
Interview mit Martin Grasmück, Intendant des Saarländischen Rundfunks
Beim Saarländische Rundfunk (SR) gehört Sparen zum Alltag. Der Sender, der 1957 gegründet worden ist, ist mit einem jährlichen Budget von 137 Millionen Euro die zweitkleinste ARD-Anstalt. Dem WDR als größtem Regionalsender, stehen mit 1.565 Milliarden Euro mehr als das Zehnfache an Finanzmitteln zur Verfügung. „Wir können nur das ausgeben, was vorhanden ist und haben gleichzeitig die Verantwortung, den Sender zukunftsfähig zu machen. Dazu gehört, uns so programmlich weiterzuentwickeln, dass wir auch bei einer sich grundlegend verändernden Medienlandschaft weiterhin unseren Auftrag erfüllen können und relevant bleiben.“, sagt Intendant Martin Grasmück im Gespräch. Durch Personaleinsparungen sollen in den nächsten vier Jahren drei Millionen Euro gewonnen werden, durch Veränderungen im Programm weitere sechs Millionen. Weitere wirtschaftliche Effekte in Millionenhöhe erhofft sich der SR durch die Reduzierung von Bauinvestitionen und die Übernahme der ARD-Reformvorhaben.
medienpolitik.net: Herr Grasmück, seit 1 ½ Jahren ist das neue „Gesetz zum Saarländischen Rundfunk (SR)“ gültig, das wesentliche Veränderungen bei Ihrem Sender vorsah und gegen das es auch Vorbehalte gab. Wie lebt und arbeitet der Sender inzwischen mit diesem Gesetz?
Grasmück: Der Saarländische Rundfunk hat das Gesetz inzwischen nahezu umgesetzt, die Satzungen wurden entsprechend geändert und das neue Direktorium hat sich eine Geschäftsordnung gegeben. Wie in den Jahren zuvor, arbeiten wir in der Leitung sehr kollegial und ergebnisorientiert zusammen. Mir persönlich war wichtig, dass auch künftig klare Entscheidungsstrukturen existieren. Dem hat der Gesetzgeber mit dem Letztentscheidungsrecht des Intendanten Rechnung getragen. Das neue Gesetz hat nicht grundsätzlich zu einem neuen Arbeitsstil geführt, aber wir müssen bestimmte Vorgaben stärker beachten, wie zum Beispiel, dass die Beschlüsse des Direktoriums genauer dokumentiert werden. Am 1. Juli wird dann der neue, verkleinerte Rundfunkrat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten. Dessen Zusammensetzung wird gerade final geklärt.
medienpolitik.net: Im § 16 heißt es: „Der SR hat bei seiner Wirtschaftsführung die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten.“ Ist der „Strategie- und Maßnahmenplan für den Saarländischen Rundfunk“, der wesentliche Einsparungen vorsieht, Ergebnis des neuen SR-Gesetzes?
Grasmück: Nein. Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit waren schon immer die Ausgangspunkte für das Wirtschaften beim Saarländischen Rundfunk, als zweitkleinste ARD-Anstalt. Das kennen wir nicht erst seit dem neuen SR-Gesetz. Das Geld der Beitragszahler musste hier schon immer optimal eingesetzt werden, um z. B. die Eigenständigkeit zu sichern. Wir können nur das ausgeben, was vorhanden ist und haben gleichzeitig die Verantwortung, den Sender zukunftsfähig zu machen. Dazu gehört, uns so programmlich weiterzuentwickeln, dass wir auch bei einer sich grundlegend verändernden Medienlandschaft weiterhin unseren Auftrag erfüllen können und relevant bleiben. Deshalb haben wir mit den Verantwortlichen in Verwaltung und Programm im Haus dem Rundfunkrat diesen Strategie- und Maßnahmenplan vorgelegt – und dort wird er jetzt unter anderem in den Ausschüssen diskutiert und beraten werden.
medienpolitik.net: Warum haben Sie mit diesem Strategie- und Maßnahmenplan nicht gewartet, bis die Länder den Reformstaatsvertrag verabschiedet haben und damit der Auftrag und die Anforderungen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk klarer sind?
