Länder und Sender müssen liefern

26. Februar 2024
Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net
Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net
24. KEF-Bericht ist auch ein Appell, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schnell und tiefgreifend zu reformieren

Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net

 Prof. Dr. Martin Detzel, Vorsitzender der unabhängigen Beitragskommission KEF, sagte bei der Vorstellung des 24. Berichts, dass der Rundfunkbeitrag von 2009 bis 2028, wenn er so von den Landesparlamenten beschlossen werde, nur von 17,98 Euro auf 18,94 Euro gestiegen sei. Das sei „quasi eine Art relative Beitragsstabilität“, so Detzel. Fast ein Euro in 19 Jahren, das hört sich wenig an, ist aber angesichts der sich in dieser Zeit radikal veränderten Medienwelt, sehr viel. Zudem gab es eine Zeitlang, auch wegen der Umstellung von der Geräte- zur Haushaltsberechnung, zusätzliche Einnahmen für die Sender.

„Der 24. Bericht der Kommission erscheint in – auch medienpolitisch – bewegten Zeiten. Die Höhe des Rundfunkbeitrags und ganz allgemein die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden aktuell intensiver denn je diskutiert. Aufgrund eines staatsvertraglich festgelegten und verfassungsgerichtlich mehrfach bestätigten Verfahrens stehen spätestens alle zwei Jahre die Prüfung des Finanzbedarfs und die Berichterstattung an die Länder durch die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten an. Dabei nimmt die Kommission insbesondere zu der Frage Stellung, ob und in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt eine Änderung des Rundfunkbeitrags notwendig ist, die betragsmäßig zu beziffern ist. Bei der Prüfung hat sie den gesetzlich definierten Auftrag der Rundfunkanstalten zu achten und deren Programmautonomie zu wahren“, so schreibt Detzel im Vorwort des Berichts. Dabei verweist er auf drei wichtige Faktoren: Zum einen sind die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Gesellschaft sowie die Höhe des Beitrages umstritten. Zweitens muss die KEF vom Auftrag ausgehen, den die Länder definiert haben und drittens muss sie die Programmautonomie der Anstalten beachten. Wenn die jetzige Erhöhungsempfehlung von 58 Cent kritisiert wird, ist nicht die KEF daran „schuld“, sondern die Verantwortung tragen die Länder und die Sender.

Die Ablehnung einer Beitragserhöhung in Sachsen-Anhalt Ende 2021, der Beitragsmissbrauch und die Misswirtschaft im RBB 2022 haben die 16 Bundesländer aufgeschreckt. Die Klausurtagungen im Januar 2023 und 2024 sollten die Weichen für eine gründliche Strukturreform und eine Anpassung des Auftrages an die veränderten Nutzungsbedingungen stellen. Damit könnten auch Einsparungen und letztlich eine Senkung oder mindestens eine Stabilisierung des Beitrages möglich werden. Die sehr konkreten Vorschläge aus den Staatskanzleien, die die Anstalten zur Zusammenarbeit zwingen, Budgetdeckelungen ermöglichen, eine Koppelung von Intendantengehältern an den öffentlichen Dienst vorsehen und Strukturveränderungen erzwingen sollen, gehen in die richtige Richtung. Doch sie kommen für die aktuelle Empfehlung der KEF zu spät. Auch ein Moratorium und damit das Aussetzen einer möglichen Beitragsanpassung um zwei Jahre, wurde aufgrund fehlender wirtschaftlicher Argumente, fallen gelassen.

„Es hatte also einen Grund, wenn der sehr diplomatisch agierende Martin Detzel bei der Vorstellung des 24. Berichts am vergangenen Freitag unrealistische Erwartungen einiger Länder dämpfte.“

Wie es aussieht, wird es nicht wieder sechs Jahre dauern, wie beim Medienstaatsvertrag, bis sich beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk grundsätzlich etwas ändern kann. Anregungen dazu lieferte auch der Zukunftsrat. Doch zum einen sind das langfristige Überlegungen – das war auch seine Aufgabe – und zum anderen müssen die Überlegungen, die realisiert werden sollen, staatsvertraglich geregelt werden. Es hatte also einen Grund, wenn der sehr diplomatisch agierende Martin Detzel bei der Vorstellung des 24. Berichts am vergangenen Freitag unrealistische Erwartungen einiger Länder dämpfte: „Die politisch diskutierten Vorschläge zum zukünftigen Auftrag und der Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks können jedoch erst dann von der Kommission in einer Beitragsempfehlung berücksichtigt werden, wenn diese konkret in einem Staatsvertrag der sechzehn Länder geregelt sind“, so der Vorsitzende. Also müssen die Länder mehr Tempo machen und zuerst liefern.

