Embedding ist medienrechtlich möglich

03. Februar 2025
Mark D. Cole, Professor für Medien- und Telekommunikationsrecht an der Universität Luxemburg
Mark D. Cole, Professor für Medien- und Telekommunikationsrecht an der Universität Luxemburg
Institut für Europäisches Medienrecht (EMR) veröffentlicht Beitrag zu Kooperationsformen zwischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und privaten Anbietern

Von Mark D. Cole, Professor für Medien- und Telekommunikationsrecht an der Universität Luxemburg und Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Europäisches Medienrecht (EMR) in Saarbrücken 

Bereits im Oktober wurde an dieser Stelle im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz in der Debatte um eine Neuafstellung der öffentlcih-rechtlichen Rundfunkanstalten und mit ihr einer Neuausrichtung des dualen Systems ein Beitrag veröffentlicht, in dem “Neue Kooperationen im dualen System” diskutiert worden. In der Zwischenzeit liegt nicht nur der Beschluss der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten sowie Regierungschefs zum sogenannten Reformstaatsvertrag vor, mit dem vor allem der Medienstaatsvertrag sowie weitere auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bezogene Staatsverträge angepasst werden sollen. Dieser ist vielmehr zur Unterschrift im Frühjahr nach Abschluss der Vorunterrichtung der Landtage vorgesehen, so dass – auch wenn bis zum endgültigen Inkrafttreten noch die Zustimmung der Landtage abzuwarten ist – schon die Phase der Vorbereitung auf die zukünftige Rechtslage begonnen hat.

Im Zusammenhang mit dem vorigen Blog-Beitrag und des hier vorzustellenden ausführlichen Beitrags, der jetzt unter dem Titel “Rechtliche Rahmenbedingungen für Kooperationen öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten mit privaten Veranstaltern - Das Beispiel des Embedding von Telemedienangeboten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Online-Dienste privater Anbieter” vom Institut für Europäisches Medienrecht (EMR) veröffentlicht worden ist, soll eine Form näherer Zusammenarbeit zwischen den Veranstaltern in beiden Säulen des bisherigen dualen Systems hervorgehoben werden. In Fortführung einer in Österreich von der dortigen ProSiebenSat.1-Online-Plattform „Joyn“ eingeführten Erweiterung der Plattforminhalte auf solche des österreichischen öffentlich-rechtlichen Anbieters ORF einschließlich der direkten Zugriffsmöglichkeit auf sämtliche online verfügbaren Inhalte der Mediatheken des ORF, stellt sich die Frage nicht nur nach der rechtlichen Zulässigkeit, sondern auch der möglichen Vorgaben zur Herbeiführung solcher Embedding-Lösungen auch in Deutschland.

Nach einer Analyse des urheberrechtlichen Rahmens, der insoweit vornehmlich von der Rechtsprechung des EuGH auf EU-Ebene vorgegeben wird, und der Untersuchung des Wettbewerbsrechts, sowohl von Beihilfe-Fragen des EU-Rechts als auch möglichen Begrenzungen aus dem Rechtsrahmen zu unlauterem Wettbewerb und kartellrechtlicher Fragen, zeigt der Beitrag auf, dass die Zulässigkeit sowohl im Hinblick auf diese Rechtsgebiete als auch aus nationalem Medienrecht gegeben ist. Dabei wird neben dem aktuell geltenden Medienstaatsvertrag und Vorgaben aus dem Medienverfassungsrecht auch auf den Reformstaatsvertrag eingegangen. Dieser enthält mit § 30d Abs. 2 RefStV-E eine explizite Formulierung des Versorgungsauftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, zu dessen Erfüllung aufgrund geänderten Nutzerverhaltens neue Wege zu beschreiten sind. Ausdrücklich werden dazu Kooperationsformen mit privaten Anbietern vorgegeben, wobei insbesondere mit den Veranstaltern zusammengearbeitet werden soll, die als Hauptprogrammveranstalter im Rundfunk eines der beiden reichweitenstärksten Programme anbieten und daher der sogenannten Regionalfenster-Verpflichtung unterliegen und somit eine besondere Rolle bei der Herstellung von Vielfalt spielen und deshalb in verschiedener Hinsicht vom MStV privilegiert werden. Eine Form der Zusammenarbeit, die ausdrücklich hervorgehoben wird ist die Verlinkung von Inhalten auch in Form des Embedding, bei dessen Umsetzung Nutzer von Medienplattformen solcher privilegierter Anbieter, ohne die Plattform verlassen zu müssen, auch als solche erkennbare Inhalte der Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter sehen und hören können.

