Kein Weihnachtswunder, sondern ein Wahlgeschenk

20. Dezember 2024
Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net
Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net
Das novellierte Filmfördergesetz wurde beschlossen, eine höhere Förderung in Aussicht gestellt. Doch der Jubel ist verfrüht.

Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net

Das neue FFG ist weder ein Weihnachtsgeschenk noch ein Weihnachtswunder. Jahrelang musste die Branche auf die Novellierung warten. Auch die Ankündigung von Claudia Roth, die Bundesförderung durch DFFF I, DFFF II und GMPF fortzusetzen und aufzustocken ist noch nicht in trockenen Tüchern. Die Filmwirtschaft und auch viele Politiker haben seit Jahren dafür gekämpft, dass die zuständige Institution der Bundesregierung, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), ihre zahlreichen Versprechen einlöst und die notwendigen Rahmenbedingungen schafft, damit der deutsche Film als Kultur – und Wirtschaftsgut endlich wieder reüssieren kann. Jetzt, kurz vor Ende dieser Regierung, wird wenigstens ein modernisiertes Filmförderungsgesetz verabschiedet und die Filmwirtschaft mit einer neuen Zusage vorerst ruhiggestellt. Ein Gesetz ersetzt das aber nicht.

Dennoch: Das Aufatmen der Filmbranche zwischen Bayern, Berlin / Brandenburg und Hamburg muss selbst bis zur BKM zu hören gewesen sein. Das Filmförderungsgesetz (FFG) wurde gestern Abend vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Am Mittwoch hatte das Parlament den Entwurf erneut für Änderungen in den Ausschuss für Kultur und Medien überwiesen. Die deutsche Filmwirtschaft hat mit diesem Gesetz, dass die Finanzierung von Spielfilmprojekten vor allem aus Abgaben der Sender, Streamer, Kinos und Verleiher regelt, ab Januar wieder mehr Planungssicherheit und kann auf die Fortsetzung der Reform hoffen. Mehr aber auch nicht. Zur Zufriedenheit besteht angesichts der Hiobsbotschaften von Produktionsfirmen und Studios, der Hilferufe bekannter Regisseure, Produzenten und Schauspieler, jedoch kein Anlass. Für die Zusage, die Bundesförderung ab 1. Februar auf 30 Prozent zu erhöhen fehlt noch die Durchführungsverordnung. Bisher lag diese Förderung bei 20 Prozent bzw. 25 Prozent, wurde aber auf maximal 4 Millionen Euro gedeckelt. Und diese Begrenzung ist das Problem. Ob sie künftig wegfällt, ist nicht sicher. Die Pressemeldung aus dem BKM würdigt, dieses Wahlgeschenk der SPD entsprechend: Um den Standort Deutschland einen wichtigen Impuls für mehr Wettbewerbsfähigkeit zu geben, hätten sich die Claudia Roth und Bundesfinanzminister Jörg Kukies gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz darauf verständigt, ab dem 1. Februar 2025 die Förderquote für den Deutschen Filmförderfonds (DFFF) und den German Motion Picture Fonds (GMPF) einheitlich auf 30 Prozent anzuheben und beide Förderinstrumente um ein Jahr (2025) zu verlängern. Der amtierende Finanzminister Kukies hat das SPD-Parteibuch.

Viele, die sich mit dem deutschen Film befassen, jubeln jetzt und begrüßen die Verabschiedung des FFG und eine erneute wackelige Zusage. Doch es sei daran erinnert, dass die Branche bereits Beifall geklatscht hatte, als ihr von der Kulturstaatsministerin reicher Geldsegen versprochen wurde, der noch immer fraglich ist. Film lebt von Emotionen. Doch den Machern würde mehr kritische Reflektion und Sachlichkeit selbst helfen.

Das novellierte FFG vereinfacht die Vergabe der Förderungen, führt zu einem gewissen Automatismus, doch es beschert weder Produzenten noch Verleihern mehr Geld. Ohne neues Gesetz, hätte nicht nur die Arbeit der Filmförderungsanstalt (FFA) auf dem Spiel gestanden, sondern auch die Berechenbarkeit deutscher Kulturpolitik. Die FFA soll mit dem neuen Gesetz, was sehr vernünftig ist, als zentrale Förderinstitution gestärkt werden. Eine zeitweilige Arbeitspause wäre für diese wichtige Einrichtung als auch für viele Dienstleister und Produktionsbetriebe fatal gewesen. Es ist gut, dass sich die Parteien in letzter Sekunde besonnen haben und die Interessen dieses Kulturbereiches für wichtiger erachtet haben als machtpolitische Spielchen.

