Die Politik ist den Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stark präsent

27. Februar 2025
Neue Studie: Rundfunkräten mangelt es an Transparenz und Austausch mit dem Publikum

Für mindestens 41 Prozent der Rundfunkrats- und 53 Prozent der Verwaltungsratsmitglieder aller öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland lässt sich eine Parteizugehörigkeit nachweisen. Das gehört zu den Ergebnissen der Studie des Otto Brenner Instituts „Im öffentlichen Auftrag“. Der Journalist und Medienblogger Peter Stawowy analysierte für die Untersuchung im Zeitraum April bis September 2024 die soziodemographischen und organisationalen Hintergründe von 772 Rundfunkrats- und Verwaltungsratsmitgliedern, die in den Aufsichtsgremien von ARD, ZDF, Deutschlandradio und der Deutschen Welle Mandate wahrnehmen. In vielen Gremien hapert es laut Studie oftmals außerdem an der Transparenz der eigenen Arbeit und einem Austausch mit dem Publikum. So kann die wichtige Frage nach den Kosten der Gremienarbeit nicht eindeutig beantwortet werden. Die ermittelbaren Zahlen zeigen: Aufwendungen der Rundfunkanstalten für die Gremien variieren zwischen rund 100.000 Euro (Deutsche Welle) und weit über zwei Millionen Euro (WDR). „Da diese Mittel aus Gebührengeldern finanziert werden, ist hier zwingend mehr Transparenz bezüglich der Mittelverwendung geboten“, schlussfolgert Stawowy.

Bewertung der Untersuchungsergebnisse (Aus der Studie)

Vor elf Jahren schrieb Fritz Wolf (2013) in seiner Untersuchung der Aufsichtsgremien: „Außerhalb der Branche weiß man freilich von den Aktivitäten, Ambitionen und Versäumnissen von Rundfunkräten nicht viel.“ (Wolf 2013, S.21) Er stellte die Forderung nach einer Professionalisierung auf, kritisierte, dass die Politik zu großen Einfluss habe und zog den Schluss, dass „die Parteipolitisierung der Gremien […] vor allem auf die Personalpolitik der Sender [zielte]. Viele Konflikte drehten sich um die Besetzung von Führungspositionen“ (ebd., S. 51). Auch Jan-Christopher Kalbhenn (2024), der sich erst Mitte 2024 mit den aktuellen Reformvorschlägen befasst hat, wünscht sich – nicht nur in Bezug auf die Gremien – deutlich mehr Transparenz der Öffentlich-Rechtlichen (ebd., S. 60/61, Schlusszitat von Kirchhof 2013): „Es sollte für maximale Transparenz gesorgt werden. Denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird mit einer öffentlichen Abgabe finanziert, woraus sich […] gesteigerte Transparenzpflichten ergeben. Jeder Beitragsschuldner [hat] ‚einen Anspruch darauf, zu wissen, was mit seinem Geld geschieht, welche Sendung für welche Summen gekauft und produziert wird.‘“ Betrachtet man die einzelnen Ergebnisse dieser Untersuchung, muss man zu dem Schluss kommen: Zwar gibt es Entwicklungen, die die vorsichtige Vermutung zulassen, dass die politische Durchdringung der Gremien im Laufe der Zeit etwas zurückgegangen ist. Auch bezüglich der Professionalisierung und Transparenz der Gremien ist in den vergangenen Jahren einiges passiert, zumal gerade in jüngerer Zeit die Gremienbüros besser ausgestattet und mit Fachkompetenz ergänzt worden sind. Insgesamt aber lassen die Ergebnisse nur den Schluss zu, dass die Gremien nach wie vor die Öffentlichkeit scheuen und offenkundig lieber unter sich bleiben möchten. Eine ernsthafte, dialogische Rückkoppelung der eigenen Arbeit in die Öffentlichkeit, etwa durch Dialogveranstaltungen und Austausch, sucht man vergeblich.

Es gäbe noch erhebliche Möglichkeiten, die gesellschaftliche Kontrolle der Rundfunkanstalten zu verbessern, die immerhin im öffentlichen Auftrag erfolgt. Analog zu der Skepsis, ob die Rundfunkanstalten in der Lage sind, sich von innen heraus zu reformieren, darf allerdings die Frage gestellt werden, ob die Gremien selbst in der Lage sind, die eigenen Strukturen weiter zu öffnen. In der Öffnung aber läge die große Chance, das Vertrauen in die Arbeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – vor allem in die stattfindende öffentliche Kontrolle – zu stärken.

