Die Bedeutung von journalistischen Plattformen für die Medienvielfalt und damit die Auffindbarkeit von journalistisch-redaktionellen Inhalten im Internet nimmt zu. Über 42 Prozent der Bevölkerung haben schon einmal einen News-Feed oder News-Aggregatoren wie Google News, Microsoft Start oder das Apple News Widget genutzt. Bei den 14- bis 29-Jährigen sind es bereits knapp zwei Drittel. Trotz einer steigenden Anzahl von Plattformen gibt es eine markante Marktkonzentration auf einige wenige journalistische Plattformen. Google Discover und Google News sind dabei die wichtigsten Anbieter. Laut Medienstaatsvertrag haben Anbieter von Medienplattformen den diskriminierungsfreien Zugang von Inhalteanbietern und eine diskriminierungsfreie Auffindbarkeit von Inhalten in diesen Umgebungen sicherzustellen. Ebenso müssen die Grundsätze für die Auswahl und Anordnung von Inhalten transparent gemacht werden.
Management Summary
Dieser Bericht untersucht den Markt und die Geschäftsmodelle journalistischer Plattformen, die journalistisch-redaktionelle Inhalte verschiedener Anbieter bündeln, strukturieren und Nutzende mit diesen Inhalten zusammenbringen. Anhand ihrer Geschäftsmodelle und Funktionsweisen lassen sich drei Typen von journalistischen Plattformen unterscheiden: News-Aggregatoren, abonnementbasierte Plattformen und Online-Kioske. Auf Grundlage einer Bestandsaufnahme und Typisierung der journalistischen Plattformen am deutschen Markt sowie mittels 17 halbstandardisierter Leitfadeninterviews gelangt der Bericht zu den folgenden Schlüsselbefunden:
- Markt der journalistischen Plattformen deutlich gewachsen: Im Mai 2023 waren 63 journalistische Plattformen am deutschen Markt aktiv, ein deutliches Wachstum im Vergleich zu 2020. Die Befunde unterstreichen ein anhaltendes Gründungsgeschehen und eine gewisse Marktdynamik, dokumentiert auch durch acht Marktaustritte. Axel Springer ist nach wie vor der einzige deutsche Verlag, der mit upday eine eigene Journalismusplattform betreibt, hat jedoch in letzter Zeit verstärkt desinvestiert, einschließlich Stellenabbau.
- Insbesondere Zahl der News-Aggregatoren steigt: News-Aggregatoren bilden das größte Segment der journalistischen Plattformen. Hier werden deutliche Gründungsaktivitäten beobachtet, während sich die Marktstruktur der abonnementbasierten Plattformen und der Online-Kioske im Zeitverlauf kaum verändert hat. Bei den auf Abonnement basierten Diensten sind jedoch einige bemerkenswerte Neueinsteiger zu verzeichnen, deren weitere Entwicklung aufmerksam verfolgt werden sollte. Der Typus des Einzelartikel-Kiosks („iTunes für Journalismus“) ist mit dem Rückzug von Blendle als letztem Vertreter am deutschen Markt weggefallen.
- Überragende Relevanz einiger weniger Plattformen: Nur wenige der journalistischen Plattformen am Markt werden von den befragten Inhalteanbietern als relevant eingestuft. Es zeigt sich eine markante Konzentration auf einzelne Plattformen, die auch für deren Meinungsbildungsrelevanz angenommen werden kann. Die Interviews belegen, dass Google Discover und Google News bei weitem die wichtigsten Aggregatoren sind.
- Hohe Bedeutung nativer Aggregatoren: Google Discover, Microsoft Start, Apple News und Pocket sind in andere Softwareprodukte wie Betriebssysteme oder Browser integriert. Da sie von anderen Nutzungssituationen ausgehend neue Reichweite für Journalismus organisieren, spielen sie eine herausgehobene Rolle für die Befragten. Sie haben mittlerweile die herkömmlichen Aggregatoren in ihrer Relevanz für die Inhalteanbieter übertroffen.