Grasmück: Wir können nicht warten. Diese Zeit haben wir nicht, denn wir müssen jetzt unseren Wirtschaftsplan für das kommende Jahr entwerfen. Die von der KEF empfohlene Beitragserhöhung von 0,58 Cent bedeutet eine Steigerung von 0,8 Prozent pro Jahr. Schon das würde nicht ausreichen, um die Kostensteigerungen zu decken. Deshalb müssen wir klug rechnen und mit Augenmaß die Beitragsmittel einsetzen, um über die nächste Beitragsperiode zu kommen, möglichst ohne an Zustimmung bei unseren Nutzerinnen und Nutzern einzubüßen. Unser Strategiepapier hat zudem einen sehr langen Vorlauf. Mit meinem Amtsantritt vor gut drei Jahren habe ich einen umfassenden Strategieprozess aufs Gleis gesetzt und in drei großen, miteinander verzahnten Projekten sehr viel Vorarbeit geleistet. Sowohl das Thema digitale Angebote als auch das Thema Produktion und Technik haben wir in den Projekten „Digitale Evolution“ und „Smarte Produktion, Technik, Workflows“ ganzheitlich betrachtet. Ziel war es, einen qualitätsvollen Output auch in Zukunft abzusichern und dabei dennoch weiter Personal einzusparen. Wir haben zudem ein neues Markenportfolio entwickelt, das dabei helfen soll, dass die Angebote des Saarländischen Rundfunks auch in der digitalen Welt wiedererkennbar bleiben. Ein weiterer Schwerpunkt war auch die kritische Hinterfragung geplanter Investitionen.
„Wir können nur das ausgeben, was vorhanden ist und haben gleichzeitig die Verantwortung, den Sender zukunftsfähig zu machen.“
medienpolitik.net: In welchen Bereichen wollen Sie vor allem Einsparungen vornehmen?
Grasmück: Das größte Sparpotenzial haben wir zunächst bei den Sachkosten und Investitionen ausgemacht. Wir haben durch eine Aktualisierung unserer „Entwicklungsstudie Bauen“ einen geringeren Raumbedarf für die nächsten Jahre definiert und werden voraussichtlich auch einige ursprünglich vorgesehene Bauprojekte nicht realisieren. So gewinnen wir allein in diesem Bereich mehrere Millionen Euro. Außerdem haben wir die Möglichkeit einer Verringerung um weitere 17 Stellen identifiziert, wodurch wir in den nächsten vier Jahren drei Millionen Euro einsparen können. Auch vom Reformprozess innerhalb der ARD, dessen finanzielle Effekte derzeit noch nicht ganz klar sind, versprechen wir uns eine Entlastung. Aber diese Maßnahmen, die den mit Abstand größten Teil unseres Maßnahmenpakets ausmachen, reichen zur Absicherung des SR nicht aus, weshalb wir danach dann leider auch zusätzlich beim Programm nach möglichen Einsparungen schauen mussten. Alles in allem liegen die Einsparungen im Programm bei sechs Millionen Euro in den nächsten vier Jahren. Diese tut natürlich weh, es ist allerdings der kleinere Anteil in unserem Maßnahmenpaket, wenn man Investionen, Sachkosten und Personalreduzierung gemeinsam betrachtet. Wichtig: Diese Position stand ganz am Ende unserer Überlegungen. Das alles diskutieren wir jetzt mit unseren Gremien.
medienpolitik.net: Inwieweit leidet unter der Kostenreduzierung im Programm die Erfüllung Ihres Programmauftrages?
Grasmück: Auch bei den wenigen Reduzierungen im Programm sind wir strategisch vorgegangen, in dem wir die Prioritäten bei der Auftragserfüllung bestimmt haben. Im Fernsehen ist uns vor allem unsere erkennbare, lokal geprägte Vorabendschiene wichtig. Die grenzüberschreitenden Themen, die Kultur- und Sportberichterstattung und natürlich ein weiterhin sehr großer Anteil an Information werden bleiben. Im Mittelpunkt steht nach wie vor der Saarlandbezug. Mit den Programmreduzierungen im linearen Programm haben wir jedoch auch die Möglichkeit geschaffen, die digitalen Produkte auszubauen. Wir benötigen Spielraum für neue Angebote für die jüngere Zielgruppe im Netz, auch wenn deren Produktion im Vergleich zu linearen Sendungen überwiegend weniger Geld kostet. Neue Angebote im Digitalen gehen nur, wenn wir den Aufwand an anderer Stelle reduzieren. Deshalb haben wir unser gesamtes Portfolio analysiert und klare Review- und Benchmarkmechanismen zur künftigen Steuerung entwickelt.
medienpolitik.net: Wo liegt für Sie bei den digitalen Angeboten das Maß? Alles machen, was möglich ist?
