Für Chancengleichheit in der Filmwirtschaft

20. Februar 2023
Nathanael Liminski, Chef der Staatskanzlei in NRW
Nathanael Liminski, Chef der Staatskanzlei in NRW
NRW fordert eine Filmförderung, die auch die Interessen der Bundesländer, der deutschen Streaminganbieter und Kinos berücksichtigt

Von Nathanael Liminski (CDU), Minister und Chef der Staatskanzlei in NRW

Die Medien und mit ihnen Film und Fernsehen sind weltweit in einem gewaltigen Umbruch und es ist dringend an der Zeit, mit allen Kräften daran zu arbeiten, dass unsere deutsche Film- und Medienindustrie international wettbewerbsfähig bleibt. Die besonderen Produkte, die in dieser Industrie entstehen, schaffen nicht nur Wohlstand und Fortschritt. Sie sind es auch, die unsere kollektive Wahrnehmung und Erinnerung maßgeblich im In- und Ausland schärfen. Das Bild von Deutschland in der Welt wird maßgeblich von Ihnen hier im Saal gestaltet. Also, dachte ich, ist es klug, zu Ihnen zu kommen – auch an Weiberfastnacht und trotz paralleler Konferenz der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder. Es ist gut, bei Ihnen zu sein. Bund und Länder, uns alle hier im Saal verbindet eine Erfahrung in den letzten Jahren, auf die wir gerne verzichtet hätten.

Wir haben in den vergangenen drei Jahren alle miteinander Themen beackert, von denen wir nie geglaubt haben, dass wir uns jemals mit ihnen auseinandersetzen müssen. Wir haben

  • Sitzordnungen nach Schachbrettmuster für Kinovorführungen entwickelt;
  • Hygienevorschriften für Filmsets erlassen;
  • Ausfallfonds verhandelt und umgesetzt.

Wenn wir heute zurückblicken, dann können wir sagen: Die Film- und Fernsehbranche war nicht nur wirtschaftlich ein Stabilitätsanker, sondern auch emotional. Nie wurden Ihre Produkte mehr geguckt und mehr geschätzt. Anders gesagt: Sie sind ein Beitrag zur psychologischen Hygiene, ja zur Krisenresilienz unserer Gesellschaft. Und wirtschaftlicher Stärke. Als wir seinerzeit die Ausfallfonds aufgesetzt haben, bestand die Erwartung bei Sendern und Produzenten, dass tausende Produktionen mit dreistelligen Millionenbeträgen unterstützt werden müssen. Letztendlich waren es in fast zweieinhalb Jahren Ausfallfonds für den TV-und Streamingbereich, länderübergreifend, 167 Produktionen mit Corona-bedingten Ausfällen mit Schäden von etwa 10 Millionen Euro. Das ist die Leistung von solidarischen Sendern und verantwortungsbewussten Produzenten. Wenige Gelder wurden in der Pandemie so effektiv bereitgestellt wie für die Ausfallfonds –denn die Hebelwirkung war gewaltig. Und: Mit der so gegebenen Sicherheit wurde die Lieferkette in die deutschen Programme –privat wie öffentlich-rechtlich – sichergestellt.

Also: Film-, Fernseh- und Streamingproduktionen sind ein krisenfestes Produkt. Die Nachfrage an Produktionen hat in den vergangenen drei Jahren stark zugenommen. Aber: Es haben nicht alle profitiert. Es gibt Unternehmen, vor allem im Streamingbereich, die haben die Pandemie genutzt, um im deutschen Markt endgültig Pflöcke einzurammen. Ich kritisiere das nicht, denn natürlich profitiert die nationale Produktionsbranche enorm von finanzstarken Auftraggebern, die sich auch mal was trauen. Deshalb bin ich auch niemand der sagt, wir müssen Netflix, Paramount+, Prime Video oder Disney+ an die Kette legen. Was wir aber unbedingt müssen, ist eine Chancengleichheit schaffen. Es darf nicht sein, dass nationale Player auf Grund der Rahmenbedingungen am Ende dauerhaft an Relevanz verlieren, und andere hingegen Vorteile daraus ziehen, dass sie aufgrund ihrer Marktmacht anders kalkulieren und anders planen können.