Wie bereits im Beitrag unterstrichen, soll auch hier abschließend darauf hingewiesen werden, dass eine Stärkung der bisherigen mitwirkenden Veranstalter im dualen System durch gegenseitige Zusammenarbeit in Fortführung der vom Bundesverfassungsgericht hergestellten Verbindung naheliegend ist. Demgegenüber stellt sich das Verhältnis zu Medienintermediären, deren wichtigste Marktteilnehmer – nicht zuletzt deshalb oft als die „Big Tech“-Unternehmen bezeichnet – aus einer anderen Rechtskultur kommend als Intermediäre zwischen Inhalten und Nutzern agieren, aber trotz der erheblichen Einflussnahmemöglichkeit auf die öffentliche Meinungsbildung kein „Medien-Selbstverständnis“ haben, anders dar. Das „duale System“ von heute ist daher eher so zu charakterisieren, dass sich die Medienanbieter in der einen und Medienintermediäre in der anderen Säule befinden. Aufgrund dieser zunehmenden Vergleichbarkeit in der Bedeutung für die Meinungsbildung werden die „Plattformen“ (also Medienintermediäre nach der Terminologie des MStV) zunehmend regulatorisch in Reaktion auf ihre Markt- und Meinungsmachtposition erfasst. Insoweit kann von einem „dualen System 2.0“ gesprochen werden, bei dem die eine Säule – öffentlich-rechtliche wie private Rundfunk- und Telemedienanbieter, die eindeutig den Grundstandards des MStV unterfallen – zusammen stärker auftreten sollte, als sich innerhalb der Säule gegenseitig zu schwächen im ohnehin ungleichen wirtschaftlichen und Einflussgefälle zwischen diesen Anbietern und den Anbietern in der zweiten Säule. Die Gemeinsamkeiten können in intensivierter Kooperation gefunden werden, wobei dennoch die Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern im bestehenden Umfang bleiben werden, da der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der veränderten Kommunikationslandschaft in der Zukunft auch weiterhin und vielleicht noch mehr zur Erfüllung des ihm gesetzlich aufgegebenen Auftrags in demokratischen Gesellschaften gebraucht wird. Eine Nutzung der spätestens mit dem Inkrafttreten des Reformstaatsvertrags als Gebot ausgestalteten Kooperationsmöglichkeiten wäre ein weiterer wichtiger Schritt zu einer Zukunftsfestigkeit des ursprünglichen dualen Systems.

„Das „duale System“ von heute ist eher so zu charakterisieren, dass sich die Medienanbieter in der einen und Medienintermediäre in der anderen Säule befinden.“

Auszug E. II. 3 (ab S. 33): Die Einführung einer expliziten Kooperations-Klausel bei der Verbreitung

Die bisher in § 48 MStV zu findende Vorschrift zum Versorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird mit dem RefStV-E (Staatsvertrag zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Reformstaatsvertrag), Entwurf gemäß Beschluss der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 25. Oktober 2024) in den neu als „1. Unterabschnitt - Auftrag und Angebote“ bezeichneten Teil mit besonderen Bestimmungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk verschoben und damit systematisch deutlicher hervorgehoben, dass zum Auftrag neben der inhaltlichen auch die Verbreitungsdimension gehört. Noch bedeutender aber ist die Neufassung des nun in § 30d RefStV-E zu findenden Versorgungsauftrags durch Einfügung eines neuen Absatzes. Dieser lautet in Erweiterung des Gebots zur Nutzung geeigneter Übertragungswege bei Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit:

(2) Zur Erfüllung ihres Versorgungsauftrags sollen die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio mit privaten Veranstaltern von Rundfunkprogrammen nach § 84 Abs. 3 S. 2 sowie mit diesen verbundenen Unternehmen zusammenarbeiten. Kooperationen können insbesondere eine Verlinkung (Embedding) oder sonstige Vernetzung öffentlich-rechtlicher Inhalte oder Angebote, vereinfachte Verfahren der Zurverfügungstellung öffentlich-rechtlicher Inhalte oder die gemeinsame Nutzung von Infrastrukturen beinhalten.