„Keine Gelegenheit wurde ausgelassen, um Hoffnungen zu wecken und Gesetze zu versprechen, die letztlich nicht mehr als ‚Diskussionsentwürfe‘ waren.“

Über den politischen Schaden durch die Verschleppung des Gesetzes und dem Ausbleiben einer international vergleichbaren Anreizförderung, ist in den vergangenen Monaten viel gesagt und geschrieben worden. Fakt ist, dass eine Branche mit 120.000 Mitarbeitern und einem wichtigen Beitrag für das Kulturland Deutschland aufgrund mangelnder Professionalität, Ignorierung unseres föderalen Systems und ideologischer Blindheit, drei Jahre hingehalten und vertröstet worden ist. Keine Gelegenheit wurde ausgelassen, um Hoffnungen zu wecken und Gesetze zu versprechen, die letztlich nicht mehr als „Diskussionsentwürfe“ waren.

Das FFG hatte gestern im Kulturausschuss noch einige Änderungen erfahren. So soll unter anderem der Anteil der Anrechenbarkeit der Medialeistungen bei den Abgaben der Sender von 12,5 auf 15 Prozent erhöht werden. Ursprünglich sollten diese Leistungen ganz abgeschafft werden, was auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten finanziell zusätzlich belastet hätte. Zudem ist der Diversitätsbeirat, der bei der FFA angesiedelt werden sollte, gestrichen. Gegen den Protest der Grünen.

Zur Verabschiedung des FFG sagte der medienpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Thomas Hacker MdB: " Die deutschen Filmstandorte und Produzenten sehnen sich nach einem modernen Filmförderrecht, um im harten internationalen Wettbewerb nicht weiter abgehängt zu werden. Daher beschließen wir in zweiter und dritter Lesung ein modernes Filmförderungsgesetz. Wir schaffen Planungssicherheit für die Branche und entbürokratisieren. Die Filmförderanstalt wird auf ihre Kernaufgaben konzentriert. Zusätzliche bürokratische Beiräte, wie von SPD und Grünen gefordert kommen nicht. Das neue FFG setzt die richtigen Schwerpunkte, um Arbeitsplätze zu sichern und den Filmstandort Deutschland zu stärken. In Zukunft zählt allein der Erfolg eines Filmes: Die bisher mehrgliedrige Förderung wird von jurybasierten, intransparenten Modellen auf eine einzige automatische Referenzfilmförderung umgestellt. Gleichzeitig entlasten wir mit der Anhebung der Medialeistung Fernsehsender und Streaminganbieter wirtschaftlich. Das sichert eine breite Bewerbung von Filmen – im Interesse der Kinos, Produzenten und Verleiher."

Christian Bräuer, Vorsitzender der AG Kino, sieht das neue FFG kritisch: „Für die Kinos, besonders die Arthouse- und Landkinos, bleibt die Situation katastrophal. Während Filmproduktionen trotz nicht verabschiedetem Haushalt gefördert werden können, stehen diese Kinos nun gänzlich ohne Mittel da." Die weiteren Reformschritte dürften nicht lange auf sich warten lassen, sonst seien viele Kinos in Gefahr. Fast euphorisch reagiert Björn Böhning auf die Zustimmung des Deutschen Bundestages und das erneute Versprechen von Claudia Roth: „Zusammen mit dem neuen FFG sind wir der großen Filmreform mit drei Säulen sehr nah: Bessere Förderung, ein international wettbewerbsfähiges Anreizmodell und zusätzlich noch eine Investitionsverpflichtung, die fairen Wettbewerb schafft. Mit der heutigen Ankündigung ist viel davon erreicht. Unsere Branche kann mit neuer Zuversicht auf das kommende Jahr 2025 blicken.“

Klarheit wäre natürlich besser als Zuversicht. Auf der neuen Regierung ruhen nun wieder die Erwartungen der Filmbranche, dass schnell eine gesetzliche Anreizförderung realisiert wird. Doch wenn man realistisch auf die Zeitachse, die Wahl und Regierungsbildung des nächsten Jahres schaut, müsste diesmal ein Wunder geschehen, wenn ein solches Gesetz noch 2025 beschlossen werden sollte.

Sehr geehrte Leserinnen und Leser meines Blogs,

das war der letzte Beitrag für 2024. Ab 7. Januar werden wir diesen Online-Fachdienst wieder regelmäßig mit Kommentaren, Berichten, Interviews und Analysen füllen. Medienpolitik pur, wie Sie es gewohnt sind. An Ereignissen und Themen wird es nicht mangeln, das zeichnet sich schon heute ab: Dazu zählen die Klage von ARD und ZDF vor dem Bundesverfassungsgericht, die Parlamentarische Beratung der Reformstaatsverträge für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die Weiterführung der Reform der Filmförderung und medienpolitische Regulierungspläne der neuen EU-Kommission.

Ich wünsche Ihnen entspannte und erholsame Feiertage sowie ein freundliches Jahr 2025.

 

Helmut Hartung

 

 

 

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