Grasmück: Nein, alles machen, was sinnvoll ist. Wir müssen unser Geld sparsam und wirtschaftlich einsetzen, um unseren Auftrag zu erfüllen. Das ist unsere Richtschnur für die digitalen Angebote. Das Review- und Benchmarkverfahren soll dazu führen, dass Inhalte, die nicht erfolgreich sind, nicht länger produziert werden. Wir wollen uns auf vergleichsweise wenige Angebote konzentrieren, die erfolgreicher sind und möglichst viele Menschen erreichen. Dazu werden wir uns für neue Formate qualitative und quantitative Ziele setzen, die für die jeweiligen Kategorien realistisch sind. Wenn diese nicht erreicht werden, wird der Saarländische Rundfunk diese einstellen.
„Wir wollen uns auf vergleichsweise wenige Angebote konzentrieren, die erfolgreicher sind und möglichst viele Menschen erreichen.“
medienpolitik.net: Personalkosten einschließlich Altersversorgung machen einen großen Teil des Budgets aus. Welche Möglichkeiten sehen Sie, diese Kosten künftig zu begrenzen?
Grasmück: Mit der Umsetzung unseres Strategie- und Maßnahmeplans erhoffen wir uns in der Folge darauf aufbauend weitere Möglichkeiten für Personaleinsparungen. So wollen wir die Studiokapazitäten und deren Auslastung überprüfen und so möglicherweise zu einer weiteren, sozialverträglichen Personalreduzierung kommen. Nicht vergessen darf man in diesem Zusammenhang, dass Personalkosten oft auch Programmkosten sind, etwa im Bereich der festangestellten Programmitarbeitenden. Der Saarländische Rundfunk hat in den vergangenen Jahrzehnten mit Bedacht, aber kontinuierlich seine Mitarbeiterzahl reduziert und diesen Weg werden wir fortsetzen. Bei der Altersversorgung ist der Saarländische Rundfunk im Vergleich zu anderen ARD-Anstalten in einer gewissen Sondersituation. Wir sind sehr frühzeitig der Zusatzversorgungskasse des Saarlandes – einer Versorgungseinrichtung im Sinne des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes – beigetreten und hatten dadurch schon in der Vergangenheit geringere Kosten. Inzwischen wurden auch bei andere ARD-Sendern Maßnahmen zur Kostenreduzierung der Altersversorgung getroffen.
medienpolitik.net: Welche Umstrukturierungen und welches Umdenken erfordert der „Strategie- und Maßnahmenplan“ im Sender?
Grasmück: Die Umsetzung des „Strategie- und Maßnahmenplanes“ erfordert weniger ein Umdenken als eine andere Praxis, Stichworte: Review- und Benchmarkverfahren, Portfolioprozess. Wir müssen stärker als bisher, den ganzen Sender im Blick haben und entsprechend unser Angebotsportfolio detailliert steuern. Dort, wo wir bestimmte Publikumsschichten nicht erreichen, müssen wir investieren. Mit schlanken Strukturen wollen wir weiterhin einen optimalen Programmoutput gewährleisten. Dabei kommen wir auch an Grenzen, wenn wir den bestehenden Auftrag in hoher Qualität erfüllen wollen. Aber ich glaube, dass wir unseren Plan auch in die Belegschaft vermitteln konnten. Wichtig ist für uns am Ende jedoch, dass die Beitragsempfehlung der KEF von den Ländern irgendwann umgesetzt wird. Ansonsten wird dieses Paket finanziell nicht ausreichen.
medienpolitik.net: Nach meinen Informationen gab es unter der Belegschaft weniger Unmut und Kritik als das bei ähnlichen Vorhaben anderer ARD-Sender der Fall gewesen sein soll. Sind die Saarländer leidensfähiger?
Grasmück: Zu anderen Sendern kann ich nichts sagen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei uns sind es auf jeden Fall seit Jahrzehnten gewohnt, dass sich der SR seit Jahren in einem permanenten Sparprozess befindet, um trotz eines vergleichbar geringen Budgets seine Unabhängigkeit zu bewahren. Ich habe das selbst in unterschiedlichen Funktionen hier miterlebt und auch aktiv mitgestaltet. Dabei war es immer das Ziel der Leitung, mit einer guten Kommunikation die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu informieren und so auch mitzunehmen. Der aktuelle „Strategie- und Maßnahmenplan“ war für sie deshalb keine Überraschung, da wir unsere Pläne über einen längeren Zeitraum angekündigt und schließlich auch persönlich erläutert haben. Das ist ein transparenter Prozess, den wir sozialverträglich gestalten wollen und bei dem wir Rückmeldungen aus der Belegschaft, soweit möglich, auch berücksichtigen wollen.