von Medienkompetenz ist eine zentrale staatliche Aufgabe und sollte vor dem Hintergrund wachsender Gefahren durch illegale und schädliche Inhalte systematisch ausgebaut werden. Unternehmen bringen sich durch vielfältige Angebote ein. Wir unterstützen bestehende Mechanismen der Selbst- und Ko-Regulierung zur Erreichung eines hohen Jugendschutzniveaus in Europa. Zertifizierte Jugendschutzprogramme sollten weiterhin eine gesetzliche Privilegierung erfahren. Gleichzeitig sollte von nationaler Regulierung abgesehen werden, die dem Gedanken eines EU-einheitlichen Jugendschutzes entgegensteht. 

„Die neue Kommission muss daher ihre Prioritäten der Digitalpolitik neu ausrichten. Statt Risiken neuer technologischer Entwicklungen zu thematisieren, sollten vor allem die Potenziale gefördert werden.“

medienpolitik.net:  Die EU hat eine neue Kommission gewählt. Welche Themen, die für Ihren Verband relevant sind, sollten auf der Agenda der EU-Kommission in der nächsten Legislaturperiode stehen?

Kriegeskotte: Hier lohnt zunächst der Blick zurück: In der letzten Amtsperiode der Europäischen Kommission wurde praktisch der gesamte Rechtsrahmen für die Digitalwirtschaft in Europa überarbeitet, mit weitreichenden Auswirkungen für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und den öffentlichen Sektor. Die Regulierungen zielten dabei meist auf spezifische, mit digitalen Technologien assoziierte, Risiken und europäische Werte ab. Wenn es jedoch um Europas Ambitionen für digitale Souveränität, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit geht, greift dieser Ansatz zu kurz. Die neue Kommission muss daher ihre Prioritäten der Digitalpolitik neu ausrichten. Statt Risiken neuer technologischer Entwicklungen zu thematisieren, sollten vor allem die Potenziale gefördert werden. 

Anstatt neue Regulierung zu schaffen, sollte sich Europa zudem auf die Umsetzung, Durchsetzung, effektive Behörden und einen schlanken Rechtsrahmen konzentrieren, der die praktische Umsetzbarkeit im Fokus haben muss. Hierbei steht im medienpolitischen Bereich die Umsetzung des Digital Services Acts (DSA) für Bitkom oben auf der Agenda. Nutzer und Nutzerinnen werden mit dem DSA online besser vor Desinformation, illegalen Inhalten wie Hassrede und Produktfälschungen geschützt. Die Regelungen müssen nun aber auch in der Praxis funktionieren und gleichzeitig der Plattformökonomie sowie den Inhalte- und Anwendungsanbietern weiterhin Entfaltungsspielraum für Innovationen gelassen werden. 

Die EU-Kommission sollte den European Media Freedom Act (EMFA) effektiv umsetzen und eine einheitliche Implementierung fördern. Ein offener und fairer Wettbewerb sowie ein effektiver und verhältnismäßiger regulatorischer Rahmen sind entscheidend, um die Medienvielfalt zu wahren und gleichzeitig die Unabhängigkeit der Medien zu stärken.

Der Jugendmedienschutz sollte insbesondere mit Blick auf technische Standards auf europäischer Ebene abgestimmt werden, um eine Fragmentierung des Binnenmarktes zu vermeiden. Gleichzeit sollten etablierte Jugendschutzprogramme anerkannt werden und Spielraum für Innovation zur Entwicklung neuer technischer Methoden gewährleistet sein. 

 

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