Völlig klar ist: Wer international mitspielen will, braucht geeignete Rahmenbedingungen – dazu gehört auch eine international konkurrenzfähige Förderlandschaft und ein Steuerrecht, das die komplexen Umstände einer Filmproduktion berücksichtigt. Ich bin deshalb sehr froh, dass alle Bundesländer dem Vorschlag von Nordrhein-Westfalen und Bayern gefolgt sind, eine gesetzliche Regelung zu finden, wie man eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten aus verschiedenen Koproduktionen bei den Produzenten ermöglichen kann. Wir hier im Raum glauben oft, dass jedem doch vollkommen klar sein muss, dass man eine Filmproduktion nicht mit dem Zusammenbau eines Autos an verschiedenen Orten vergleichen kann, aber das reine Steuerrecht macht hier keine Unterschiede. Oft heißt es, in diesem Zusammenhang ja auch, dass ein steuerliches Anreizmodell mit dem deutschen Steuerrecht nicht vereinbar sei. Natürlich sind hier hohe Hürden, aber wenn es gute Argumente gibt, warum sollte man es dann nicht versuchen. Geht nicht gibt's nicht – diesen Geist aus der Pandemie müssen wir uns bewahren. Die Frage ist doch, was wir eigentlich mit der Filmförderung in Deutschland bewirken wollen. Uns alle eint das Ziel, dass in Deutschland hochwertige und erfolgreiche Filme produziert werden sollen. Deshalb begrüße ich den Vorschlag von Frau Staatsministerin Roth, Hürden in der Förderung abzubauen und durch einen Verzicht auf Deckelung den Produzenten mehr Planungssicherheit zu geben.

„Es darf nicht sein, dass nationale Player auf Grund der Rahmenbedingungen am Ende dauerhaft an Relevanz verlieren, und andere hingegen Vorteile daraus ziehen, dass sie aufgrund ihrer Marktmacht anders kalkulieren und anders planen können."

Natürlich kann man darüber diskutieren, ob ein Produzent in drei, vier, fünf Ländern Förderung beantragen muss. Ich bin aber durchaus der Auffassung, dass eine Filmförderung mehr ist als eine reine Transferleistung. Sie ist eng mit dem Gesicht unseres Landes als Filmlandverbunden. Eine Länderförderung soll Produzenten dabei unterstützen, auch außerhalb ihrer gewohnten Umgebung Filme zu produzieren. Nordrhein-Westfalen hat dabei sehr viel zu bieten: ein Millionenpublikum, aber auch die Stoffe und Kulissen für die großen Themen unserer Zeit:

  • der Klimawandel
  • das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen auf engstem Raum
  • urbane Ballungsräume und traditionelle ländliche Räume.

Wir möchten in Nordrhein-Westfalen fördern, was uns stark macht: Als Wirtschaft und als Gesellschaft – und manchmal auch beides zusammen. Dafür nehmen wir viel Geld in die Hand: Seit fast sechs Jahren bin ich nun für den Medienbereich verantwortlich und in dieser Zeit haben wir den Anteil der Landesförderung bei der Film- und Medienstiftung von neun auf fast 18 Millionen Euro verdoppelt, auf insgesamt nunmehr knapp 40 Millionen Euro. Und wir haben uns in dieser Zeit eine neue Förderstrategie gegeben, um den Produzenten langfristige Perspektiven zu bieten. Gemeinsam mit den weiteren Gesellschaftern WDR, ZDF und RTL haben wir entschieden, einen klaren Fokus auf Qualität und hochwertige Produktionen zu legen. Und dass man Qualität durchaus auch messen kann, sehen wir in den kommenden Tagen hier auf der Berlinale. Drei Produktionen, die von der Film- und Medienstiftung gefördert wurden, laufen im Wettbewerb um den goldenen Bären. So eine erfolgreiche Präsenz gab es lange nicht mehr. Insgesamt fünfzehn NRW-geförderte Filme wurden in das Programm der Berlinale aufgenommen. Das ist eine große Auszeichnung auch für die Arbeit der Film- und Medienstiftung NRW.