Einfluss der Politik und fehlende Diversität

Mit der Frage, ob durch die Einsetzung vieler ehemaliger Politiker sowie weiterer Parteifreunde auf den Tickets von gesellschaftlichen Organisationen die Ein-Drittel-Regel des Bundesverfassungsgerichts unterlaufen wird, recherchierten wir zu jedem einzelnen Gremienmitglied eine mögliche Parteizugehörigkeit. Unsere Untersuchung ergab: Mit 41 Prozent liegt der Anteil parteinaher und -zugehöriger Personen in den Rundfunkräten deutlich über der Vorgabe des ZDF-Urteils. Bei den Verwaltungsräten sehen die Verhältnisse noch drastischer aus: Hier sind mindestens 53 Prozent der Mitglieder mit Parteibuch versehen, üben ein politisches Amt aus oder haben schon mal für eine Partei versucht, ein solches zu erlangen. Es bleibt nur der Schluss: Nach wie vor ist die Politik überaus präsent in den Gremien. Nun ist eine Parteimitgliedschaft an sich nichts Anrüchiges. Und es wäre auch sicherlich problematisch, wenn die alleinige Mitgliedschaft in einer Partei ein Ausschlussgrund für die Mitgliedschaft in einem Rundfunkrat wäre. Trotzdem darf die Frage gestellt werden, ob es im Sinne des Auftrags nicht zielführender wäre, die Zusammensetzung anders zu gestalten – wird das eigene Parteibuch doch sicherlich einen Effekt auf die Arbeit im Rat aufweisen. Hinzu kommt: Die Gremienmitglieder selbst tun sich keinen Gefallen, wenn sie zusätzlich auch noch auf den Selbstdarstellungsseiten die eigene Parteizugehörigkeit unterschlagen.

Bezüglich der Zusammensetzung kann darüber hinaus die Kritik der bestehenden und zitierten Studien nur wiederholt werden: Die Gremien repräsentieren nur in sehr begrenztem Umfang die Gesellschaft. Zwar gab es auch hier in den vergangenen Jahren Fortschritte und es ist zu begrüßen, dass mittlerweile beispielsweise der Anteil weiblicher Gremienmitglieder bei 47 Prozent liegt. Die Zahl aber darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es immer noch Gremien gibt, bei denen sich der Frauenanteil um die 30 Prozent bewegt. Beide Vorgängerstudien monieren außerdem die mangelnde Repräsentativität gesellschaftlich marginalisierter Gruppen innerhalb der Gremien. Zählt man die Zahl der Sitze aus, die die Vertretungen dieser Gruppen überhaupt in den Gremien einnehmen, kann das nur bestätigt werden. Hier besteht nach wie vor erheblicher Nachholbedarf.