In den der Synopse beigefügten Erläuterungen wird dazu ausgeführt:

Die Verfügbarkeit öffentlich-rechtlicher Angebote und Inhalte trägt essentiell zur Erfüllung des Auftrags bei, ein möglichst großes Publikum zu erreichen. Durch eine breite Distribution von Inhalten auch über relevante private Medien kann deren Erreichbarkeit verbessert und damit ihre Rezeption erhöht werden. Im Sinne einer „Win-Win-Situation“ kann durch entsprechende Kooperationen zugleich das Portfolio der privaten Medien, die wesentlich zur Medienvielfalt beitragen, gestärkt werden. Auf diese Weise tragen Kooperationen zur Sicherung der Vielfalt insgesamt bei.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll daher unter Wahrung seiner journalistischen und institutionellen Eigenständigkeit angehalten sein, Kooperationen mit privaten Veranstaltern einzugehen. Im Fokus sollen dabei die Anbieter besonders meinungs- und vielfaltsrelevanter Angebote nach § 84 Abs. 3 S. 2 stehen, die Public-Value-Programme ebenso wie Vollprogramme mit Regionalfenstern umfassen. Die Zusammenarbeit gemäß § 30d Abs. 2 S. 1 hat auch zum Ziel, die Reichweite und Auffindbarkeit relevanter Inhalte zu verbessern, bspw. über Verlinkung („Embedding“).

Kooperationen wie über Lizenzierungen oder Nutzung der Infrastruktur, deren Form und Umfang der Ausgestaltung im Einzelnen durch die Rundfunkanstalten mit den jeweiligen privaten Veranstaltern bedürfen, sollen marktkonform ausgestaltet werden. Die dabei dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk über entsprechende Kooperationen zugleich mögliche kommerzielle Auswertung seiner Inhalte kann dabei auch zur Entlastung des Beitrags beitragen.

Dieses konkret formulierte Kooperationsgebot auch hinsichtlich der Verbreitung fügt sich aus mehreren Gründen in die Konzeption des RefStV-E zur weiteren Öffnung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter und zugleich die bisherige Konzeption des dualen Rundfunksystems passend ein. Zunächst wird anerkannt, dass es heute vielfältige weitere Verbreitungswege für die Angebote der öffentlich-rechtlichen Angebote gibt als die unterschiedlichen infrastrukturgebundenen Ausspielwege. Anders formuliert wird mit dem neuen § 30d RefStV-E deutlich gemacht, dass bei der Suche nach geeigneten Wegen zur Erfüllung des Versorgungsauftrags nicht nur wie bislang geeignete Übertragungswege zu identifizieren sind, sondern auch andere Arten der Erreichung der Nutzer. Deutlich wird dies insbesondere in der Formulierung, dass öffentlich-rechtliche Inhalte in vereinfachter Weise privaten Anbietern zur Verfügung gestellt werden sollen. Der noch direktere Weg zur Umsetzung einer potentiell besseren Erreichbarkeit der Nutzer wird in einer weiteren Vernetzung öffentlich-rechtlicher Inhalte oder Angebote gesehen, wobei als konkrete Ausprägung die „Verlinkung (Embedding)“ genannt wird. Die Länder haben – wie sich aus den Erläuterungen entnehmen lässt – damit das durch entsprechende Kooperation der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter zu erreichende Ziel einer Verbesserung nicht nur der Reichweite, sondern auch der Auffindbarkeit dieser Inhalte vorgesehen. Da die entsprechenden Inhalte bereits frei verfügbar sind, liegt in der Betonung der besseren Auffindbarkeit die Anerkennung, dass sich nicht alle Nutzer auf den unterschiedlichen Portalen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter bewegen und so deren Inhalte verpassen könnten, die bei Nutzung des Embedding aber potentiell auf den sonst genutzten Medienplattformen Aufmerksamkeit erhalten. Die Auflistung der unterschiedlichen Kooperationsmöglichkeiten richtet sich nach der Komplexität ihrer Umsetzung, wobei das Embedding deshalb zuerst genannt worden sein dürfte, weil es eine bereits urheberrechtlich zulässige Handlung ist, die durch explizite Aufnahme in den RefStV-E die zusätzliche Bedeutung erhält, dass solche Lösungen auch von Seiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter anzustreben sind, auch weil sie im Blick auf das Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebot die naheliegende Kooperationsform sind.

