Zeitungen sind digitale Zukunft

22. Januar 2024
Helmut Verdenhalven
Helmut Verdenhalven
Zeitungsverleger fordern „zukunftsgerichtete KI-Regulierung“

Von Helmut Verdenhalven, Leiter Medienpolitik und Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesverbandes Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV)

Mit einem „Jahr der Nachricht“ wollen die Partner der Medienkompetenzinitiative #UseTheNews, zu denen auch der BDZV gehört, auf die Bedeutung von journalistischen Nachrichten für die Demokratie aufmerksam machen und die Öffentlichkeit vor Fake News und einer wachsenden Entfremdung zwischen Medien und Bevölkerung warnen. Mit der Initiative soll vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen für den vertrauensvollen Umgang mit Nachrichten geworben werden. Den Wert professioneller Nachrichten wollen wir verdeutlichen und feiern. Das ist eine große und schöne Aufgabe für die Medien im Jahr 2024.

2024 ist ein Jubiläum für Artikel 5

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Am 23. Mai 1949 gab sich Deutschland das Grundgesetz mit diesem für die Sicherung von Demokratie und Freiheit elementaren Satz. Ihn immer wieder mit Leben zu erfüllen, bleibt auch im 75. Jubiläumsjahr 2024 das Fundament einer offenen Gesellschaft in Deutschland. Wenn politische Entscheidungsträger dabei die noch immer wegweisende Auslegung dieses Satzes im Spiegel-Urteil (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes) im Blick behalten, wäre viel gewonnen: „Der Staat muss in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung tragen“ Das diese Freiheit nur bestehen kann, wenn die wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen stimmen, liegt auf der Hand. In der digitalen Medienwelt gilt das unvermindert.

In 2024 nach vorne schauen

In den politischen Debatten der vergangenen Jahre wurde immer wieder gefragt, wie die Zeitungen ihre digitale Zukunft gestalten. Diese Antwort können wir in 2024 mehr denn je geben: Zeitungen sind digitale Zukunft. Die digitale Newslandschaft in Deutschland ist weltweit führend. Mehr als 2.000 digitale Newsprodukte der Zeitungen sind das Rückgrat des professionellen Journalismus in der digitalen Welt in Deutschland.

Zeitungen sind Wachstumstreiber für digitalen Journalismus. Die Digitalisierung hat die Wirkungsmacht der Zeitungen schon jetzt wesentlich erhöht, sie erreichen mehr Leser als jemals zuvor. In der durchschnittlichen Woche liest schon jetzt die Hälfte der Bevölkerung die Zeitung über digitale Kanäle. Das sind konkret 47,6 Prozent bzw. 32,9 Mio. Menschen, die mindestens wöchentlich Zeitung digital nutzen. Damit sind die Zeitungen das Schwergewicht auch in der digitalen Nachrichtenwelt.

Die Zeitung hat sich digital neu erfunden. Sie ist heute E-Paper, App, Plus-Angebot, Podcast, Newsletter, 24/7, Reichweitenportal, Deepdive, digitaler Marktplatz, digitale Debattenplattform, Meinungsforum und jederzeit im besten Sinne „Social Media“.

Zeitungen sind Innovationsplattformen. Die Verlage können ihre digitalen Angebote mit zusätzlichen Produkten in den Bereichen Logistik, Events und Handel sowie Print verbinden. Sie umarmen Möglichkeiten von KI, um das noch besser zu machen. Die starken Zeitungsmarken sind das beste Fundament für neue Geschäftsfelder. Zunehmend gelingt es, die Marktstellung durch weitere digitale Produkte zu halten und zu steigern und damit eine Grundlage für eine Monetarisierung zu schaffen. Digitale Produkte bieten eine leichte Möglichkeit nationaler und internationaler Skalierung! In praktisch jedem Verbreitungsgebiet gibt es Ereignisse, Produkte oder Eigenheiten, die weit über die Region hinaus bekannt sind und durch intelligent gemachte Plattformen für neue Geschäftsmodelle genutzt werden können.

Die Zeitung hat im digitalen Zeitalter diverse neue Vertriebswege. Gelesen und vorgelesen wird auf Smartphones, Outdoordisplays, Haushaltsgeräten, intelligenten Lautsprechern, im Autoradio etc. Die Zeitung kann digital immer und überall für die Nutzer da sein.