Ganz klar ist für mich aber, dass Filme gemacht werden, um ein Publikum zu bereichern. Der sagenumwobene Paramount Studios Boss Robert Evans hat einmal über das produzieren von Filmen gesagt: „Filme zu produzieren ist so einfach, wie es aussieht. Das heißt, es ist verdammt schwer." Für mich gibt es keinen besseren Ort als das Kino, um einen Film gemeinsam mit anderen Menschen zu erleben. Deshalb habe ich mich auch ganz besonders dafür eingesetzt, den Kinos über die schwere Zeit in den letzten Jahren mit Sonderprogrammen zu helfen. Kein Kino in Nordrhein-Westfalen musste infolge der Pandemie den Betrieb aufgeben. Auch jetzt haben wir in Nordrhein-Westfalen ausreichend Mittel bereitgestellt, um das Zukunftsprogramm Kino der BKM mit Landesmitteln zu kofinanzieren. Dem Kino eine wichtige, ja vielleicht auch eine herausgehobene Stellung zu geben, heißt aber nicht, dass wir in Fragen einer zeitgemäßen Auswertung von Produktionen nicht auch immer wieder Änderungen vornehmen müssen. Ich weiß, dass es in diesen Räumen nicht unbedingt populär ist, was ich jetzt sage, aber die Mediatheken-Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender sind auch ein Angebot, das in einer Auswertungskaskade eine Berechtigung hat. Ich unterstütze die Forderung der Produzenten ausdrücklich, dass die ARD-Sender und das ZDF sich auch in Zukunft an Kino-Koproduktionen beteiligen sollen, aber ich kann die Erwartung der Sender verstehen, dass davon auch die Mediatheken profitieren sollen. Für mich steht außer Frage, dass beim Thema Verwertungsrechte dringend etwas getan werden muss. Auf Betreiben, vor allem auch aus Nordrhein-Westfalen, wurde vor vielen Jahren erstmals das Thema Verwertungsrechte über Protokollerklärungen in die Rundfunkstaatsverträge aufgenommen. Es ist ein besonderes Verdienst der Produzentenallianz, dass zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern und den Produzenten kontinuierlich fairere Regelungen vereinbart werden konnten.

Nur mit einer bärenstarken unabhängigen Produzentenlandschaft können wir langfristig international im Wettbewerb um die besten Geschichten bestehen. Die Geschichten entstehen selten auf dem Lerchenberg in Mainz oder am Appellhofplatz in Köln – sondern bei unseren Produzenten. Zusätzlich bin ich überzeugt, dass wir auch einen Mechanismus finden müssen, die Streamer zu verpflichten, sich auf Vereinbarungen zur Rechteteilung einzulassen. Wenn dies nur über eine Investitionsverpflichtung zu regeln ist, dann werden wir das in Nordrhein-Westfalen mittragen und dann werde ich hierfür auch im Länderkreis werben. Ich möchte aber zu bedenken geben, dass starre Regeln oft das Gegenteil von dem bewirken was eigentlich beabsichtigt ist. Oft funktioniert Politik dann besonders gut, wenn sie einen Rahmen setzt, in dem die Branchenpartner Spielräume haben. Der Rahmen muss so klar sein muss, dass er die Partner dazu verpflichtet eine Vereinbarung zu treffen und natürlich müssen hier auch Standards vorgegeben werden. Ich halte es aber für sehr fraglich, ob eine starre Vereinbarung ohne Spielraum sowohl für die Auswerter als auch für die Produzenten dem deutschen Markt gerecht wird. Denn dieser Markt besteht ja nicht nur aus Netflix, Disney+, Paramount+ und prime Video. Wir sprechen dann auch über RTL+, Magenta TV oder Joyn und ich glaube uns allen ist klar, dass hier doch unterschiedliche Strukturen berücksichtigt werden müssen. Filmpolitisch liegen enorm spannende Zeiten vor uns. Aus den Ideen und Denkanstößen, die nun auf dem Tisch liegen, müssen jetzt konkrete Vorschläge werden. Die Landesregierung ist bereit, gemeinsam und in engem Schulterschluss mit der BKM die Dinge anzupacken und umzusetzen. Wir brauchen bei diesen Themen ein Miteinander von Bund und Ländern. Es ist meine feste Überzeugung, dass die Vielfalt und Wettbewerbsfähigkeit der Filmproduktion in Deutschland nur gewährleistet werden kann, wenn wir ein System haben, in dem sich Maßnahmen, Aktivitäten und Förderungen von Bund und Ländern ergänzen und wir uns mutig dem internationalen Wettbewerb stellen.

Rede von Minister Nathanael Liminski, Chef der Staatskanzlei in NRW beim Deutschen Produzententag 2023 am 16. Februar 2023 in Berlin

 

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