Die Vorschrift ist aber aus einem weiteren Grund bemerkenswert: Die oben beschriebene Unterscheidung von Kategorien privater Medienanbieter wird hier aufgegriffen. Die bereits aufgrund der Fensterprogramme privilegierten Hauptprogrammveranstalter sind neben den Anbietern, deren Angebote im „public-value“-Verfahren entsprechend benannt worden sind, die Zielgruppe für die Kooperationen. Diese zusätzliche Privilegierung ist ein Ausdruck dafür, dass die Relevanz dieser Anbieter für die Vielfaltssicherung bereits medienrechtlich festgelegt ist. Nicht nur handelt es sich bei diesen Anbietern um solche, die einem vergleichbaren Regulierungsregime wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter unterfallen und damit im medienverfassungsrechtlichen Sinne gemeinsam zur Meinungs- und Angebotsvielfalt beitragen. Vielmehr haben sie besondere Kriterien nach dem MStV erfüllt, weshalb sie auch in besonderer Weise in der Ausfüllung ihrer besonderen Position – im Falle der Hauptprogrammveranstalter, in deren Programmen Fensterprogramme anzubieten sind, aufgrund ihrer Reichweite – unterstützt werden sollen. In den Erläuterungen sprechen die Länder von einer gegenseitig profitablen Lösung, weil nicht nur die Erreichbarkeit der Inhalte öffentlich-rechtlicher Anbieter gesteigert, sondern „das Portfolio der privaten Medien, die wesentlich zur Medienvielfalt beitragen, gestärkt“ wird. Das Bild zweier sich ergänzender Säulen im bisherigen dualen Rundfunksystem spiegelt sich auch darin wider, dass der private Rundfunk ebenfalls, wenngleich im Vergleich zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und wegen dessen Existenz in reduziertem Umfang einen Vielfaltsbeitrag zu leisten hat, und auch deshalb in wirtschaftlich funktionierender Form anbietbar sein muss.

Schließlich ergibt sich aus der Formulierung der Vorschrift – bestätigt durch die Erläuterungen, die verdeutlichen, dass bestimmte Kooperationsformen einer (z.B. vertraglichen) Ausgestaltung bedürfen –, dass die unterschiedlichen Ausprägungen keine Abweichung vom bestehenden MStV bedeuten, da keine Ausnahmen oder Bezugnahmen formuliert sind. Daraus folgt hinsichtlich des publizistischen Auftrags lediglich eine (einer eigenen Entscheidung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten) vorweggenommene Ergänzung, dass die (urheberrechtlich) auch ohne Ausgestaltung zulässige Form der Vernetzung durch Embedding zu ermöglichen ist. Auch der unverändert bleibende § 80 MStV zur Signalintegrität wird nicht in Bezug genommen, was das oben gefundene Ergebnis auch aus Sicht der Länder unterstreicht, dass ein Zustimmungserfordernis im Sinne dieser Vorschrift beim Embedding nicht besteht. Mit der ausdrücklichen Aufnahme dieser Art der Kooperation in die Liste der unterschiedlichen Formen für eine Zusammenarbeit wird jedoch eine Stärkung der das Embedding anstrebenden privaten Anbieter erreicht. Wenngleich urheberrechtlich eine solche Verlinkung durch technische Schutzmaßnahmen – und nur durch diese (siehe oben) – unterbunden werden kann, ist medienrechtlich durch die neue Vorschrift ein Gebot enthalten, darauf zu verzichten bzw. darauf hinzuwirken, dass keine Gründe bestehen, die die Einrichtung einer solchen Schutzmaßnahme erfordern würde. Hier unterscheidet sich die Vorschrift durch Hervorhebung der Kategorie der Kooperationspartner von den anderen Vorschriften hinsichtlich einer Öffnung nach außen, indem die Entscheidung über die „Vertrauenswürdigkeit“ des potentiellen Partners bereits gesetzlich getroffen ist.

 https://emr-sb.de/kooperationen-im-dualen-system/

 Rechtliche Rahmenbedingungen für Kooperationen öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten mit privaten Veranstaltern - Das Beispiel des Embedding von Telemedienangeboten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Online-Dienste privater Anbieter

 Der Autor ist Professor für Medien- und Telekommunikationsrecht an der Universität Luxemburg und Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Europäisches Medienrecht (EMR) in Saarbrücken. Er war Mitglied im „Rat für die zukünftige Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Zukunftsrat)“.

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