„Die Digitalisierung hat die Wirkungsmacht der Zeitungen schon jetzt wesentlich erhöht.“

Zeitungen sind digitale Kompetenz vor Ort. Mit der Markenkraft der örtlichen Zeitung und dem starken ökonomischen Fundament der Verlage ist und bleibt eine nachhaltige Entwicklung digitaler lokaler und regionaler Nachrichtenangebote möglich. Auch digital organisieren die Zeitungen so gesellschaftliche Teilhabe, Meinungsbildung und Wirtschaftskommunikation in den Städten und Gemeinden wie kein anderes Medium.

Zeitungen sind digitales Vertrauen. Keinem anderen privaten Medium vertrauen die Menschen mehr als der Zeitung. Diese Markenkraft steht auch für Verlässlichkeit im digitalen Medienmarkt.

Zeitungen bieten digital das Fundament professioneller Berichterstattung! Tausende festangestellte Journalist/innen der Zeitungen in Deutschland stellen jeden Tag sicher, dass die Menschen bestens mit meinungsbildenden Inhalten versorgt werden.

Zeitungen sind die sachgerechte Antwort auf Fake-News im Internet! Sie berichten gedruckt im wahrsten Sinne des Wortes schwarz auf weiß und natürlich auch digital immer nachprüfbar nach professionellen Kriterien unabhängig und überparteilich unter verantwortlicher Herausgeberschaft.

Die Zeitung bleibt auch digital einzigartig! Kein anderes digitales Medium berichtet in dieser Tiefe und Professionalität aus dem direkten Umfeld seiner Nutzer. Kein anderes digitales Medium hat Mitarbeiter, die täglich an buchstäblich jedem Haus in Deutschland vorbeikommen. Kein anderes digitales Medium kann, wenn es Lust dazu hat, das Internet ausdrucken.

Politische Ziele für 2024

Es lohnt darum und aus vielen weiteren guten Gründen die Rahmenbedingungen des Journalismus in der digitalen und analogen Welt zu verbessern. Folgende 10 Bereiche werden in 2024 der Schwerpunkt unserer Arbeit:

Wir brauchen ein Belastungsmoratorium für Journalismus. Die Verlage stellen sich beim Wiederaufbau nach der Pandemie und in der Energiekrise großen Herausforderungen.

Jegliche Regulierung, mit der ideelle und wirtschaftliche Grundlagen der Presse beeinträchtigt werden, wie aktuell das diskutierte Verbot von Lebensmittelwerbung, muss unterbleiben.

Die Märkte der Presse dürfen nicht durch staatliche oder öffentlich-rechtliche Anbieter gestört werden.

Innovationen dürfen nicht durch marktdominante oder monopolistische digitale Plattformen behindert werden.

Werbemonopole in der digitalen Welt müssen aufgebrochen werden. Durch Monopolstrukturen gewonnene Ressourcen digitaler Gatekeeper (z. B. Daten oder auch Patente) sollten durch geeignete Maßnahmen (z. B. Vorgabe, Lizenzen an Konkurrenten zu erteilen) der Gesamtwirtschaft zugutekommen.

Wir brauchen ein Levelplayingfield mit international agierenden Digitalunternehmen in diversen Bereichen (Datenschutz, Steuern, Vielfaltssicherung).

Es müssen Kooperationen nationaler Anbieter zur Entwicklung von Produkten und Standards als Reaktion auf monopolartige Strukturen multinationaler Anbieter der digitalen Welt besser und schneller möglich sein.

Der Grundgedanke, dass journalistische Inhalte einen Wert haben, muss gestärkt werden! Robuste Schutzrechte für journalistische und verlegerische Inhalte sind Grundlage für Investitionen und Innovation in der digitalen Medienwelt.

Eine zukunftsgerichtete KI-Regulierung ist dringend nötig. Presseverlage übernehmen die Verantwortung für ihre Produkte. Bei der Nutzung von KI dürfen ihnen keine Beschränkungen auferlegt werden. Dass KI-Anbieter, die für die Schulung ihrer Systeme Presseinhalte nutzen, dafür die Erlaubnis der Verlage benötigen und diese auch sachgerecht vergüten müssen, sollte selbstverständlich sein.

Inhaltevorgaben für digitale journalistische Angebote oder eine Vorabkontrolle von Inhalten durch den Staat oder staatlich veranlasste Aufsichtsgremien bedeuten das Ende der Pressefreiheit. Sie müssen in jedem Fall unterbleiben. Staatliche Inhaltskontrolle gefährdet die Demokratie. Meinungsbildung aus professionellen journalistischen Quellen darf nicht steuerpflichtig sein. Die Mehrwertsteuer auf gedruckte und digitale journalistische Produkte muss gesenkt werden.

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