„Die Interviews belegen, dass Google Discover und Google News bei weitem die wichtigsten Aggregatoren sind.“
- Weitere Plattformen eher als Zusatzgeschäft: Abonnementbasierte Plattformen sowie Online-Kioske, die in ihrer gegenwärtigen Funktionsweise vor allem ePaper klassischer Zeitschriften- und Zeitungstitel bündeln, werden von den Inhalteanbietern hauptsächlich als eine Möglichkeit zur Generierung von Zusatzerlösen durch die Zweitverwertung von ohnehin bereits produzierten Inhalten gesehen.
- Reichweite als Hauptkriterium für Inhalteanbieter: Die befragten Inhalteanbieter erwarten von Plattformen in erster Linie die Zulieferung von Reichweite auf die eigenen Angebote, die anschließend durch Anzeigenvermarktung monetarisiert werden kann. Unter anderem daraus ergibt sich die hohe Bedeutung von (nativen) News-Aggregatoren.
- Geschäftsbeziehungen auch ohne Verträge: Die Geschäftsbeziehungen zwischen den Marktakteuren sind nur teilweise vertraglich geregelt, fußen auch auf der Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen einer Plattform oder auf informeller Einwilligung bzw. Nichtausschluss von Webcrawlern.
- Diskriminierungsfreier Zugang gewährleistet: Ein offenkundiger Verdacht auf Verletzung von Anbieterpflichten zum offenen Zugang zu journalistischen Plattformen wurde in den Interviews nicht benannt. Die Zugangskriterien sind inhaltlicher (journalistische Standards), rechtlicher, ökonomischer (z.B. Mindestauflagen) oder technischer Natur. Allerdings fehlt es speziell bei kleineren Inhalteanbieter an einer expliziten Plattformstrategie.
- Unvorhersehbare Änderungen der Algorithmen geschäftsbeeinträchtigend: Algorithmisch kuratierende Plattformen sortieren Inhalte nach Relevanz (wobei der Relevanzbegriff häufig unklar bleibt), nach Kongruenz (wichtig ist, was die Inhalteanbieter prioritär platzieren), nach ökonomischen Kriterien (Verkaufserfolg) oder liefern einen unsortierten Feed aus. Inhalteanbieter bezeichnen die Ergebnisse der algorithmischen Auswahl und Sortierung und die Änderung der Algorithmen häufig als unvorhersehbar. Durch Platzbegrenzung kann die Auffindbarkeit von Inhalten beeinträchtigt werden. Bei redaktioneller Kuratierung sind die Auswahl- und Sortierungskriterien häufig wenig transparent.
- Diskriminierung bei der Auffindbarkeit kleinerer Inhalteanbieter möglich: Die Studie liefert keine Erkenntnisse, dass algorithmisch kuratierende Plattformen systematisch von ihren Auswahl- und Sortierungskriterien zugunsten oder zulasten eines bestimmten Angebots abweichen. Die Auswahl- und Sortierungskriterien könnten jedoch Angebote kleinerer Inhalteanbieter systematisch behindern.
- Transparenzhinweise nur mangelhaft: Transparenzhinweise zum Zugang zu einer Plattform und zur Auswahl, Sortierung und Auffindbarkeit von Inhalten durch die Plattform sind nicht durchgängig zufriedenstellend umgesetzt.
Über die Studie „News-Aggregatoren, Abonnementbasierte Plattformen, Online-Kioske: Marktanalyse und Geschäftsmodelle journalistischer Plattformen“ Die Untersuchung wurde von einem Team aus renommierten Wissenschaftlern der Technischen Universität Ilmenau und der Bauhaus-Universität Weimar im Auftrag der Medienanstalten durchgeführt. Das Projektteam hat, neben einer umfassenden Bestandsaufnahme des Marktes journalistischer Plattformen, eine typenbildende, qualitative Inhaltsanalyse der Plattformen durchgeführt. Die Strukturanalyse wurde ergänzt durch halbstandardisierte Leitfadeninterviews mit Inhalte- und Plattformanbietern sowie Branchenexperten.