Ungeachtet eines neuen Staatsvertrages können aber auch die Sender liefern. Dass die KEF die Aufstockung der Finanzen um 2/3 gekürzt hat, spricht nicht gerade für eine realistische Sicht der Anstalten auf ihre Kosten und ihr Einsparungspotenzial, aber auch nicht für eine adäquate Einschätzung der Erwartung der Öffentlichkeit. Der Bericht würdigt die Reformbemühungen der ARD, verweist aber darauf, dass diese sehr unkonkret seien. Wie jüngst der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke in einem FAZ-Interview bestätigt hatte, sollen diese Reformen etwa 50 Millionen Euro innerhalb von vier Jahren ausmachen. Sehr wenig, bei einem in Aussicht gestellten Rekordbudget von fast 30 Milliarden Euro für die Jahre 2025 bis 2029 für die ARD. Das mehr möglich ist, wissen auch die Anstalten. Sonst würden sie nicht ständig ihre sogenannten Reformanstrengungen wie eine Monstranz vor sich her tragen.

Nach der Klausurtagung der Rundfunkkommission im Januar in Bingen, schrieb Rainer Robra, Minister und Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt: „Nach mehreren kleineren Reformschritten in den letzten Jahren ist dieser Ansatz tatsächlich geeignet, das öffentlich-rechtliche System schlanker, effizienter und damit kostengünstiger aufzustellen. Es bleibt allerdings dabei: wirklich weitreichende Schritte können nur dann erreicht werden, wenn der Reformgeist, den die Länder in Bingen gezeigt haben, auch auf die Intendantinnen und Intendanten überspringt. Viele der von den Ländern angestrebte Modernisierungsschritte könnten die Anstalten erheblich beschleunigen und in ihrer Wirkung verstärken, wenn sie die Ziele in ihrem wohlverstandenen Eigeninteresse schon jetzt von sich aus anstrebten. Die Möglichkeit dazu haben sie, denn schon im geltenden Medienrecht könnten sie ihre Zusammenarbeit auf allen Feldern, die Zukunftsrat, KEF und Länder identifiziert haben, durch öffentlich-rechtliche Verträge regeln. Bisher gab es zu viele Ausweichbewegungen, um von den Ländern angestoßenen und in Teilen bereits umgesetzten Reformanstößen die Spitze abzubrechen, wie etwa beim Aufbau gemeinsamer technischer Plattformen. Das sollte sich schnellstens ändern, denn nur ein reformbereiter öffentlich-rechtlicher Rundfunk wird Akzeptanz bei seinen beitragspflichtigen Financiers finden.“ Zu diesen, von Robra angesprochenen, Möglichkeiten zählen auch die Regelungen im Dritten Medienänderungsstaatsvertrag für eine Veränderung bei den Spartenkanälen. Doch im Gegensatz zur ARD hat sich das ZDF bisher nur sehr zurückhaltend zu seinen Reformvorstellungen geäußert. Die Unangemessenheit seiner Anmeldung belegt der aktuelle KEF-Bericht.

Nach der Übergabe der Berechnungen der Expertenkommission erklärte der Chef der Staatskanzlei Sachsens, Oliver Schenk „Die Reform kann nur gelingen, wenn auch die öffentlich-rechtlichen Sender selbst entschlossene Reformschritte einleiten. Das ist der Schlüssel für die Absicherung seiner Akzeptanz in der Gesellschaft. Nur ein in weiten Teilen der Gesellschaft verankerter öffentlich-rechtlicher Rundfunk kann seiner wichtigen Funktion im Meinungsbildungsprozess unserer demokratischen Gesellschaft gerecht werden“, ergänzt der Chef der Sächsischen Staatskanzlei, Staatsminister Oliver Schenk. „Mit dem Dritten Medienänderungsstaatsvertrag, der im Juli des letzten Jahres in Kraft getreten ist, haben die Länder bereits erste wichtige Weichenstellungen für einen modernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorgenommen. Diese müssen von den öffentlich-rechtlichen Sendern im anstehenden Reformprozess konsequenter als bisher genutzt werden“, so Schenk weiter.

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