Unterschiedliche Ausstattung und fehlende Transparenz

Die Ausstattung der Gremienbüros variiert stark, auch hier gab es in jüngerer Zeit Veränderungen zum Positiven. Fakt ist, dass die unterschiedlichen Regelungen einen direkten Vergleich der Etats der Gremien der einzelnen Anstalten unmöglich machen. Fakt ist aber auch: Die Gremienarbeit an sich ist schon jetzt ziemlich kostenintensiv – und der Bedarf nach Mitteln und Personal dürfte mit den wachsenden Anforderungen weiter steigen. Zusätzliche Fachpersonal ist notwendig, um die Unabhängigkeit der Gremien (beispielsweise vom Justiziariat der Anstalt selbst) sicherzustellen. Für die von Wolf geforderten Fortbildungen, die inzwischen auch gesetzlich festgeschrieben sind, gab es im Herbst 2024 erstmals in größerem Umfang einen Testlauf. Darüber hinaus bedarf es weiteren Personals, das die Gremienvertreter dabei unterstützt, die eigene Arbeit transparenter zu machen. Als vorbildliche Beispiele seien hier der Newsletter und die weiteren Aktivitäten des ZDF für die Öffentlichkeitsarbeit zu nennen. Auch das Berichtswesen des Bremer Rundfunks, in dem Programmbeschwerde und -eingaben sowie weitergehende Publikumskontakte regelmäßig dokumentiert werden, kann als richtungsweisender Ansatz bewertet werden. Nichtsdestotrotz bleibt hinsichtlich einer transparenten Arbeit viel zu tun. Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich die Gremien teilweise so schwer mit der Öffentlichkeit tun. Warum haben nicht alle Gremien-Webseiten die Lebensläufe der Mitglieder parat? Was spricht gegen einen Livestream bei allen Anstalten? Und was spricht dagegen, Aufzeichnungen der Sitzungen genau wie Protokolle transparent und für alle Interessierten zugänglich zu machen? Da Betriebsgeheimnisse Dritter weiterhin in nicht-öffentlichen Sitzungen besprochen werden können, steht dies einer größeren Transparenz nicht entgegen. Natürlich darf auch hier die Frage nach der Effektivität gestellt werden: Die Zahl der Besucher, die dann tatsächlich an den öffentlichen Sitzungen teilnehmen, haben wir nicht abgefragt. Sie dürfte – nach unseren Beobachtungen als Besucher der MDR-Rundfunkratssitzungen – im Durchschnitt im ein- bis niedrigem zweistelligen Bereich liegen. Durch verstärkte Bemühungen der Gremien um mehr Verbindung mit der Klientel, könnte in Zukunft jedoch auch das Interesse am ‚eigenen‘ Sender wieder wachsen – und die politisch in jedem Fall gebotene größere Offenheit nachträglich auch durch wachsende Beteiligung belohnen. Um dies zu erreichen ist zu überlegen, ob es generell eine andere Form der Ausgestaltung der Sitzungen gibt. Statt intransparente Tischvorlagen zu diskutieren und von Ausschuss-Sitzungen zu berichten, könnten öffentlich geführte Diskussionen über Programmbeobachtungen und die Qualität der Angebote der Rundfunkanstalten für deutlich mehr öffentliche Aufmerksamkeit sorgen. Was für ein Programm wünscht sich die Öffentlichkeit? Welche Positionen vertreten die Repräsentanten in den Gremien gegenüber den Angeboten der eigenen Rundfunkanstalten? Oder, noch weiter gefasst: Was spricht dagegen, die Qualität des Programms regelmäßig durch Gremienmitglieder im Rahmen von Talkshows oder anderen Formaten im Programm der Anstalten zu diskutieren? Unsere Abfrage nach Dialogformaten der einzelnen Gremien zeigt zum Status Quo hingegen eindeutig: Eine Rückkoppelung oder gar ein Dialog der Rundfunkräte mit dem Publikum, dass sie repräsentieren, findet bisher nicht statt.

Effektivität der Institution Rundfunkrat

Die Tatsache, dass die Medienpolitik die Rundfunkgremien bei den aktuellen Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht einbezieht, ist vielsagend. Betrachtet man die klägliche Rolle des Rundfunkrates des RBB bei den Skandalen um die ausgeschiedene Intendantin, muss die Frage nach der Effektivität der Institution insgesamt gestellt werden. Dies soll keine Kritik an den Leistungen einzelner Gremienmitglieder oder der Arbeit der Gremienbüros sein. Als regelmäßiger Beobachter des MDR-Rundfunkrats ist dem Autor das Ringen der Mitglieder um Kontrollmöglichkeiten und der große persönliche Einsatz vieler einzelner Akteure bekannt. Auch ist klar, dass die unterschiedliche Ausgestaltung der Institution Rundfunkrat von Anstalt zu Anstalt eine vergleichende Untersuchung schwierig machen. Einige Gremien treffen sich häufiger und dürften damit der Intendanz deutlich mehr Arbeit verschaffen – und ihren Kontrollauftrag dadurch ernster ausführen – als andere, die sich seltener treffen. Das beinhaltet aber noch keine Wertung über die Frage, was wirklich sinnvoll ist. Wenn man also die Arbeit und den Einsatz der Einzelnen zurzeit nicht kritisieren mag, so ist doch die Frage nach einer effektiven, wirksamen und dem Auftrag gerecht werdenden Kontrollstruktur zu stellen. Der aktuell eingeschlagene Weg der Medienpolitiker der Länder deutet jedoch an, dass der Glaube an die Reformfähigkeit der Institution Rundfunkrat vergangen ist. Anders lässt sich die Idee, einen Medienrat zu konstituieren, der die Leistungsberichte der Anstalten miteinander vergleicht und die bestehenden Gremien in dieser zentralen Funktion entmachtet, nicht deuten. Würde dieser Weg in Zukunft weiter beschritten stellt sich jedoch irgendwann die Frage: Welchen Zweck erfüllen die Gremien noch, die zur Ausgestaltung ihrer Arbeit immerhin teilweise Beitragsgelder in Millionenhöhe benötigen?

https://www.otto-brenner-stiftung.de/arbeitsweise-oeffentlich-rechtliche-rundfunkgremien/

 

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